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Schon seitdem ich aufgewacht war, und das war heute sehr früh gewesen - noch nicht einmal die Sonnenstrahlen hatte die Erde berührt - suchte ich nach meinem Gemahl. Ich hatte ihn bei den Pferden vermutet, also hatte ich diesen einen Besuch abgestattet. Aber außer einem Stallburschen, welcher mich zu dieser Uhrzeit ziemlich verdutzt angestarrt hatte, hatte ich nicht viele Menschen gesehen. Außerdem standen Feuerherz und Goldie in ihren Boxen, welche mir ebenso verschlafen entgegengeblickt hatten, wie wohl der Rest der Pferde. Als nächstes hatte ich mein Frühstück zu mir genommen, doch nicht einmal die Königin Ottilie von Schwarzenburg konnte mir verraten, wo sich ihr Sohn aufhielt.

Nun stand ich in der Bibliothek und sah unzählige aufgeschlagene Bücher. Ich wollte meinem Bauchgefühl bestätigen, dass mein Gemahl wohl die halbe Nacht hier verbracht hatte und ging auf diese Bücher zu.

„Lasst die Hexen brennen! Lasst sie brennen!", rief die Menge. Ich verstand jedes einzelne Wort und ich konnte die Wut der Menschen zu gut spüren. Doch hatten sie es wirklich verdient, zu brennen? Bei lebendigem Leib? Doch wer war ich schon, um zu beurteilen, was richtig und was falsch war. Die dunklen Hexen waren es gewesen, welche die Seuche in unser Dorf gebracht hatten. Nicht die Magier, nicht die Heilhexen und auch nicht der König selbst. Er hatte den Auftrag gegeben, das war wahr, aber er hatte die Seuche nicht in so einem Ausmaß zu uns gebracht. Wohl hätte der König auch nicht gedacht, dass er selbst daran sterben würde. So hatten sich die beiden Hexen von ihm befreien können, doch nun war das Volk gegen sie. Sie hatten zu viele Opfer gebracht.

„Das ist erst der Anfang vom Ende der dunklen Hexen!" Ein Magier stieg auf das Podest und schaute in die Menschenmenge. Als er zu sprechen begann, wurde es schlagartig leise und das Volk lauschte seinen Worten. Die Magier waren nun so etwas wie Helden geworden. Denn sie waren die einzigen, die sich wirklich gegen die dunklen Hexen stellten. Zwar halfen auch die Heilhexen bei der Auslöschung der dunklen Hexen, doch sie gehörten immer noch zur Familie. Denn Hexen blieben nun einmal Hexen - ob hell oder dunkel.

Die Magier hatten die beiden dunklen Hexen an einen Holzpfahl gebunden und ihnen schon zuvor die Hände vom Körper getrennt. Ohne Hände war eine Hexe nichts. Sie konnten ohne ihnen keine Magie praktizieren, ganz anders als ein Magier, welchem man wohl zuerst den Kopf abtrennen musste.

Ich konnte den Blick nicht von den beiden Hexen abwenden. Sie waren nicht traurig oder wütend. Sie ignorierten sogar die Tatsache, dass sie bald sterben würden. Das machte mir am allermeisten zu schaffen. Ich wusste einfach nicht, ob sie ein Herz hatten, eine Seele, irgendetwas. Ich wusste nur, dass sie die Seuche unter das Volk gemischt hatten, damit sie endlich frei sein konnten.

Heute noch rieche ich den Gestank von verbranntem Hexenfleisch und höre nachts ihr Geschrei, als das Feuer ihren Körper einfing. Ich hatte mir die Hinrichtung nicht bis zum Ende ansehen können, denn ich hasste den Tod. Ob nun durch eine Seuche, oder eine Hinrichtung.

Ich schlug das Buch mit beiden Händen zu und sah, dass der Verfasser unbekannt war. Wer auch immer dieses Werk geschrieben hatte, wollte nicht, dass es herausgefunden wurde. Zu Zeiten, wo die dunklen Hexen gejagt und getötet wurden, wollte wohl niemand lesen, dass es auch jemanden gab, der in den dunklen Hexen auch einen Funken Licht erkennen konnte.

Ich schluckte, als ich zum nächsten aufgeschlagenen Buch ging. Eigentlich wollte ich nichts mehr davon lesen, aber ich war mir ziemlich sicher, dass Robin es auch getan hatte. Und wenn er sich nun über die dunklen Hexen und Seelenstehler schlau machen konnte, dann wollte ich zumindest wissen, was er herausgefunden hatte.

Dämonen sind sie, nichts anderes. Ich kann sie nicht Seelenstehler nennen, denn so lieblich wie es klingt, muss ich mich gleich übergeben. Sie gehorchen ihren Meistern, ihren dunklen Hexen. Nur sie können ihnen Befehle erteilen. Auf niemand anderen hören sie, denn wenn ihr Meister stirbt, sterben auch sie. Wir haben oft versucht, sie anzugreifen, doch immer haben wir verloren. Egal wie oft wir sie verletzt haben, wie oft wir ihnen die Schwertspitze in ihr totes Herz gerammt haben, sie haben immer weiter gemordet. Sie können nicht sterben. Zu diesem Entschluss sind wir bald gekommen und so wurden diese Dämonen zur Furcht. Jeder Mensch fürchtet sie und hofft ihnen nie begegnen zu müssen.

Wolfsfluch | ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt