„Was ist los?", fragt mich Fabi plötzlich besorgt. Ich war so in Gedanken verloren, dass ich ihn gar nicht bemerkt hatte. „Nichts, schon gut", winke ich ab, doch Fabi lässt nicht locker. Typisch für ihn. „Das Übliche?" Ich nicke nur. Er kennt es mittlerweile. Wenn irgendwas ist, kann ich von meinen Freunden mit Fabi am besten reden. Egal was passiert, er ist mein Fels in der Brandung.
Manchmal frage ich mich warum Fabi überhaupt mit Mike und meinem Bruder befreundet ist. Er ist weder einer der reichen BWL-Kids noch legt er Wert auf irgendwelche teuren Dinge. Er macht sein Ding, arbeitet hart für sein Geld und kann dadurch gut leben. „Fabi, Mike war gerade erst hier?", erinnere ich ihn nochmal, als er seine Hand auf meine legt. Fabi und ich sind kompliziert.
Ich weiß, dass er mich mag, aber ich weiß nicht wie ich zu ihm stehe. Ich bin dankbar, dass wir befreundet sind und will ihn als Freund auf keinen Fall verlieren, aber selbst wenn ich mich von Mike für ihn trennen würde, würde das Drama in unserem Freundeskreis bedeuten und das würde ich Fabi nicht antun wollen.
Mein Bruder würde sofort zu Mike halten. Die beiden sind sich so ähnlich, dass ich mich manchmal selbst wundere, warum Mike und ich zusammen sind, denn mit dem Verhalten meines Bruders komme ich nicht immer klar. Früher war er ganz anders und ich frage mich, jedes Mal wenn ich ihn sehe, was passiert ist.
Fabi hingegen ist so lieb und bodenständig, hat zum Glück auch keine reiche Familie, die ihm zwar alles gibt, aber auch Anforderungen stellt, die nicht zu erfüllen sind. Ich soll meinen Eltern auch alles recht machen, weshalb ich verhältnismäßig früh ausgezogen bin. Sie sind immer noch anstrengend, aber ich sehe sie ja nicht mehr so oft.
Mein Bruder liebt es unseren Eltern alles recht zu machen, dann kann er bald ihre Firma übernehmen und fühlt sich geliebt. Drama pur ist vorprogrammiert. „Du hast Recht, tut mir leid", nickt Fabi traurig. „Ich mag dich, Fabi, das weißt du." „Aber du kannst dich wegen eurer Eltern nicht von ihm trennen", schlussfolgert er aber ich schüttele meinen Kopf langsam.
„Meine Eltern sind mir was das angeht egal. Leo würde sich sicher freuen", meine ich in Erinnerung an unser Gespräch heute Nachmittag, „Wir sind alle befreundet, das würde Chaos bedeuten." „Scheiß auf dieses Chaos. Chaos ist sowieso, wenn du Mike verlässt, dann kannst du auch gleich die richtige Entscheidung treffen."
„Ich will darüber nicht mehr diskutieren, okay?", meine ich dieses Mal bestimmt, weil mich Fabi noch weich kriegen würde. Ich weiß, dass er sich Sorgen macht und das weiß ich zu schätzen. Aber an meiner Situation möchte ich gerade nichts ändern. Ich bin nur frustriert, weil Mike sich mal kurz rücksichtslos verhalten hat. Das ist kein Dauerzustand.
„Da bist du ja." Mike sieht mich aufrichtig glücklich an, als ich zu ihm ins Wohnzimmer stoße und mich auf die Zehenspitzen stelle, um ihn zu küssen. „Ja, da bin ich", entgegne ich ihm lächelnd. „Hey, tut mir leid wegen eben. Ich war nervös", gesteht mir Mike und erklärt sich bevor ich ihn nach einem Grund fragen kann, „Ich wollte dir sagen, dass ich dich liebe und mir war wichtig, dass weder du noch ich viel getrunken haben. Ich konnte nicht mehr abwarten."
Überrascht von Mike's Geständnis, besonders auf einer Party inmitten von allen, schaffe ich es gerade einmal, ihn anzulächeln, bevor mein Bruder zu uns stürmt, seine Arme um unsere Schultern legt und mit Champagner durch die Luft wedelt. Von da an werde ich das Gefühl nicht los, dass die beiden sich abgesprochen haben. Nur wieso?
Maxi's Sicht:
Wieder einmal stelle ich fest, dass ich kein Fan von Hausparties bin, vor allem nicht mit den Freunden meiner kleinen Schwester. Laura sieht mich jedes Mal abwartend an als würde ich gleich eine andere mit nach Hause nehmen, damit sie mich dann wegen Lea zur Rede stellen kann. Dabei ist das nun wirklich nicht meine Absicht. Ich bin ein Arschloch, aber eins der anderen Sorte.
Gerade tanzt Lea mit ihr und ich habe für einen Moment meine Ruhe. Ich sehe mich in der Wohnung um, doch es gibt nicht wirklich viel zu sehen. Etwas gehobene Studentenwohnung mit genug Platz für eine kleine Runde, gesponsort von den Eltern. Die Mädels waren alle zusammen im Internat. Natürlich würden Laura's Eltern ihr eine Wohnung nach ihrem Geschmack spendieren. So viel eben der Geldbeutel hergibt.
Eigentlich ironisch, dass Laura jetzt Lea beschützen will wo sie sich doch während ihrer Internatszeit an mich rangeschmissen hat. Gott, diese Teenager-Dramen. Mike hat endlich mit Luisa gesprochen, also kann ich hier auch mal entspannt zusehen wie es sich entwickelt und muss nicht weiter Tipps geben. Wenn ich wollte, könnte ich sicher ein guter Freund sein. Ich will nur nicht, nicht jetzt.
Mein Blick fällt auf Hannah, die ausgelassen tanzt. Ich nehme einen Schluck von meinem Whiskey und beobachte sie weiter bis ich sie aus den Augen verliere, aber dennoch an sie denke. Hannah ist der Inbegriff eines Tornados. Laut, extrovertiert, frech und doch klug, selbständig und hilfsbereit. Gott, diese Frau macht mich noch wahnsinnig. Diese eine Nacht.. wir hatten keinen Sex, aber die Momente gehen mir trotzdem nicht aus meinem Kopf.
Es hätte mehr laufen können, aber ich wollte sie im alkoholisierten Zustand nicht ausnutzen, auch wenn sie darum gebettelt hat. Das war natürlich bevor Lea und ich zusammenkamen. Eigentlich bin ich froh, dass sie Lu's Freundin ist, wenn ich doch nicht nur so über sie denken würde. Zum Glück war das alles vor Lea und Hannah wusste auch nichts mehr darüber. Ich hab damals behauptet, ich hätte mich um sie gekümmert, dabei war es wohl eher anders herum.
„Hey, Arschloch. Glotz nicht andere Frauen an, wenn deine Freundin im Raum ist." Natürlich muss ausgerechnet Hannah meine Gedanken unterbrechen. Ich hasse und doch liebe ich es wenn sie so bissig ist. „Kein Grund eifersüchtig zu sein, Cruella. Es gibt für alle genug von mir", kontere ich charmant, sodass sie mich genervt ansieht. Ich nenne sie Cruella, weil sie Disney liebt und mich mit ihrer Präsenz quält und sie hasst es, kennt aber zum Glück die Hintergründe nicht.
„Wie kann ein Mensch nur so arrogant sein", raunt sie aggressiv, „Und wie kannst du nur mit Lu und Leo verwandt sein." Ja, das frage ich mich auch. „Ohne mich würden sie diese Familie noch in irgendwelche Gefühlsprediger verwandeln." Mein Schulterzucken untermauert meine Arroganz mal wieder. „Klar, so wie du redest wirst du auch noch Mike geraten haben, ihr heute seine Gefühle zu gestehen. Sehr viel Klasse habt ihr beide", zickt Hannah zurück und bringt mich damit zum Grinsen.
Ich mag es einfach, sie wütend zu machen. Sie steigt so gut darauf ein. „Wenn Lu irgendwann bei Fabi ist und Lea bei einem, der sie gut behandelt, wirst du schon noch sehen was ihr davon habt." „Du solltest mal aus deiner Blase aufwachen, Cruella", brumme ich nur desinteressiert und lasse sie in der Küche zurück. Ich diskutiere ja gern mit ihr, aber sie kann es auch übertreiben. Ich bin nicht perfekt, aber Lea ist es auch nicht und ich bin es leid, dass ich der Einzige bin, der sich Vorwürfe anhören darf.
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ANOTHER LOVE
RomanceEine flüchtige Bekanntschaft, die Spuren hinterlässt. Eine Familie, die sich selbst kaum erträgt. Ein Freund, der den Schein nach außen aufrechterhalten zu versucht. Geschwister, bei denen der Zwiespalt der Liebe nicht fern ist. / Luisa Diehn, Tocht...