Nachtwanderung.

259 16 2
                                        

Als ich mich beruhigt habe, ging es dran unsere Koffer auszupacken. Irgendwie macht es eh keinen Sinn, aber trotzdem ist es angenehmer seine Klamotten aus einem Schrank rauszunehmen, als dauernd im unaufgeräumten Koffer rumzuwühlen. Eigentlich habe ich auch keinen Bock darauf, aber das lenkt gut ab. Das war ein herber Rückschlag und ich denke, dass ich heute keinen Versuch mehr starten möchte. Chris ist so hart überzeugt von seiner scheiß Sicht. Egal wie ich vor ihm stehe - heulend, strahlend, albern, total verzweifelt oder einfach nur hoffnungslos verliebt... Er geht nicht auf mich ein.

Mir kommen erste Zweifel. Wenn jemand so sehr daran setzt, nicht mit mir zusammen zu sein, vielleicht sollte ich es dann aufgeben. Er hat offensichtlich nicht das Interesse jemals mit mir zusammen zu kommen. Lieber würde er sich irgendwo vorschmeißen. Das ist doch nicht der Sinn hinter Liebe oder?

Ich beschäftige mich seit zehn Minuten mit ein und demselben Oberteil, indem ich es einfach in meinen Händen halte und blind vor Trauer einen Punkt anstarre. Das bemerkt Alex und wirft mich mit einem Paar Socken ab. 

Ich erwache von meinen Gedanken, aber schaue einfach ruhig in ihre Richtung. ,,Ja?", frage ich, denn sie will anscheinend etwas. Ansonsten hätte sie mich ja nicht abgeworfen.

,,Man, hör auf dir Gedanken zu machen", gafft sie mich an. Ich schaue mir wieder mein Oberteil an und nicke. 

,,Hmm", brumme ich. Das reicht ihr aber nicht, daher kommt sie zu mir und befördert mich neben meinem Koffer aufs Bett. Dann setzt sie sich neben mich und schlägt mir mit ihrer flachen Hand auf meinen Scheitel. ,,Aua", beschwere ich mich halbherzig, schaue sie dabei aber böse an.

,,Hör auf zu trauern. Chris überlegt es sich schon und dann kommt ihr zusammen. Das war nur ein Rückschlag. Wir haben noch die ganze Woche vor uns. Lass dich nicht hängen, Gina. So bist du doch sonst nicht", versucht Alex mich aufzumuntern und ich denke tatsächlich darüber nach. Dann lege ich meinen Kopf schief und zucke meine Schultern.

,,Er hat gesagt, ich soll mir jemand anderen suchen..."

,,Und, dass er dich jeden Tag noch mehr liebt! Du musst es eben bis auf die Spitze treiben. Menschen handeln instinktiv und auch ein Chris wird sich nicht davor drücken, seiner Herzdame mal einen Kuss zu klauen. Dann ist deine Chance. Du musst ihm zeigen, dass er keine bekommen wird, die so ist wie du! Du bist die beste und hübscheste Frau, die ein Mann nur haben kann. Oder zumindest Chris. Also, hör auf Trübsal zu blasen." Alex Motivationsrede ist so süß, dass es mich zum Lachen bringt. 

,,Man, du bist so eine Labertasche", lache ich und lege meinen Kopf auf ihre Schulter. 

,,Außerdem ist sein Zimmer direkt neben unserem. Da könnt ihr euch schön jeden Morgen begegnen. Geh also nicht direkt ohne Zähneputzen aus dem Zimmer. Mein Rat an dich", gibt sie mir noch Beihilfe. Sie ist echt goldig. 

An unsere Tür wird geklopft und direkt auch aufgemacht. ,,Kommt ihr? Nachtwanderung", informiert uns eine Mitschülerin. Diana. Da war Alex wohl gerade. 

,,Wir kommen", entgegnet Alex und da ist Diana schon weg. ,,Na dann Heulsuse, komm." Ich sehe Alex schief an. 

,,Danke." Da lacht sie nur und wir gehen runter. Nachtwanderung. Die Meisten stehen schon draußen, aber wir sind nicht die Letzten. Ich suche nicht direkt danach, aber mein Blick schweift halt durch die Runde. Chris ist da einfach nicht zu übersehen. Er steht bei einer Lehrerin und trotzdem ist sein durchdringender Blick auf mich gerichtet. Darüber würde ich mich eigentlich freuen, das zeigt mein Blick aber nicht aus. Trotz Alex Worte, kann ich heute einfach nicht mehr so tun, als wär nichts gewesen. Chris hat mich verletzt... Deshalb schaue ich weg und schiebe den Kloß in meinem Hals schön beiseite.

Ich will Dich!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt