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Heute, drei Wochen später, war es so weit. Ich, Olivia Bell, nein. Ich, Olivia Schwarzenburg … wütend kniff ich die Augen zusammen und versuchte die Tränen zu unterdrücken. Ich, Olivia Schwarzenburg, würde heute vermählt werden. In mir herrschte ein einziges Gefühlschaos.

„Ihr habt wunderschönes braunes Haar.“ Clementia, meine zukünftige Zofe, frisierte mir mein langes Haar und würde mich ankleiden. Weswegen ich eine Zofe brauchte, wusste ich nicht. Zuhause hatte ich nie eine Zofe und erledigte alles allein. Heute hätte ich das auch geschafft, doch die Familie von Schwarzenburg hatte darauf bestanden, mir meine zukünftige Zofe bereitzustellen.

Ich wusste nicht, wie mein Gemahl aussah. Noch nie hatte ich ihn gesehen, genauso wenig wie ich seine Mutter oder überhaupt irgendjemanden gesehen hatte. Er konnte potthässlich sein. Vermutlich war er genauso hässlich und dunkel wie seine schwarze Seele.

Ich schluckte den Kloß in meiner Kehle hinunter und versuchte an etwas anderes zu denken. Doch immer, wenn ich an etwas anderes zu denken probierte, endete es damit, dass sich mein Leben von nun an komplett ändern würde. Außerdem ließ es sich nicht verbergen, dass ich Angst hatte. Große Angst. Robin von Schwarzenburg war nicht für seine Güte bekanntgeworden und ich hatte noch nie etwas Gutes über ihn zu Ohren bekommen. Was, wenn er mich nicht gut behandeln würde? Wie lange würde ich überleben? Konnte ich fliehen? Doch wenn ich es wagte, was hätte das dann für meine Familie zu bedeuten?

Eine einsame Träne verabschiedete sich von meinem Auge und lief meine rechte Wange hinab. Clementia sah sie und wischte sie behutsam weg.

„Es wird nicht so schlimm, wie Ihr es Euch ausmalt. Sie sind auch nur Menschen.“

„Ich habe noch nie Gutes über sie gehört.“

„Ich muss gestehen, auch noch nie Gutes über Euch gehört zu haben. Das heißt aber nicht zwanghaft, dass Ihr Böse seid.“

Ich blickte meiner Zofe ins Gesicht. Sie konnte kaum älter sein als ich es war. Vielleicht war sie auch jünger, doch ich wollte sie nicht danach fragen.

Ohne etwas darauf zu erwidern, betrachtete ich mich im Spiegel vor mir. Ich sah nicht glücklich aus, doch war kurz vor meiner Vermählung. Hatte sich meine Mutter genauso schrecklich gefühlt, wie ich es nun tat?

Sonnenstrahlen drangen durch das Fenster und versuchten die Stimmung zu erheitern. Das hier war mein Zimmer. Mein zukünftiges Zimmer. Ich saß auf einem weichen, gepolsterten Sessel, vor mir der Spiegel, neben mir mein Bett, neben dem Bett ein Sofa. Ich seufzte und ließ Clementia bei meinen Haaren weitermachen. Schließlich sollte ich hübsch aussehen und meinem Bräutigam gefallen. Tatsächlich hatte ich Bammel davor, was wäre, wenn ich ihm nicht gefallen würde. Würde er es mir deutlich zeigen, oder gar die Hochzeit abblasen?

Durch den Spiegel betrachtete ich Clementia. Sie hatte kurzes schwarzes Haar und wunderschöne grünliche Augen. Als sie merkte, dass ich sie beobachtete, lächelte sie mich an.

„Habt Ihr keine Familie mehr?“, wagte ich zu fragen.

Ohne, dass ihr Lächeln schwand, bejahrte sie meine Frage. „Auch wenn ich es gerne wollte, ich dürfte meine Haare nicht mehr lang tragen. Es sei denn, es fände sich irgendwann ein Mann für mich. Doch ich stehe nun zu Euren Diensten und das ist das Beste, was mir seit Langem passiert ist.“

Mein Mundwinkel zuckte kurz nach oben, bis ich mich daran erinnerte, weswegen ich hier saß. In Schwarzenburg schien es diese Sitte, dass wenn man keine Familie mehr hatte, kurze Haare tragen musste, genauso zu geben, wie in Bell. Es grenzte beinahe an ein Wunder, dass Clementia für mich arbeiten durfte, denn wenn man kurzes Haar hatte, bekam man nur sehr schwer eine Arbeit. Besonders in der Burg.

Wolfsfluch | ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt