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Drei Monde waren mittlerweile vergangen, seitdem Simon Reichenstein aufgebrochen war. Ich konnte mich noch genau an diesen Tag erinnern, denn ich hatte den Kriegern, wie damals meinem Gemahl, lange durch das Fenster hindurch hinterhergeschaut.

Ich hatte den ersten Heerführer sehr ins Herz geschlossen, weswegen ich zutiefst hoffte, dass er unversehrt zurückkehrte.

Weil ich ohnehin keine zwei Seelenstehler brauchte, die auf mich Acht gaben, hatte ich Erlinda mit in die Schlacht geschickt.

Erlinda war darüber erfreut gewesen. Denn sie konnte die Freude darüber, jenen Menschen, die mir solch einen Schaden zugefügt hatten, zu vernichten, nicht verbergen.

Seelenstehler waren eine eigene Spezies. Sie konnten sehr blutrünstig und brutal sein, wenn sie wollten. Ich war sehr froh, dass Serafina nicht ganz so auffallend bestialisch wie Erlinda war. Doch ich erinnerte mich an Corinna zurück, die mir damals mitgeteilt hatte, dass die ersten Seelenstehler immer etwas unbarmherziger als die anderen waren.

Ich dachte gerne an Corinna zurück, und hatte mittlerweile schon mein eigenes Notizbuch, wo jede Menge Zaubesprüche zu finden waren. Zwar hatte ich bin jetzt noch keinen Spruch selbst herausgefunden, doch ich hatte alle Zeit der Welt. Jeden Tag versuchte ich mich mit der Magie, und ich wurde jedes Mal besser. Auch hatte ich der Heilhexe vom Markt einmal einen Besuch abgestattet, und sie um Bücher gebeten, welche sie mir bereitwillig geborgt hatte.

Etwas, an das ich mich noch gewöhnen musste, waren die Magier. Anfangs war ich bezüglich ihrer Ankunft skeptisch gewesen, doch mittlerweile empfand ich ihre Anwesenheit als sehr angenehm. Außerdem verliehen sie uns noch mehr Macht, allein durch ihre Präsenz.

Ich unterhielt mich nicht oft mit ihnen, doch sie schienen nett zu sein. Sie hatten nichts gegen mich. Im Gegenteil. Sie wollten mich vor den anderen Magiern schützen. Dafür war ich ihnen sehr dankbar, auch wenn die anderen Magier ohnehin noch nicht hier waren. Ich bezweiflte außerdem, dass sie es taten.

Pirmin Malel, der Magier welcher hier anscheinend das Sagen hatte, war sogar oft bei dem Gesprächen des höheren Standes dabei. Mir kam es so vor, als wollte Robin ihn gerne dabei haben. Vor allem jetzt, wo sein erster Heerführer nicht da war.

"Habt Ihr schon einen Namen für ihn?"

Ottilie von Schwarzenburg stand plötzlich neben mir, sodass ich erschrak. Sie riss mich aus meinen Gedanken. Ich hatte überhaupt nicht mitbekommen, dass sie sich genähert hatte.

Ich wandte mich vom Fenster ab, und lächelte Robins Mutter an. "Wie kommt Ihr darauf, dass es ein Junge wird?"

"Es liegt am Wolf. Seit den Aufzeichnungen des Fluches ist noch nie ein Mädchen geboren."

Ich runzelte die Stirn. Das war natürlich ein Argument. Doch ich hatte auch eines.

"Wie Ihr wisst, bin ich eine Hexe. Und Hexen gebären nur Mädchen."

"Das ist ... wahr." Nun wirkte auch Ottilie von Schwarzenburg nachdenklich. "Das wird interessant. Dann müssen wir uns tatsächlich überraschen lassen."

Schmunzelnd betrachtete ich sie. Mittlerweile sah sie wieder um einiges besser aus. Zwischenzeitlich hatte sie der Tod ihres Gemahls sehr mitgenommen. Sie hatte auch wenig gegessen, und immer mehr an Gewicht verloren. Aber seit einigen Tagen hatte sie ihren Lebenswillen wiederentdeckt. Was auch immer der Auslöser gewesen war, ich war froh darum. Denn ich mochte Robins Mutter.

"Wisst Ihr schon, wer Euch heute Abend beim Ankleiden hilft?", wollte sie von mir wissen.

"Eine Bedienstete namens Leah. Sie sieht noch sehr jung aus, aber ich denke, das schafft sie."

Wolfsfluch | ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt