Verzeihen?

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Nun bin ich dran im Unterricht nicht aufzupassen. Gestern habe ich noch über Alex geschimpft und heute starre ich mein Handy unentwegt an, um Chris Chat nicht aus dem Auge zu verlieren. Soll ich ihm schreiben? Ihn anrufen? Was soll ich machen? Seit gestern habe ich nichts mehr von ihm gehört. Das ist unerträglich und akzeptieren kann ich das auch nicht. Ich muss etwas unternehmen. Nur was? Damit muss ich mich nun die ganze Zeit beschäftigen und der Unterricht stört dabei nur. Konzentrieren kann ich mich sowieso nicht. Man müsste krank geschrieben werden, weil Liebeskummer eine ernstzunehmende psychische Krankheit ist... So weit ich das beurteilen kann.

Vielleicht habe ich einen Vorteil im Gegensatz zu Alex, die vor mir sitzt. Somit haben die Lehrer einen besseren Blick auf sie, als auf mich. Im Grunde ist das auch egal. So krass viel mache ich damit ja auch nicht.

Wie kann ich Chris zeigen, dass ich ihn liebe und nie wieder solch dumme Fehler begehe? Soll ich nochmal bei ihm antanzen? Gestern fand er das schon nicht so lustig und hat mich direkt wieder nach Hause gefahren. Man, er ist so unglaublich höflich und charmant... Selbst sauer fährt er mich noch nach Hause, obwohl ich es verdient habe laufen zu müssen.

Ich habe sein Vertrauen verloren... so schnell schon. Natürlich fällt es ihm so schwer, sein ganzes Leben war hart... insoweit ich davon weiß. Durch meine bescheuerte Neugier erfahre ich nichts mehr von ihm und sein Leben. Das brauche ich auch gar nicht, wenn ich doch nur Chris wiederhaben könnte. In der Pause heule ich Alex voll, die mich dann vollheult, weil ich sie vollheule. In ihren Augen sieht die ganze Situation so einfach aus. Für sie ist das nur eine kurze Phase und selbst wenn... Ich möchte Chris jetzt bei mir haben und nicht erst dann, wenn er die Phase für beendet erklärt.

Außerdem sind das nur Spekulationen. Chris klangt schon sehr ernst in dem, was er gesagt hat. Ob er mir so schnell verzeihen kann? Ich wage es zu bezweifeln. Sollte ich mich irren, begrüße ich das nur mit der aller größten Freude.

Die letzte Unterrichtsstunde geht zu Ende und endlich können wir gehen. Auch wenn ich hiernach nichts verändern kann... Denn Chris und ich sind auch hiernach nicht zusammen. Immerhin kann ich mit meinen Plänen anfangen. Alex hilft mir da nur zu gerne. ,,Gehen wir zu mir oder zu dir?", fragt mich Alex, als wir das Schulgebäude verlassen.

,,Meine Eltern sind nicht da, wir können uns gerne bei mir hinsetzen", schlage ich vor.

,,Gute Idee, meine Eltern würden nur stören. Oh man, Operation Chris und Gina - Die Zusammenführung kann beginnen. Ich freu... Oh, unsere Pläne ändern sich." Erst verstehe ich gar nicht was Alex meint, doch dann blicke ich in die Richtung, in die Alex schaut. Dort wo Chris auf mich wartet. Ich hoffe einfach, dass er mich sehen möchte und niemand anderen. Er steht da unter einem Baum am Schulgelände. Im Grunde hört hier das Gelände auf.

Ich schaue Alex an, die mich zu ihm scheucht und selber stehen bleibt, um uns den Raum zu lassen. So viel Raum es eben geben kann, wenn man in der Öffentlichkeit aufeinandertrifft. Dass Chris auf mich wartet wird immer klarer, als ich seinen Blick auf mir spüre. Ein wenig Angst habe ich schon, denn die Überraschung ist groß. Was möchte er hier? Was konnte nicht warten? Macht er hier offiziell Schluss mit mir? Gut, dass Alex da ist. Da mich dieser Gedanke schon aus der Bahn wirft, bildet sich der unangenehme Kloß im Hals. Die Augen werden feucht und meine Hände schwitzen auch ein wenig. Toll, ich bin ein Freak. Nicht, dass Freaks an den Händen schwitzen und zu heulen beginnen, wenn ihnen eine unangenehme Situation bevorsteht... Doch ich bin ich Freak. Ganz klar.

Einen Schritt vor Chris bleibe ich stehen. Ich traue mich gar nicht ihn anzusehen, aber wegschauen kann ich auch nicht. Seine Hände sind in seinen Jeanstaschen. Anders als gestern trägt er keine Jogginghose. Gut sieht er aus. Wie immer eben, Chris kann gar nicht schlecht aussehen. Dafür hat er zu gute Gene. Wenn ich verschlafen neben ihm aufwachen würde, könnte er direkt ein Fotoshooting anfangen... Ich müsste das Bad aufsuchen. ,,Hey", begrüße ich ihn, da mir die Stille gar nicht gefällt. Im Prinzip vernichte ich mich damit nur schneller, denn damit kann er eher mit mir Schluss machen. Doch ich ertrage nicht länger diese Ungewissheit.

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