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Als ich aufwachte, schienen bereits viele Sonnenstrahlen durch das Fenster herein. Mein Blick wanderte sofort zur anderen Betthälfte, doch diese war leer. Robin musste das Gemach schon vor mir verlassen haben, und ich hatte es aufgrund meines tiefen Schlafes wieder einmal nicht mitbekommen.

Ich schlug meine Beine über die Bettkante. Meine Augen trafen dabei auf das Nachtkästen, wo Madame Sterr ihre Plätzchen zu sehen waren. Ebenso stand ein Glas mit Milch daneben.

Verwirrt darüber, aber deswegen nicht weniger entzückt, griff ich nach einem Plätzchen und ließ es mir auf der Zunge zergehen. Sie schmeckten etwas süßlicher als die, bei denen ich geholfen hatte, doch sie waren deswegen nicht weniger gut. Das Süßliche machte sie erst recht zu etwas Besonderem, und ich griff sofort nach einem zweiten. Ob sie Robin hergestellt hatte?

Erst als ich auch einen Schluck von der Milch genommen hatte, stand ich auf und ließ mir von meinem Wachen Clementia rufen. Sie sollte nicht glauben, dass ich mich immer ohne sie ankleidete. Immerhin wollte sie gebraucht werden und da ich heute gute Laune hatte, wollte ich ihr den Gefallen tun. Schließlich wollte ich sie nicht verlieren, sie war mir eine gute Freundin geworden. Vielleicht sogar die Einzige, die ich jemals hatte und haben würde.

„Guten Morgen, meine Prinzessin.“ Meine Zofe betrat das Zimmer und hatte ein wunderschönes grünes Kleid in ihren Armen. Bei den vielen Schlaufen und Miedern, die ich erkennen konnte, wurde mir fast schlecht, doch ich ließ es mir nicht ankennen.

„Guten Morgen. Weswegen werde ich heute so festlich gekleidet?“, lautete meine erste Frage, kaum als sie mich erreichte.

„Der Prinz Friedrich von Eisenbach hat eingewilligt, der Familie von Schwarzenburg einen Besuch abzustatten. Das ganze Dorf feiert schon seit dem Morgengrauen, als der König den Brief erhalten hatte. Die Menschen denken wohl, dass das Landstück schon uns gehört. Doch ich denke, dass das erst der Anfang ist. Der Anfang von etwas Größerem. Ich wäre zwar nicht für Feiern, aber da das ganze Dorf in solch einer Stimmung ist, wollte ich Euch dementsprechend kleiden.“ Clementia lächelte mich an, als sie das Kleid vor meinen Augen ausbreitete. „Außerdem passt es hervorragend zu der Tunika Eures Gemahls.“ Ihr Lächeln wurde noch größer.

Danach machte sie sich bei meinem Nachtkleid zu schaffen und entledigte mich diesem mit wenigen, geübten Handgriffen.

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Pirmin Malel konnte seinen Augen nicht trauen. Das was er in absehbarer Ferne vor sich sah, war eindeutig ein Seelenstehler – ein magisches Wesen, welches schon seit hunderten von Jahren nicht mehr gesichtet worden war. Die Magier hatten gedacht, dass sie sie für immer ausgeschalten hatten, dass sie nie wiederkommen würden. Doch da war eines. Oder waren es zwei? Er wusste nicht mehr was er glauben konnte.

Schwer atmend lehnte er sich an den nächsten Baumstamm, ließ diese magischen Kreaturen jedoch keine Sekunde aus den Augen.

Pirmin Malel war ein Magier des alten Schlags. Die neuen Magier waren immer mehr auf Aufmerksamkeit aus und begeisterten Menschenmengen mit ihren Zauberkünsten. Doch Pirmin war nicht so. Er erinnerte sich an eine Zeit zurück, wo ihre Zauber noch von größerem Wert waren und man wegen Politik und Religion, für das was man stand, gekämpft und gezaubert hatte. Doch davon wollten die neuen Magier nichts wissen. Nicht, wenn die großen Könige sie ihre Magie praktizieren ließen und sie leben konnten, so wie sie es wollten.

Er hatte schon viele Jahre hinter sich. Als Magier weilte man länger auf dieser Welt als ein normaler Mensch. Doch einen Seelenstehler hatte er noch nie mit eigenen Augen gesehen. Wenn ein Seelenstehler auftauchte, dann konnte das nur eines bedeuten – eine dunkle Hexe war aus ihrem langjährigen Schlummerschlaf auferstanden. Dabei hatten die Magier gedacht, jede einzelne von ihnen vernichtet zu haben. Helle Hexen, sogenannte Heilhexen, gab es zur Genüge. Doch eine dunkle Hexe hatte so viel mehr Macht, so viel dunkle Magie in sich, dass sie ein ganzes Königreich an sich reißen konnte, Flüche aussprechen und bewahrheiten konnte.

Wolfsfluch | ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt