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Nachdem ich mich gewaschen hatte, lagen Robin und ich nebeneinander im Bett. Das warme Wasser hatte ich aber nicht so sehr genießen können, wie ich es vor wenigen Stunden noch vorgehabt hatte. Doch da war ich dem König von Bell noch nicht begegnet.

Erlinda und Serafina lagen in dem Zimmer, wo ich anfangs geschlafen hatte. Sie waren also nicht weit von mir entfernt.

"Wie war es mit dieser Hexe?", wollte Robin nach einigen schweigsamen Minuten von mir wissen.

"Corinna hat mir einiges gelernt. Wusstest du, dass jede dunkle Hexe eine Stärke hat? Meine ist das Feuer", begann ich ihm zu erzählen.

"Das klingt interessant, und wusste ich nicht. Kommst du mit deiner Magie gut klar?"

Ich drehte meinen Kopf in seine Richtung, und sah, dass Robin mich wohl schon seit einer Weile angeschaut hatte.

"Ja. Besser als gedacht." Ich lachte kurz leise auf. "Ich bin wirklich sehr froh, dass mir Corinna geholfen hat. Morgen muss ich mir die Sprüche, die sie mir gelehrt hat, sofort aufschreiben. Weißt du, wo ich ein leeres Buch herbekomme?"

"Ich lasse dir morgen eines bringen."

"Danke." Ich drehte mich nun komplett zu meinem Gemahl und betrachtete ihn.

Er sah müde aus. Doch Robin machte nicht den Eindruck, als würde er bald einschlafen wollen. "Erzähl mir von deinen letzten Tagen", bat ich ihn.

Seufzend wandte er den Blick von mir ab und starrte für kurze Zeit an die Decke. Fast schon dachte ich, dass er nichts mehr sagte, als er sich doch wieder zu mir drehte.

"Ich habe mir ununterbrochen Sorgen um dich gemacht. Außerdem hat mich meine Mutter tagsüber kaum alleine gelassen. Was wohl auch mehr daran liegt, dass sie mich braucht. Ihre Gesellschaft ist momentan sehr erdrückend. Sie weint die meiste Zeit. Noch dazu steht bald die Krönung an. Und dann ist da noch der Priester, der unten im Kerker auf seinen Todestag wartet. Es ist einfach sehr viel auf einmal passiert."

"Es tut mir leid, dass ich dir solche Sorgen bereitet habe. Und deine Mutter kann ich auch verstehen. Sie hat deinen Vater wohl wirklich sehr geliebt. Wie geht es dir damit? Du hast deinen Vater verloren."

Robin lächelte traurig. "Das ist wahr. Aber ich habe mich irgendwie schon darauf vorbereitet. Natürlich kann man nie so richtig auf den Moment vorbereitet sein, wenn er dann wirklich da ist. Aber in letzter Zeit sah er immer schlechter aus. Er muss es auch gewusst haben. Als ich ihn das letzte Mal gesehen habe, hat er nämlich auch gesagt, dass er stolz auf mich ist, und ich ein guter Herrscher sein würde." Um seine Augen legte sich ein Schleier, als dachte er wehmütig an das letzte Treffen zurück.

"Das wirst du. Da stimme ich ihm zu." Ich berührte zärtlich seine Wange mit meinen Fingern, und rückte danach etwas näher an ihn heran.

"Dennoch bin ich nervös. Ich werde bald König sein", hauchte er. "Mein ganzes Leben lang wurde ich darauf vorbereitet, doch ..." Er sprach nicht weiter. Denn ich verstand ihn auch so.

"Du wirst großartig sein. Ganz bestimmt", flüsterte ich ebenso leise und setzte ihm einen Kuss an den Hals. "Aber glaube mir, ich bin auch sehr nervös. Schließlich werde ich an deiner Seite stehen. Noch dazu als dunkle Hexe."

"Wie mein Vater schon sagte: Es macht uns nur noch stärker. Du darfst keine Angst davor haben, zu zeigen, wer du bist."

"Corinna war auch der Meinung, dass ich dem Volk meine Seelenstehler zeigen sollte. Damit sie sehen, dass von ihnen keine Gefahr ausgeht."

Robin nickte langsam. "Das ist keine schlechte Idee."

"Können sie in der Burg bleiben?", fragte ich hoffnungsvoll.

"Ja", lautete seine Antwort, ohne zu zögern.

"Danke."

Meine Lippen fanden seine, während ich mich eng an seinen Körper schmiegte. Meine Hand lag noch immer an seiner warmen Wange. Er hatte sich schon seit längerem den Bart nicht mehr gekürzt, weswegen dieser auf meiner Haut kratzte. Generell dürfte er die letzten Tage nicht sonderlich auf sich geachtet haben. Mir kam es sogar so vor, als hätte er an Gewicht verloren.

Robin löste seine Lippen von meinen, um mir hauchzarte Küsse an den Hals zu setzen. Ich genoss diese Liebkosung, selbst wenn sie nur von kurzer Dauer war.

"Dein Vater hat dich bloßgestellt, indem er dir die Haare abgeschnitten hat", wisperte Robin in die Nähe meines Ohres. "Auch du hast deinen Vater verloren. Wie geht es dir damit?"

"Hm", seufzte ich auf. "Es schmerzt mich sehr, wenn ich an unsere gemeinsame Zeit in Bell zurückdenke. Er war zwar oft schroff und eigen, doch ich teile auch schöne Erinnerungen mit ihm. Deswegen tut es vielleicht auch so weh, dass er mich so oft hintergangen hat."

Robin schlang seine starken Arme um mich, sodass ich nun auf ihm lag. Ich konnte seinen gleichmäßigen Atem an meiner Haut fühlen.

"Es ist unverzeihlich, wie er dich behandelt hat. Demnach finde ich es gut, dass deine Seelenstehler dem ein Ende gesetzt haben, und du den Befehl dazu gegeben hast. Auch wenn dir diese Entscheidung vielleicht nicht leichtgefallen ist."

"Ich war so wütend und verletzt in dem Augenblick. Aber ich weiß nicht, ob ich ihn noch einmal töten würde, wenn ich ein weiteres Mal in derselben Situation wäre", gab ich geknickt zu. "Was, wenn ich zu schnell gehandelt habe? Immerhin war er ein Mensch. Wer bin ich schon, um urteilen zu dürfen, wer leben soll, und wer nicht?"

"Du hast das Richtige getan. Zweifle nicht daran."

Ich war Robin dankbar für seine Worte, dennoch nagte das schlechte Gewissen an mir.

Niemand anderer war es gewesen, der den Befehl gegeben hatte, den König von Bell zu töten. Ich hatte es Erlinda mittels meiner Gedanken mitgeteilt. Das konnte ich nicht beschönigen.

Außerdem ließ mich die Erinnerung seines Todes nicht los. Wie in Zeitlupe lief diese immer wieder vor meinem inneren Auge ab.

"Ich finde dich übrigens auch mit kurzen Haaren wunderschön. Diese Sitte ist doch lächerlich. Warum sollten verheiratete Frauen keine kurzen Haare tragen dürfen, und alle anderen keine langen?"

"Da stimme ich dir zu." Dennoch war ich von Robins Gedankengängen überrascht. Noch dazu, da er diese so bereitwillig mit mir teilte. Diese Sitte gab es schon seit Ewigkeiten. Wieso also jetzt infrage stellen? "Aber ich muss mich noch an das Gefühl der kurzen Haare gewöhnen. Es ist echt seltsam."

"Das glaube ich dir. Aber du gewöhnst dich bestimmt schnell daran." Sanft strich er mir eine meiner kurzen Haarsträhnen hinters Ohr, nur um dann gleich wieder nach vor zu fallen. Darüber schmunzelnd ließ ich meinen Kopf auf Höhe seines Herzens nieder, und lauschte seinem regelmäßigen Herzschlag.

"Danke, Robin. Für alles", murmelte ich an seine Brust. Meine Augen fiel immer öfter zu, bis ich dort wenig später tief und fest einschlief. So gut und stark hatte ich schon sehr, sehr lange nicht mehr geschlafen.



 So gut und stark hatte ich schon sehr, sehr lange nicht mehr geschlafen

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Wolfsfluch | ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt