Ich will Dich!

Gefahr besteht natürlich.

Nach der Schule, düse ich direkt zu Chris. Eigentlich hatte ich heute Acht Stunden, doch die Lehrer sind nicht gerade zuverlässig, was den Unterricht angeht. Dass Stunden ausfallen, passiert ständig. Also gehe ich schon vorher zu Chris. Meine Sporttasche habe ich stolz dabei. Wie sehr ich mich doch freue Chris wiederzusehen. Ja... Boxen ist auch oke. Es sah gestern spannend aus, aber auch anstrengend. So leicht werde ich mich nicht reinfinden, aber ich will ja kein Profi werden. Mir reicht es Chris glücklich zu machen und seiner Freude nach zu urteilen, ist er sichtlich glücklich, wenn ich Begeisterung an seiner Leidenschaft zeige.

Schnell bin ich bei Chris, gehe über die Brücke und an meinem Lieblingsort 2.0 vorbei. Die gute Laune verlässt mich ein wenig, wenn ich diese Proleten vor dem Haus stehen sehe. Die haben auch keine andere Beschäftigung oder? Müssen die nicht irgendwie arbeiten oder regeln die Drogengeschäfte ihr Leben? Da es mich nicht besonders reizt einfach alleine dran vorbeizugehen, wähle ich Chris Nummer. Lange muss ich nicht warten. ,,Hey, Gina", begrüßt er mich. Ich muss grinsen, wenn ich daran denke, dass er mich ja eingespeichert haben muss. Dann fällt mir auf, dass das gar kein Grund zur Freude ist... Er hat sicherlich viele Menschen mit Namen in seinem Handy eingespeichert. Trotzdem erfüllt mich das mit Freude. Ach, ich bin so komisch.

,,Hallo, mein Retter in der Not", fange ich an theatralisch zu werden und höre Chris am anderen Ende lachen.

,,Was ist los? Langweilt dich die Schule?", fragt er amüsiert und ich schüttle für mich selber meinen Kopf. Er sieht das natürlich nicht, weswegen ich ihm das auch sage.

,,Nein, ich habe frei, deshalb stehe ich quasi vor deiner Tür", erkläre ich den Anruf... Naja, zum Teil. Es ist halt nicht geklärt, warum ich anrufe, statt direkt zu klingeln. Chris wartet aber nicht lange auf eine weitere Erklärung. Ich höre direkt Schritte und die Tür im Hintergrund. Kurz darauf sehe ich ihn auch schon auf mich zulaufen. Er überquert die Straße und nimmt mich direkt in den Arm. Ich schlinge meine Arme um seinen Nacken und fühle mich direkt sicherer.

,,Du glaubst gar nicht, wie sehr ich dich vermisst habe", begrüßt mich Chris nun ganz offiziell in natura und hebt mich kurz hoch. Ich lache verzückt und suhle mich in diesem Glück.

,,Doch, ich glaube dir." Das bringt mir einen Kuss ein. Chris lässt lockerer, damit ich ihn endlich ansehen kann. Sein strahlendes Gesicht.

,,Es ist kaum zu glauben, dass du wirklich mal auf mich gehört und angerufen hast, bevor du angepöbelt werden könntest", meint Chris ziemlich anerkennend.

,,Ich bin durchaus lernfähig, aber freu dich nicht zu früh. Das heißt nicht, das ich nun immer auf dich höre", nehme ich ihm den Wind aus den Segeln. Er soll nicht zu überheblich werden. Gefahr besteht natürlich.

,,Du weißt genau, wie man einen Mann glücklich macht", scherzt er. Am liebsten möchte ich einfach stehen bleiben und die Gruppe vorbeiziehen lassen. Doch es macht keinen Sinn hier zu bleiben. Irgendwann müssen wir ja sowieso rein. Heute ist es frisch und ich glaube, ich sehe Chris zum ersten Mal in einem Hoodie. Dass er solche hat, das habe ich ja schonmal gesehen. Doch an ihm noch nie. Dieser Anblick gefällt mir.

Chris nimmt meine Hand und ich gehe einfach ganz nah an ihn dran, beachte die Gruppe nicht. Als wir nah genug sind und wirklich direkt an ihnen vorbeigehen, gönnt sich jemand einen Kommentar. ,,Kein Hallo? Wo sind die Manieren hin?" Das könnte natürlich der Glatzköpfige sein, doch ich möchte mich nicht festlegen. Es ist mir auch egal. Wir sind fix in der Wohnung und ich renne direkt in die Küche, um mir Wasser zu holen. Ja, hier fühle ich mich wie zu Hause. Vielleicht sogar noch besser. Hier werde ich nicht kontrolliert, es fühlt sich nicht an wie Kindheit. Erwachsen sein im Elternhaus? Geht nicht, dort bleibt man für immer ein Kind.