Dunkelheit umfing mich. Ich wusste nicht, wo ich mich befand, doch es war eisig kalt. Der Schnee unter meinen Füßen ließ mich keuchen. Ich stand allein in einem Wald und Schneeflocken tanzten vereinzelt vom Himmel.
Ich befand mich weder in der Vergangenheit noch in der Gegenwart. Es musste die Zukunft sein. Doch außer dem Schnee um mich herum, die vielen Bäume und die Dunkelheit der Nacht, konnte ich nicht viel erkennen. Als ich gen den Himmel blickte, war gerade einmal zunehmender Mond, also hatte es auch nichts mit dem Wolf meines Gemahls zu tun.
Das Rascheln eines Gebüschs riss mich aus meinen Gedanken. Ich musste zweimal hingucken, bis ich merkte, dass ich das war. Wie konnte ich hier stehen und mich selbst sehen? Doch was mich viel mehr verschreckte, war mein kurzes Haar. Hatte ich keine Familie mehr? Ich griff mir verängstigt an den Mund, um nicht aufzuschluchzen. Was war mit meinen Haaren passiert?
„Serafina, Erlinda. Ich bin da.“
Ich kam meinem zukünftigen Ich etwas näher und betrachtete sie genauer. Ihre Augen leuchteten, als sei sie glücklich. Doch wie konnte das sein? Wie konnte ich ohne langes Haar glücklich sein? Würde ich es mir selbst abschneiden oder würde es jemand anders tun? Würde ich kein Zuhause mehr haben? So viele Gedanken schwebten mir durch den Kopf, doch die große Angst, allein zu sein, blieb.
Der Schnee knirschte und wir bekamen Besuch. Vermutlich von diesen beiden Damen, von denen mein zukünftiges Ich gesprochen hatte. Doch sie bewegten sich sehr schnell, vielleicht ritten sie auf Pferden. Doch Pferde hörten sich anders an, viel sanfter und vor allem nicht so schnell. Obwohl, auch Pferde konnten schnell sein, nur nicht inmitten von so vielen Bäumen.
Dann sah ich sie. Mir klappte der Mund auf und ich wich hastig ein paar Schritte zurück. Mir war beinahe ein Schrei entkommen, doch meine Hand hatte es rechtzeitig auf meine Lippen geschafft und den Schrei erstickt. Das was ich vor mir sah, konnte unmöglich meine Zukunft sein. Wer waren diese Wesen? Und war das wirklich ich? Denn ich schien diese Wesen zu mögen, ging auf sie zu und streichelte ihnen über ihren ausgefransten Kopf.
Sie stanken nach Verwesung und dem Tod. Ihre Augen waren blutrot und ihre Zähne spitz. Mühelos würden sie einen Menschen in zwei Teile reißen können. Sie hatten die Größe einer Kuh, hatten viele Muskeln und sahen stark aus. Vor allem aber mächtig. Wer würde sich schon mit diesen Wesen anlegen wollen? Man konnte gegen sie nur verlieren.
„Ich habe Neuigkeiten.“ Mein zukünftiges Ich lächelte und griff an ihren Bauch. „Robin und ich, wir bekommen Nachwuchs.“ Nun verschluckte ich mich vollends. Ich hustete und hätte diese Vision am liebsten nie gesehen. Nicht, weil ich nicht erfreut darüber war, sondern weil ich all das eigentlich nie herausfinden hätte wollen. Ich wollte nicht wissen, wann ich ein Kind bekam. Ich wollte nicht wissen, dass ich kurzes Haar trug. Ich wollte nicht wissen, dass ich mit Wesen sprach, die aussahen wie Seelenstehler – die aussahen wie eine uralte Legende. Doch inmitten all dem, war ich auch irgendwie erleichtert, dass Robin noch immer an meiner Seite war.
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„Olivia, seid Ihr in Ordnung?“ Als ich die Augen aufschlug, war der Pilzbär weg und Robin hielt mich in seinen Armen. Er hatte mir seinen Mantel erneut umgeschlungen und betrachtete mich besorgt. „Olivia, was habt Ihr gesehen? Ihr habt gezittert wie Espenlaub, schon seit Beginn der Vision.“
„Es war furchtbar kalt“, meinte ich abwesend. Denn gedanklich stand ich noch immer dort im Schnee und betrachtete die Szene vor mir. Wie war all das möglich?
„Geht es Euch gut?“ Ich ignorierte Robins Frage und starrte auf den Teich. Er sah so beruhigend aus, als könnte ihn nichts aus der Ruhe bringen, nicht einmal ein Sturm. Das Wasser plätscherte nicht, sondern strahlte schlicht und einfach Frieden aus.
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Wolfsfluch | ✔️
FantasiUm eine Allianz mit dem Feind zu gründen, vermählt der König von Bell seine Tochter Olivia mit dem gefürchteten Prinzen Robin von Schwarzenburg. Einst lernte man ihr, dass diese Familie brutal und eiskalt ist, und die Menschen beim Klang von ihrem N...