Luisa's Sicht:
Es ist über einen Monat her, seitdem Maxi wieder aufgewacht ist und es geht ihm fast so gut wie vorher. Psychisch geht es ihm sogar besser. Er ist wieder zuhause, spürt aber aktuell keinen Druck, weil sich Vater und Mutter seit einem Gespräch mit mir viel besser verhalten. Letztes Wochenende waren wir sogar alle zusammen feiern. Maxi, Alex, Fabi, Mike, Hannah, Kati und ich.
Hätte nie gedacht, dass wir diese Gruppe einmal bilden würden. Hier sind wir. Stolze Freunde. Ich bin jedem Einzelnen so dankbar für all die Hilfe im Krankenhaus. Vor allen den Ärzten natürlich. Maxi hat sich bei uns allen mehrfach entschuldigt aber ich habe ihm immer wieder gesagt, dass er das nicht braucht.
Das wichtigste ist, dass es ihm gut geht und dass er das nicht absichtlich getan hat. Viel besser wäre es zu wissen, wer ihn dazu getrieben hat, wer dieses Miststück ist, das ihm erst den Kopf verdreht und ihn dann so sehr verletzt. Eine Anmesie wurde bei ihm nicht festgestellt. Er muss also noch wissen, wer sie ist. Aber wenn er es mir nicht von sich aus sagen möchte, werde ich ihn nicht weiter fragen.
Durch den Vorfall hat sich so vieles verändert. Maxi ist gelassener, Mutter und Vater ebenfalls. Gut, Vater wurde nach dem Herzinfarkt auch Ruhe verschrieben. Ich habe scheinbar wieder Kontakt zu meinen Eltern. Wir haben nie über den Vorfall bei Alex gesprochen.
Ich habe schon bemerkt, dass sie einiges bereuen und langsam zur Vernunft kommen, aber gut ist es noch lange nicht. Das wird Zeit brauchen. Trotzdem traue ich mich, gelassen in meinem Elternhaus vorbeizukommen und falls Mutter einen ihrer klassischen Sprüche auspackt, traue ich mich sehr wohl zu kontern. Ich hätte gut ohne sie leben können.
Dieses Wissen gibt mir sehr viel mehr Selbstbewusstsein, um meinen Standpunkt in dieser Familie klar auszudrücken. Sie haben Alex mittlerweile auch aufgenommen. Das ist auch das Mindeste nachdem er selbst so viele Stunden im Krankenhaus auf Maxi's Genesung gewartet hat. Maxi und Alex.. die Freunde von denen ich es niemals erwartet hätte und doch passt es gut. Privat läuft es, in der Firma läuft es.
Allein in der Zeitung ist Maxi's und Vater's Krankenhausaufenthalt wochenlang thematisiert worden. Man müsste meinen, dass die Aktienkurse unserer Firmen dadurch gesunden wären doch stiegen sie stattdessen rapide an. Die Gesellschaft hielt Vater nach wie vor für einen tollen Unternehmer, auch wenn er im Krankenhausbett lag. Dieser Anstieg machte uns zur mittlerweile reichsten Familie Deutschlands. Verrückt.
„Wenn ich mir so die Aktienkurse ansehe wird mir ganz schwummrig", merke ich an, als wir uns im oberen Stock des Hauses kurz versammeln, „Zum Glück erlebst du das noch." Maxi, Alex und ich haben uns hier für Maxi's fertig gemacht. Er wollte zwar gar keine Feier, aber Mutter hat es geschafft, ihn zu überreden, groß zu feiern.
Um nicht sein Überleben zu feiern, das klänge viel zu erniedrigend, feiern wir eine allgemeine Party für die Lebenden. Das ist natürlich nicht das offizielle Motto. Ich weiß nicht mehr was sich das Marketing hat einfallen lassen. Ich weiß lediglich, dass wir erst keine Lust darauf hatten, jetzt aber doch ganz zufrieden sind.
„Bitte, das habt ihr doch nur mir zu verdanken", erwidert Maxi dezent arrogant. „Nur du schaffst es fast zu sterben, eine zweite Geburtstagsfeier zu bekommen und dann noch so einen Satz von dir zu geben", kommentiere ich sein Gehabe gespielt entsetzt, „Ich hätte das alles lieber aufgegeben." „Sieh es positiv", meint Alex aufmunternd und legt dabei seinen Arm schützend um mich, „Du hast eine bessere Beziehung zu deinen Eltern."
„Es wundert mich, dass du das so toll findest", hake ich verwundert nach. Er hat kein Problem mit meinen Eltern, nicht mehr, aber mit diesem Lebensstandart findet er sich immer noch nicht ab. Verständlich. „Deine Mutter hat mir letzte Woche einen Kaffee gemacht und fünf Minuten lang gestanden wie dankbar sie für meine Hilfe ist. Ich stehe drauf, wenn Frauen mein Potential erkennen", scherzt Alex und grinst mich frech an. Vor zwei Monaten noch hätte meine Mutter nie einen Kaffee selbst zubereitet.
„Bereit?", fragt uns Fabi, der mit Mike, Hannah und Kati zu uns stößt. „Wenn du nachher genervt weg gehst, schnüffel bitte nicht wieder irgendwas weißes", kommt es von Mike ungewöhnlich zynisch. Maxi hingegen grinst nur. „Ich könnt auch nicht eine Sekunde mal nicht an mich denken, hm?" Hannah ist ungewöhnlich still. Normalerweise ist sie die erste, die darauf kontern würde.
Das war die perfekte Vorlage für einen Gegenschlag. Aber sie bleibt ruhig. Hm, vielleicht ist ihr einfach die Lust daran vergangen. Maxi hat ihr immerhin auch schon lange keinen bissigen Kommentar vorgelegt. Wir nicken uns alle zu und machen uns auf den Weg nach unten wo die Gäste alle versammelt waren.
Zum Glück ist der Fokus viel mehr auf einen gemeinsamen Abend mit Spendensammlung für ärmere Familien gelegt, sodass wir nicht so sehr beachtet werden wie wenn jemand von uns seinen Geburtstag feiern würde.
„Lu, wir müssen noch miteinander reden", kommt Fabi auf mich zu. Er hatte bereits seit ein paar Tagen versucht, mir etwas zu sagen, aber immer wieder kam etwas dazwischen. Beim ersten Mal standen wir im Treppenhaus der Ebers, als Alex uns unbewusst unterbrach und wir los mussten. Wir hatten uns endlich mal einen Platz in meiner Lieblingstrattoria reserviert und den Abend zu zweit genossen. Die Plätze sind hier zwei Monate im Voraus gebucht und man hatte uns netterweise dazwischen geschoben, sodass ich auf keinen Fall zu spät kommen wollte. Ein ander Mal waren wir bei uns zuhause, als ich Vater spontan zum Arzt bringen sollte, weil Andreas an diesem Tag frei hatte. So lief das einige Male und ich hatte mir fest vorgenommen, dass ich endlich mit Fabi über sein Anliegen sprechen würde. „Ja, endlich-"
„Luisa, wie schön dich zu sehen", begrüßen mich Mike's Eltern plötzlich was mich innerlich meine Augen verdrehen lässt. Das darf doch nicht wahr sein. Sie beginnen ein Gespräch mit mir was Fabi dazu bringt, dass er sich frühzeitig verabschiedet. Toll, ich wäre nun wirklich lieber bei ihm und würde mit ihm das Thema durchgehen, das ihm scheinbar seit Tagen auf der Seele brannte. Wenn ich jetzt nur nicht nach dem steigenden Aktienkurs gefragt werden würde.
„Ja, das ist wirklich toll für die Firma", nicke ich brav und lächle ihnen entgegen, doch als ich Fabi mit Hannah verschwinden sehe, muss ich das Gespräch ein für allemal beenden, „Entschuldigt ihr mich bitte? Ich sollte noch.. dringend zu meinen Eltern." Was für eine bescheidene Ausrede. Banaler ging es nun wirklich nicht. Aber ich musste die Gelegenheit nutzen und mir mit Fabi und Hannah eine Auszeit von dieser Feier genehmigen. „Natürlich, Liebes", lächelt mir Mike's Mutter breit entgegen woraufhin ich freundlich nicke und endlich Fabi und Hannah folge.
Doch als ich vor der Tür stehe höre ich die beiden seltsam ruhig reden. Wieso sollten sie ausgerechnet in einem Nebenzimmer so heimlich miteinander reden? Komisch. „Sag es ihr endlich, Hannah. Wenn du es nicht tust, dann nutze ich die nächste Gelegenheit und zerre Lu weg", höre ich Fabi ernst sprechen.
Wieso sollte er mich denn wegzerren? Ist doch alles in Ordnung. „Das hatten wir doch schon. Lu darf nie erfahren, dass ich für Maxi's Überdosis verantwortlich bin. Ich wollte ihm nicht den Tod wünschen. Er hat mich mit seiner Liebeserklärung überrumpelt!" Was zum..?
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ANOTHER LOVE
عاطفيةEine flüchtige Bekanntschaft, die Spuren hinterlässt. Eine Familie, die sich selbst kaum erträgt. Ein Freund, der den Schein nach außen aufrechterhalten zu versucht. Geschwister, bei denen der Zwiespalt der Liebe nicht fern ist. / Luisa Diehn, Tocht...