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Sewolt Ochsenstein saß mit seinen Männern am Lagerfeuer und betrachtete die Flammen. Sie erinnerten ihn stets daran, was in Mirofeld geschehen war und, dass es für ihn seither nur mehr bergab ging.

Die Familie von Hengsttal hatte ihm Ruhm und Gold versprochen, doch nichts hatte er bekommen. Er war verstoßen worden und sollte er je wieder einen Schritt auf das Land der Hengsttals setzen, würde er mit dem Tod bestraft werden.

Die Familie von Schwarzenburg hatte er hintergangen, deswegen würde er sich von deren Seite keine Gnade erhoffen. Er wusste, er hätte die Pferde nicht vergiften dürfen oder gar einen Handel mit der Familie von Hengsttal abschließen sollen, doch er hatte es getan und es war nicht wiedergutzumachen. Niemand konnte etwas an der Vergangenheit und seinen Taten ändern, deswegen hatte er sich dazu entschlossen, ein Räuber zu werden und im Wald zu leben. Dabei hatte er einige Männer getroffen, die ebenso verstoßen wurden oder nie ein anderes Leben gekannt hatten.

Sewolt Ochsenstein wurde zum Räuberhauptmann dieser Männerbande. Zwar war es nicht das Leben voller Ruhm und Gold, welches er sich stets herbeigesehnt hatte, doch es war immer noch besser als ein totes Leben – oder gar kein Leben.

„Hauptmann!“, ein junger Mann namens Conrad kam von seiner Erkundungstour zurück. Er war als Kind von seiner Mutter verstoßen worden, da sie in ihm stets seinen Erzeuger gesehen hatte. Die blauen Augen und das dunkle Haar ließen seine Mutter immerzu an ihren Vergewaltiger erinnern.

„Conrad, was hast du mir zu sagen?“ Sie sprachen sich allesamt mit Du an, denn die Räuber waren so etwas wie eine Familie – eine Männerfamilie.

„Ich habe gehört, dass die Familie von Eisenbach ihr Landstück nicht hergeben will. Der höhere Stand will den Prinzen einladen.“

„Das sind großartige Neuigkeiten.“ Der Hauptmann klopfte Conrad auf die Schulter. „Auf dich ist immer Verlass. Du darfst heute mit auf die Jagd gehen.“

Die Freude in Conrads Gesicht war groß, denn es gab für die Räuber keinen schöneren Zeitvertreib als die Jagd. Es gab einige, die auf die Jagd gingen, um Essen zu beschaffen und einige, die im Lager blieben, damit sie es verteidigen konnten, sollte etwas geschehen.

Sewolt ging mit seinen Männern Conrad, Fritz, Nickel und Wille auf die Jagd.

Conrad war erst seit neun Monden zu ihnen gestoßen, davor hatte er sich allein durch die Welt geschlagen. Er hatte gelernt, wie man sich gegen wilde Tiere zu verteidigen hatte, wie man stahl, um an Essen zu kommen und wie man nachts schlief, ohne gefressen zu werden. Denn die Wildnis war nicht so harmlos und idyllisch, wie sie an so manchem sonnigen Tag aussah – sie verbarg viele Gefahren.

Fritz war ein alter Mann, welcher seinem Hauptmann schon seit dem Anfang an treu ergeben war. Er kannte sich in dieser Gegend so gut wie fast keiner aus. Auch er war ein Verstoßener der Familie von Schwarzenburg, da er einst der Königin gedroht hatte. Diese Drohung war mit der Verbannung bestraft worden.

Nickel war der Narr der Räuberbande. Für ihn war alles ein Witz und niemand konnte ihm je böse sein, für das was er sagte. Doch Nickel war auch einer der besten Jäger unter den Räubern – selten, dass ihm eine Beute entkam.

Und Wille war der beste Fährtenleser, den sie hatten. Er konnte einem nur anhand eines Abdrucks am Boden sagen, welches Tier diesen Weg entlanggelaufen war. Er war als kleiner Junge einfach von Zuhause abgehauen, da er niemals ein Krieger werden wollte. Für ihn hatte es damals keine andere Wahl gegeben, auch wenn er sie bis zum heutigen Tag immer wieder mal bereute.

Die fünf Männer waren im Wald unterwegs und unterhielten sich kaum – das taten sie während der Jagd nie. Wille kniete sich nur ab und an auf den Boden, betrachtete die Abdrücke und gab seinen Männern Anweisungen. Er war einem Hasen auf der Spur. Die Pfotenabdrücke schienen noch frisch zu sein.

Wolfsfluch | ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt