Ich erwachte in meinem weichen Bett. Robin lag nicht mehr neben mir, er hatte das Bett vermutlich schon vor Stunden verlassen. Das Bett war so angenehm und die Decken rochen frisch und gut, sodass ich eigentlich nicht aufstehen wollte. Ich hätte sicher noch Stunden weitergeschlafen, wenn meine Blase nicht nach Erleichterung gebeten hätte.
Gerade als ich aufstehen wollte, sah ich zu meinem Nachtkästchen hinüber und erblickte die leckeren Kekse und einen Becher Milch. Da mein Magen tatsächlich zu Knurren anfing, als ich die Köstlichkeiten erblickte, schlang ich sie beinahe in einem Stück hinunter. Wann hatte ich das letzte Mal so etwas derart Köstliches gegessen?
„Wer mir wohl immer die Kekse und die Milch bringt?“, murmelte ich. Die Frage war an mich selbst gerichtet. Ich wagte zu wetten, dass, wenn Robin das Zimmer verließ, die guten Speisen noch nicht auf meinem Kästchen standen. Also mussten sie danach hingebracht werden. Ich würde mir vornehmen, beim nächsten Mal wach zu sein, wenn der oder die Unbekannte unser Zimmer betrat.
___________
„Guten Morgen, meine Prinzessin!“ Clementia war in meinem Gemach gestanden, keine Sekunde nachdem ich meinem Wachen Bescheid gegeben hatte, dass ich meine Zofe sehen wollte. „Ihr habt heute besonders lange geschlafen. Aber es hat Euch bestimmt gutgetan. Auch eine Prinzessin braucht manchmal ihre Ruhe.“
Clementia hatte heute ein schlichtes oranges Kleid mitgebracht. Sie erklärte mir, dass es hervorragend zur herbstlichen Jahreszeit passte, und sie teilte mir auch mit, dass sie Angst gehabt hatte, ich würde es niemals tragen können. Sie erzählte mir ohne Punkt und Komma, wie sehr sie mich vermisst hatte, und wie groß die Besorgnis der Bevölkerung war.
„Das Volk hat sich ernsthaft Sorgen um Euch gemacht.“ Clementia kämmte meine Haare, und hielt kurz inne. „Aber falls Ihr heute wirklich vorhabt, zu der Heilhexe zu gehen, müsst Ihr vorsichtig sein.“
„Warum?“, wollte ich von ihr wissen. Ich hatte meiner Zofe am Vortag erzählt, dass ich unbedingt mit der Hexe sprechen musste, welche mich am Tag des Lagerfeuers angesprochen hatte. Vielleicht konnte sie mir einige Fragen beantworten.
„Nun … Die Menschen sind sehr froh, dass Ihr wieder nach Hause gekehrt seid, doch sie haben auch Angst vor Euch. Sie wissen jetzt, dass Ihr eine dunkle Hexe seid und Seelenstehler an Eurer Seite habt, die sie noch nie zu Gesicht bekommen haben. Es ist verständlich, dass sie sich fürchten.“
Ich blickte über meine Schulter und schaute Clementia an. „Habt Ihr auch Angst?“
Meine Zofe wartete, ehe sie langsam nickte. „Nicht vor Euch“, beeilte sie sich zu sagen. „Aber vor den Dämonen.“
„Clementia, das sind keine Dämonen. Sie heißen Erlinda und Serafina und sind sehr liebenswürdig. Sie würden Euch niemals etwas tun. Dem Volk auch nicht. Keiner braucht sich zu fürchten.“
„Sie haben Namen?“ Meine Zofe schluckte. Dann räusperte sie sich verlegen und kämmte mein Haar weiter. „Vielleicht müssten die Menschen die beiden einmal sehen, um zu wissen, dass sie ihnen und ihren Tieren nichts tun.“
„Vielleicht.“ Ich stand auf und bedankte mich bei Clementia. Sie hatte mein Auge überschminkt und mir abermals einen Zopf geflochten. Als sie aus meinem Zimmer verschwunden war, seufzte ich erleichtert auf.
Wie lange es wohl dauern mochte, bis die Menschen die Seelenstehler akzeptierten? Bis sie mich akzeptierten?
__________
Clementia und fünf unserer Wachen begleiteten mich auf dem Weg zur Heilhexe. Die Sonne strahlte mit all ihrer Kraft auf die Erde, und ließ die bunten Farben des Herbstes gut zur Geltung bringen. Das goldene Licht der Sonne strahlte durch die Äste eines Baumes neben uns.
DU LIEST GERADE
Wolfsfluch | ✔️
FantasyUm eine Allianz mit dem Feind zu gründen, vermählt der König von Bell seine Tochter Olivia mit dem gefürchteten Prinzen Robin von Schwarzenburg. Einst lernte man ihr, dass diese Familie brutal und eiskalt ist, und die Menschen beim Klang von ihrem N...