nichts was ein Matcha nicht retten könnte

15 2 0
                                    


Seit Alex aus dem Auto ausgestiegen ist sind fünf Minuten vergangen und ich starre mein Lenkrad immer noch an. Mal ist es nur das schwarze Leder, mal sehe ich Blut und das Gesicht meines Bruders. Es geht wieder los. Ich werde panisch, wenn ich im Auto sitze. Das Gespräch mit Alex hat solange gedauert, wie wir zu ihm gebraucht hätten. Noch bevor ich hyperventilieren kann und eine Panikattacke erleide nehme ich meine Tasche und steige aus dem Auto. 

„Frau Diehn?" Andreas' Stimme ist gewohnt ruhig, als er abhebt. Ich weigere mich unseren Fahrer zu siezen, weil ich weiß, dass es ihm per Du lieber ist. Ich möchte keine gezwungene Distanz schaffen. „Kannst du mich abholen?" Meine Stimme ist nur ein Hauch von nichts und er legt sofort auf, aber ich weiß, dass er bald da ist. Er weiß immer wo mein Auto steht, wir haben extra einen Chip zum Orten rein gelegt, damit er mich im Zweifel finden kann.

„Danke, Andreas. Ich wüsste nicht was ich ohne dich getan hätte", gebe ich sofort zu, als ich auf der Rückbank Platz nehme. „Sie sehen nicht glücklich aus ganz unabhängig von der Angst", bemerkt er sofort mit einem Blick in den Rückspiegel. „Ich habe jemanden verletzt. Jemanden, den ich sehr gern mag." Andreas fragt nicht weiter, er wirft mir nur wieder einen seiner Blicke zu, der mich zum Weiterreden auffordert. Bei ihm sind meine Geheimnisse sicher, also kann ich darüber frei reden. 

„Ist dieser jemand der Grund, warum sie nun öfters selbst fahren können?", schlussfolgert er geschickt und ich nicke. „Ich denke durch ihn weniger an den Unfall. Ich fühle mich bei ihm sicher", erwidere ich mit einem leichten Lächeln, „Deshalb habe ich ihm auch nichts von meiner Familie erzählt. Er hat es von seinen Schülerinnen erfahren." „Ein Lehrer?" Andreas fragt nach, aber urteilt nicht. Das weiß ich an ihm zu schätzen. Ich nicke wieder. 

„Ich habe sie in den letzten Jahren nicht so erleichtert gesehen wie in den letzten Wochen. Wenn er es ihnen aber nicht verzeihen kann, dass sie das Kennenlernen so unumständlich wie möglich machen wollten, dann wird er ihr Leben genauso wenig verstehen. Frau Diehn, es gibt wenige Punkte in ihrem Leben, die sie nicht ändern können, aber sie sind nun einmal Teil dieser Familie. Selbst wenn sie nicht mehr mit ihren Eltern sprechen würden, die Welt sieht sie immer als deren Tochter." Ich runzle nachdenklich meine Stirn und blicke dann nach draußen. Hat Andreas Recht? Wenn Alex damit noch nicht klarkommt, kann es zwischen uns überhaupt funktionieren?


„Du siehst scheiße aus", begrüßt mich Hannah ganz unverblümt. „Spar dir die Komplimente", brumme ich ihr entgegen. „Was ist los? Ich dachte du fährst wieder selbst." „Alex weiß es. Seine Schülerinnen haben ihm einen Bericht gezeigt", seufze ich, „Wir haben im Auto darüber gesprochen und als er gegangen ist konnte ich nicht mehr fahren."

„Oh, scheiße. Und weiter? Redet ihr nochmal drüber?" „Keine Ahnung, denke schon. Er ist vorhin erst einmal gegangen. Ich hätte es ihm einfach sagen sollen. Wie konnte ich nur denken, dass das gut ausgeht?", ärgere ich mich über mich selbst, weil ich Alex wirklich verstehen kann. Klar denkt er sich nicht ‚Toll, meine Freundin erbt millionenschwere Firmen. Ich kann es kaum erwarten ihre Eltern kennenzulernen.'. „Lass uns einen Kaffee trinken gehen. Dann geht es dir zwar nicht besser aber du hast einen warmen Matcha", lächelt mir Hannah aufmunternd zu und ich nicke schmollend.

„Ja, ich will einen warmen Matcha." Gott, wenn meine Eltern uns hören könnten. Papa, willst du eine heiße Schokolade? Nein, Luisa, eine heiße Schokolade löst keine Probleme. Geh weg damit. Ich war nur sechs Jahre alt und dachte ich könnte ihnen damit helfen.

„Hi, einen Cappuchino und einen Matcha Latte bitte", bestellt Hannah für uns. „Zum hier trinken oder mitnehmen?" „Zum Mitnehmen und einen Cold Brew dazu", schaltet sich eine dritte Stimme ein - Mike. Heute muss wohl mein Glückstag sein. Wenn meine Eltern mir jetzt noch zu meinen misslungenen Beziehungen gratulieren wäre der Tag perfekt.

„Wir können unseren Kaffee selbst zahlen", weise ich ihn darauf ihn. „Dein neuer Freund weiß also endlich von deinen Eltern." „Wow, da sieht man seinen Bruder nur ein mal im Monat und trotzdem kann er nicht ohne über mich zu reden."

„Nein, das hat tatsächlich Fabi erzählt. Ich bin überrascht, dass es David noch nicht weiß. Es ist Wochen her und gestern hat er immer noch nichts geahnt." „Du warst bei meinem Vater?" Wenn meine Eltern es wagen, uns wieder zusammenzu-

„Geschäftlich, ja. Ich übernehme bald die Firma meiner Eltern." Na zum Glück nur das. „Und da redet ihr zufälligerweise über mich? Glück in der Firma, Pech in der Liebe?" Seit wann bin ich denn so bissig? Steht mir. „Bei dir läuft's wohl in beiden Bereichen nicht. Dein Vater hat sich lediglich darüber beschwert, dass du niemanden mitbringst, der in diese Familie passt. Du kennst seine Ansprüche."

„Danke für deine Weisheiten wieder. Das weiß ich sehr zu schätzen. Aber da du ja nicht nur uns mit deiner Weisheit begegnen kannst, bitte nutze doch deine Zeit noch für die anderen hilflosen Seelen, die noch gerettet werden können", meint Hannah augenverdrehend. „Wenn du Glück hast, genieße ich selbst noch meine Freiheiten bis du wieder zu mir zurück kommst. Warte nur nicht zu lange", rät mir Mike schulterzuckend, doch ich verdrehe nur meine Augen, „Wie sehen uns."

„Sag mal, wieso hast du ihm nicht einfach eine Ohrfeige gegeben? Das hält doch keiner aus wie er redet." Endlich ist er weg und schon können Hannah und ich ganz ehrlich miteinander reden. „Er wäre doch nie gegangen, wenn ich mich auf eine Diskussion eingelassen hätte. Soll er doch glauben, dass er mich wiedersieht."

„Luisa? Hannah? Na so was, euch habe ich auch lange nicht mehr gesehen", höre ich auf einmal Kathi neben uns. Alex' Cousine. Ich mag sie ja super gern, aber nach seinem Abgang heute ist sie wohl nicht gut auf mich zu sprechen, wenn sie davon erfahren hat. Wenn Fabi es schon weiß und Mike auch, dann wird sie es wohl auch wissen. „Ja, stimmt, ist schon eine Weile her." „Da ist sie ja wieder. Die Cousine der heiligen Brüder", scherzt Hannah und wir umarmen Kathi zur Begrüßung. „Fabi vermisst euch", erzählt sie sofort, sieht aber ausschließlich mich an, „Er würde es natürlich nicht zugeben." 

ANOTHER LOVEWo Geschichten leben. Entdecke jetzt