„Gut, dass du da bist. Genau dich haben wir gesucht", grüßt Kati Alex euphorisch. Ihre leichte Art hätte ich auch gerne.. „Mich gesucht?", wiederholt Alex skeptisch und zieht seine Augenbrauen in die Höhe, als er uns ansieht, „Ihr habt in der Einfahrt geparkt, seid ausgestiegen und habt mich gesehen. Das nenne ich wohl eher Zufall."
„Tatsächlich..", beginne ich, sodass Kati zufrieden grinst und uns alleine lässt, „Sag mal, könnte ich mir dein Auto leihen? Ich tanke es auch und zahle dir natürlich eine Entschädigung. Es ist nur-" „Lu, wir waren zusammen. Kein Grund, nervös zu sein", besänftigt Alex mich mit einem netten Lächeln.
Doch, sehr wohl. Wir waren so verliebt und von heute auf morgen haben wir kein Wort mehr miteinander gesprochen. Heute haben wir nur zwei Sätze gewechselt. Das ist für jemand so sozial inkompetentes wie mich eine große Sache.
„Ich brauche dein Auto", stelle ich also fest. Dadurch, dass Maxi ohnehin noch nicht an sein Telefon gegangen ist, weil er wahrscheinlich in seiner Therapiestunde sitzt, kann ich sofort losfahren. Ich würde ihm dann im Anschluss daran berichten und mit ihm gemeinsam nochmal Selina und unseren Neffen besuchen. Vorausgesetzt sie wollen das auch.
„Ich dachte bei einem Leasingwagen ist der Service im Preis inbegriffen?", fragt mich Alex verwundert woraufhin ich seufze. „Nein, nicht deshalb, das Auto ist in einem klasse Zustand. Es ist nur so, dass.." Oh man, erzähle ich es ihm? Wir sind nicht mehr zusammen. Er hat mir aber nie einen Grund gegeben, ihm nicht zu vertrauen. Irgendwie möchte ich es ihm auch einfach sagen.
„Wir haben herausgefunden, dass Leo ein Kind hat und wir wollten es sehen, aber die Mutter hat Maxi und mich rausgeworfen. Fabi hat mit ihr gesprochen und sie lässt mich kommen, wenn ich mit einem anderen Auto hinfahre. Mein Auto macht keinen guten Eindruck in der Gegend mit der höchsten Kriminalitätsrate ganz Münchens."
„Fabi also?", hakt Alex sofort nach ohne auf den Rest meiner Worte einzugehen. Hallo, ist mein Neffe nicht eine größere Überraschung? „Er ist mein Freund, natürlich hilft er mir." „Ist klar", murmelt Alex genervt. Ich wusste, dass es falsch ist, ihn zu fragen. Wieso dachte ich auch, dass er mir helfen würde? „Seid ihr zusammen?" So schnell kann man also das Thema wechseln.
„Nein, seid ihr es?", drehe ich den Spieß um. Wenn er jetzt mit Jana zusammen ist, demoliere ich mein Auto so lange, bis es nicht mehr wert ist als ein Opel Corsa. Ich hasse sie und ich hasse ihn, wenn er bei ihr ist. „Nein, auf keinen Fall", schüttelt Alex überrascht seinen Kopf, „Das letzte Woche lief suboptimal. Ich halte eure Nähe und das Geheimnis nach wie vor für falsch aber, dass du uns am Tag drauf so gesehen hast war auch nicht die feine Art. Das tut mir leid."
„Danke", meine ich überrascht und stimme ihm zu, „Mir tut es auch leid, dass ich nicht ehrlich war. Witzig, dass ich genau vor dieser Situation Angst hatte." „Schon gut. Sollen wir dann fahren?" „Wir?", wiederhole ich irritiert, „Wenn ich einen Unfall baue, kaufe ich dir ein Neues." „Es geht mir nicht um dich als Fahrerin. Das kannst du gut", korrigiert sich Alex seufzend, „Ich lass dich da nicht alleine hingehen, wenn es so emotional wird. Da sollte keiner alleine durchgehen müssen."
„Danke", erwidere ich überrascht und nicke. Ja, er hat Recht. Und ich bin froh, dass ausgerechnet er mir helfen will. Vor ihm möchte ich nach dem Dilemma nicht zu emotional werden. „Also gut, dann los." Alex wirft mir seine Schlüssel zu und steigt auf dem Beifahrersitz ein.
Komisch neben Alex zu sitzen. Heute, auf diese Weise, für diesen Anlass. Wir sind nicht gerade im Guten auseinander gegangen. Außerdem hasse ich mich dafür, dass ich unbedingt wissen will, was zwischen ihm und Jana passiert ist. Dieses Neugierde macht mich ganz nervös und hibbelig. Ich fühle mich wie ein Kleinkind.
„Du und Jana also.. Läuft's gut?", frage ich ihn bemüht beiläufig. „Wie läuft's zwischen dir und Fabi?", kontert er hingegen gleichgültig, doch ich meine einen Hauch von Amüsement wahrzunehmen. Ich nicke, um zu zeigen, dass die Gegenfrage berechtigt war. Hoffentlich versteht er mein Nicken aber nicht falsch.
„Maxi hat sich ziemlich über euer neues Familienmitglied aufgeregt.. das Ältere natürlich." „Ja, er hätte sie am liebsten verklagt", schmunzle ich belustigt. Manches ändert sich einfach nie.. doch zum Glück kann sich Maxi mittlerweile ganz gut anpassen. „Können wir ihn nicht einfach mal so zum Spaß verklagen? Wäre doch lustig, wenn wir ihm ein gefälschtes Schreiben auf den Tisch knallen."
„Lieber nicht sonst steht morgen eine Horde Anwälte vor unser beider Tür", scherze ich was uns beide zum Lachen bringt. „Nein, im Ernst, ich freue mich, dass es ihm besser geht und ihr jetzt auch einen viel angenehmeren Umgang mit einander habt." „Danke", lächle ich ihm dankbar zu. Komisch, dass wir jetzt getrennt sind wo sie sich doch endlich verstehen. Maxi hätte zumindest einmal sagen können, dass Alex was Wertvolles wegwirft. Oder eben auch nicht. Ich hasse es, wenn das Ego in meinen Gedanken zum Vorschein kommt.
„Maxi hat erzählt, dass er gänzlich aussieht wie euer Bruder?" Alex kann das ja wirklich gut mit dem Smalltalk.. „Ja, tatsächlich. Ich wäre vor Schock fast umgefallen. Vor zwei Jahren hätte ich das Kind vielleicht einfach aus der Wohnung gezerrt", schmunzle ich über mich selbst und bin stolz auf meine Entwicklung. Vor allem das letzte Jahr, Alex, Fabi, die letzten Diskussionen mit meinen Eltern, die Sache mit Maxi, das alles hat zu meiner Entwicklung stark beigetragen.
Alex hat mich zurück ins Leben geführt. Mit Fabi konnte ich nach wie vor gut über Leo reden und ihm gedenken. Der Rest meiner Familie hat mir gezeigt, dass es immer noch Teile gibt, für die ich gerne lebe und die ich auch ohne Leo bewältigen kann.
„Wir sind da", lasse ich ihn wissen, ohne weiter auf emotionalere Themen einzugehen und stelle den Motor ab. Es ist mir zwar beim letzten Mal nicht aufgefallen, weil mein Fokus ein anderer war, aber Selina hat Recht. Mein Auto passt hier nicht rein. Jeder wüsste sofort, dass was los ist. Aufmerksamkeit ist das letzte das ich möchte. Zumindest nicht die Fremder.
„Ich kann es kaum fassen, dass ich das sage, aber da wäre es besser sie hätten die letzten Jahre bei euch gewohnt. Allein die Athmosphäre riecht nach Kriminalität." „Das Viertel hat auch die höchste Kriminalitätsrate. Ein Kommilitone von mir ist Staatsanwalt und der Großteil seiner Fälle haben sich hier ereignet." „Ein Kommilitone?", hakt Alex scheinbar interessiert nach was mich schmunzeln lässt.
Nicht ganz uninteressiert also.. Was würde Jana wohl sagen? Halt, ich muss mein Ego abstellen. Ist mir egal was mit den beiden ist. Wir sind wegen Leo's Kind hier. „Komm, lass uns zur Wohnung gehen", meine ich schlicht, bevor wir die Straße überqueren und das Gebäude betreten.
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ANOTHER LOVE
RomanceEine flüchtige Bekanntschaft, die Spuren hinterlässt. Eine Familie, die sich selbst kaum erträgt. Ein Freund, der den Schein nach außen aufrechterhalten zu versucht. Geschwister, bei denen der Zwiespalt der Liebe nicht fern ist. / Luisa Diehn, Tocht...