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„Olivia.“ Ich wurde sacht an der Schulter gerüttelt und blinzelte. Es war noch hell, doch langsam drang die Dunkelheit der Nacht ins Lager. Ich schaute zu Robin, welcher über mich gebeugt auf mich hinabblickte.

„Setzt Euch auf“, befahl er mir sanft, und ich tat wie mir befohlen. „Der Heiler erzählte mir, dass Ihr kein einziges Mal geweint habt, und dass Ihr Euch nicht von ihm behandeln lassen wolltet und dies nur widerwillig mit Euch geschehen ließet.“

Ich zuckte mit den Achseln und betrachtete meinen Gemahl. Er sah so aus, als hätte er schon seit Tagen kein Auge mehr zugetan. Vermutlich hatte er in letzter Zeit auch nicht besonders viel geschlafen. Vielleicht sogar genauso wenig wie ich.

„Redet mit mir.“ Er ergriff meine Hand und strich zögerlich darüber.

„Was wollt Ihr denn wissen?“ Meine Stimme war kaum ein Flüstern.

„Wie es Euch geht.“

Ich schnaubte kurz aus und sah ihm in die Augen. „Darüber kann ich nicht reden.“

„Wieso nicht?“

„Weil ich dann …“, weiter kam ich nicht, denn meine Stimme erstickte. Weil ich dann anfangen muss zu heulen. Ich schluckte den dicken Kloß hinunter und bemerkte, dass meine Hände in Robins Hand zitterten. Er fuhr mit dem Daumen weiterhin meinen Handrücken auf und ab und wartete geduldig, bis ich weiterredete. Einige Minuten war es still, und keiner sagte ein Wort. Lediglich die Geräusche von draußen drangen zu uns herein.

„Liebste …“, begann er. Warum es genau dieses Wort war, welches meinen Damm zum Brechen brachte, wusste ich nicht. Vielleicht weil so etwas wie Liebe darin mitschwang? Doch plötzlich saß ich wie ein Häuflein Elend neben ihm und entzog ihm meine Hände, um sie vor mein Gesicht zu schlagen. Die Tränen kamen einfach so und wollten nicht mehr aufhören.

Robin zog mich näher an sich heran und legte seine starken Arme um meinen Körper. Nun weinte ich gegen seinen Oberkörper. Mein gesamter Leib zitterte und erbebte unter meinen Schluchzern. Ich konnte die letzten Wochen aus mir herauslassen, und es tat irgendwie gut.

Ich hatte wenig geschlafen, noch weniger getrunken und kaum zu essen bekommen. Ich wurde geschlagen und gedemütigt. Ich hatte ein Kind verloren und Seelenstehler gesehen. Hatte mitbekommen, dass sie mich beschützten und mich verstanden, ja sogar meine Befehle ausführten. Ich war nervlich am Ende.

„Robin?“, brachte ich irgendwann zwischen meinen Schluchzern hervor. Er musste es wissen.

„Hm?“ Er streichelte meinen Rücken.

„Ich habe unser Kind verloren.“ Meine Stimme war ein Flüstern, so leise, dass es nicht einmal ich selbst gut verstand.

Robin hörte auf, meinen Rücken zu streicheln. Er schob mich etwas von sich weg, um mir in die Augen zu blicken. Ich schloss sie, um ihn nicht ansehen zu müssen.

„Olivia, öffnet die Augen.“ Meine Lippen schlotterten, doch ich ließ sie geschlossen. „Öffnet die Augen“, befahl er mir erneut.

Ich holte tief Luft und schaute Robin mit einem Tränenschleier vor den Augen an.

„Wie fühlt Ihr Euch?“ Er legte eine seiner warmen Hände an meine Wange und betrachtete mich besorgt.

„Schrecklich.“ Zu mehr Worten war ich nicht imstande.

„Wie ist das passiert?“

„Muss ich darüber reden?“

„Ihr müsst nicht. Ihr könnt.“

Ich senkte meinen Blick und fand keine Worte dafür. Nicht die richtigen, zumindest. Deswegen sagte ich: „Ich habe mich seit Tagen nicht gewaschen. Vermutlich klebt das Blut noch an meinen Schenkeln und ich habe furchtbare Angst nachzusehen.“

Wolfsfluch | ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt