ungebetene Gäste

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„Ihr könnt euch nicht einfach hierher fahren lassen und in eine fremde Wohnung eintreten", meint sie schnippisch, als sich Maxi und ich tatsächlich einfach Zugang zu unserer Wohnung verschafft haben. Jetzt stehen wir im winzigen Eingangsbereich. So winzig, dass ich fast Platzangst bekomme. Allein mein Zimmer ist größer als die ganze Wohnung. Es war dringend notwendig, dass wir gekommen sind. 

„Meine Schwester ist selbst gefahren und das Haus war tatsächlich eines der ersten, das unsere Eltern vermittelt haben", korrigiert Maxi sie als wäre die Info so dringlich. Gut, für uns macht das schon einen Unterschied.. sowohl das Fahren als auch die Vermittlung. „Du weißt warum wir hier sind", komme ich zum wichtigen Thema zurück, „Wir haben die hier gefunden." „Woher-", will sie sich schon aufregen, doch Maxi klärt sie direkt auf. 

„Bei unserem Bruder im Zimmer. Drei Jahre langt hat das keiner gefunden und dann meint Lu sie muss ein Fotoalbum rauskramen. Witzig was man dabei alles findet." „Schön, könnt ihr dann gehen?", brummt sie uns genervt entgegen. Hartnäckig.. war ja klar, dass Leo das mag. 

„Nicht bevor wir wissen was hier los ist", halte ich dagegen, „Ich weiß ja nicht was unsere Eltern gesagt haben oder was wir getan haben, dass wir davon nie wussten aber wir sind nicht wie sie. Sie haben sich auch geändert aber das ist eine andere Geschichte. Jedenfalls wollen wir unsere Familienmitglieder kennen und euch helfen. Euer Kind hat den gleichen Wohlstand verdient." Selina sieht so aus als hätte ich sie beleidigt. Na klasse, das Diehn-Gen. 

„Ich habe kein Kind", sagt sie auf einmal ernsthaft betrübt. Shit, ich habe mich dumm verhalten. Was, wenn sie eine Fehlgeburt hatte oder.. „Haben unsere Eltern dich gezw-" „Mama, darf ich einen Traubensaft trinken?", höre ich auf einmal eine junge Jungenstimme rufen. Schritte sind zu hören und als ich das Kind sehe, falle ich fast um. 

Er sieht aus wie eine Rohversion von Leo. Fuck.. damit hatte ich nicht gerechnet. „Nimm dir ein Glas, aber trink es heute in deinem Zimmer", meint sie sanft. Na klar, schick meinen Neffen nur weg.. Vor Schreck halte ich mich an Maxi fest, der selbst aussieht als hätte er gerade Leo's Leiche gesehen. Ich weiß ja wovon ich spreche.. Obwohl Maxi dafür noch etwas zu fröhlich aussieht. Seit ich gelernt habe, damit umzugehen, bin ich ziemlich zynisch. 

„Kein Kind also, hm?", meine ich genervt und schüttle seufzend meinen Kopf, „Hör zu, ich weiß was du von unserer Familie gelesen haben magst oder generell von uns hälst, aber Leo bedeutet uns alles und genau bedeutet Leo's Familie uns alles. Wenn wir das damals gewusst hätten, hätten wir das nie zugelassen. Aber jetzt wo wir von euch wissen, tun wir alles, um euch zu helfen. Wir kaufen euch eine große Wohnung und ein Familienauto und-" 

„Ihr geht jetzt besser", unterbricht sie mich harsch. Okay, so sollte das nicht ablaufen.. „Okay.. Ich verstehe deine Sorgen, aber-" „Raus jetzt", unterbricht sie nun auch Maxi und zeigt wütend auf die Tür. Die sieht aus als könnte sie jederzeit zusammenfallen. Dann könnte hier jemand einbrechen und unseren Neffen verletzen oder gar.. nein, falsche Gedanken. „Soll ich erst die Polizei rufen oder braucht ihr einen Angestellten, um eure Beine zu bewegen?" 

Wow, ist ja gut.. Maxi und ich sehen uns nervös an und gehen langsam aus der Wohnung ruas. Unglaublich, dass wir so abgespeist werden. Nein, das klingt arrogant. Ich finde es nur traurig, dass wir nicht einmal länger geredet haben. Leo's Sohn zu sehen.. Wow, ich hätte niemals gedacht, dass ich das erleben würde..

„Wie lief's?", fragt uns Fabi, als er locker am Auto lehnt, „Gibt es so einen Quatschkopf als junge Variante?" „Die Vaterschaft ist nicht zu leugnen, aber wir waren keine gern gesehenen Gäste", fasst Maxi unser Erlebnis zusammen. „Frag lieber nicht weiter. Für Maxi mag das normal sein, aber mich hat ein Mensch noch nie so angewidert angesehen." 

„Wo sie Recht hat", stimmt mir Maxi schulterzuckend zu. Fabi wirft mir einen mitleidigen Blick zu. „Tut mir leid. Ich hatte gehofft, dass es anders laufen würde", meint er sanft und legt seinen Arm um mich. „Gebt mir bitte Bescheid, wenn da was läuft. Ich erwarte ein Kilo Gold von Mike." „Maxi!" „Was? Um Geld wetten macht bei der Inflation keinen Sinn", erwidert er kopfschüttelnd. 

„Wette nicht auf Kosten unserer Freundschaft nur weil wir nett zueinander sind", mahne ich ihn genervt, „Lasst uns gehen. Wir müssen das ein anderes Mal besser angehen." „Eigentlich könnt ihr alleine weiterfahren. Ich hab noch was vor und mit der U-Bahn bin ich in zehn Minuten in der Stadt." „Alles klar. Wir sehen uns." „Macht euch nicht zu viele Gedanken. Sie wird euch noch mögen", bestärkt uns Fabi liebevoll.


Fabi's Sicht:

Hatte ich wirklich was vor? Ja, aber nicht in der Stadt. Zum Glück vertrauen die beiden nur Mike und mir, denn jeder andere könnte diese Leichtgläubigkeit sofort ausnutzen. Sie sind ja nicht per se leichtgläubig, aber wenn sie jemandem vertrauen, dann blind. Toll und ich darf die riesige Differenz zwischen ihnen wieder regeln. 

Ich weiß, dass mich keiner beauftragt hat. Ich weiß aber auch, dass sie es sonst nicht schaffen. Maxi hat sicher irgendwas blödes gesagt von wegen wie sie hier leben kann oder so.. wobei.. auch wenn ich es nicht wahr haben will, Lu würde das auch noch sagen.

„Du musst nicht für deine Freundin einspringen. Ich will auch dich nicht sehen", knallt mir Selina sofort entgegen. „Ich habe mich doch noch gar nicht vorgestellt", meine ich verwirrt und halte die Tür schnell fest, damit ich so viel Zeit wie möglich habe. „Leo hat von dir erzählt", seufzt sie genervt und verdreht ihre Augen. 

„Hör zu, was auch immer die beiden gesagt haben.. ich weiß wie anstrengend es sein kann", stelle ich klar und imitiere die beiden, um die Stimmung zu lockern, „Der arme hatte ja noch gar keine Tennisstunden. Zum Polo müssen wir ihn noch eintragen." Selina schmunzelt sogar leicht. 

„Ich verstehe ja, dass du deiner Freundin helfen willst. Toll auch, dass es endlich geklappt hat. Leo hat sich das immer gewünscht. Trotzdem möchte ich nichts mit dieser Familie zu tun haben." „Lu ist nicht meine Freundin. Sie.. naja, sie war mit meinem Bruder zusammen." 

„Ach das hatte es sich mit den Bildern in der Zeitung auf sich", stellt sie fest was woraufhin ich die Stirn runzle. Sie interessiert sich also doch für die Diehns? „Die Zeitungen sind überall. Man bekommt alles mit", erklärt sie mir sichtlich unangenehm. 

„Hey, ist doch kein Thema. Es ist verständlich, dass du dich dafür interessierst, immerhin gehören sie zu deiner Familie." „Oh nein, ganz sicher nicht-" „Ist doch in Ordnung, sie sind zumindest die Familie deines Sohnes. Du wusstest doch auch wer Leo ist", argumentiere ich dagegen, „Jedenfalls wollen sie nur das Beste für euch und euch kennenlernen." 

„Dass du dir das all die Jahre antust", seufzt Selina angestrengt. Ich sehe da einen kleinen Funken, der mir eine Chance gibt. Also nehme ich eine von Lu's Visitenkarten, die ich mir aus ihrem Auto mitgenommen habe, und reiche sie ihr. „Falls du es dir anders überlegst. Es geht immerhin auch um deinen Sohn." Selian sieht mich weiterhin unzufrieden an, doch ich erkenne das Bewusstsein einer Zwickmühle in ihrem Blick. 

„Wieso tust du dir das alles an?", fragt sie mich plötzlich, als sie die Karte unzufrieden entgegennimmt. Ich weiß ganz genau was sie meint. Wieso tue ich mir das mit Lu an, wenn sie doch meinen Bruder wollte. „Weil sie es mir wert sind. Sie sind meine ältesten Freunde", erwidere ich bewusst schlicht. Vielleicht überzeugt sie das ja. 

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