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Lu's Sicht:

„Scheiße, Maxi.. Ich habe ja zum Glück endlich mitbekommen, dass es dir auch nicht leicht fällt, aber dass das passiert.. Was hast du dir dabei gedacht?", seufze ich, als ich nach Maxi's vorerst letzter Operation in seinem Zimmer sitze und seine kalte Hand halte. Leo's Hand konnte ich nie halten, er hatte keine Chance mehr. 

Ich bin überraschend ruhig gewesen, seitdem wir von Maxi's Unfall gehört haben. Ich nenne es Unfall. Ich weigere mich, es einen Suizidversuch zu nennen. So ist Maxi nicht. Ich stehe vollkommen hinter ihm, wenn es so wäre, aber dafür gab es kaum Anzeichen. Ja, es ging ihm schlecht. Aber er liebt das Leben. Er liebt seine blöden Sprüche, den Golfplatz, sein Auto, seine Freunde. 

„Tut mir leid, ich klinge schon wie Mutter. Ich hoffe nur, dass du dir bei der Aktion nichts gedacht hast." Die Ärzte haben uns nach unserer Ankunft in der Klinik vor zwei Tagen mitgeteilt, dass er noch operiert werden müsste und sich sein Überleben in diesen Tagen entscheiden würde. Er wurde gestern zum vorerst letzten Mal operiert. Heute ist der erste Tag nach den Operationen. In zwei Tagen soll der für ihn anstrengendste Tag kommen. Wenn er diesen Tag übersteht, sind die Ärzte zuversichtlich. Wenn nicht.. Ich weiß gar nicht was dann passiert. 

In Maxi's Patientenverfügung steht, wir sollen die Geräte abschalten lassen. Das kann ich doch nicht zulassen. Maxi ist stur, er wird sich auch nach einer Woche Koma noch zurück beißen. „Wer hätte gedacht, dass wir mal hier zusammen sind. Sogar Alex, den du anfangs gar nicht mochtest. Da hast du dich auch überzeugt. Du darfst gerne öfters auf mich hören. Oder auch nicht, hauptsache du kommst zurück. Ach, Maxi.. Tu uns und vor allem tu dir das nicht an." 

Ich seufze schwer, als ich Maxi noch einmal ansehe. Ich sollte gehen sonst komme ich hier gar nicht mehr weg. Alex wartet auf mich und begleitet mich nach Hause zu meinen Eltern. Sie sollten jetzt genauso wenig alleine sein.

„Ich habe hier alles gelassen wie es war", stelle ich selbst überrascht fest, als ich in meinem Zimmer stehe. Ich war seit Wochen nicht mehr hier. Maxi hatte sich zuletzt nur beschwert, dass ich so selten komme. Ich hatte angenommen er sei mir wegen etwas böse. Ich hatte ja keine Ahnung, dass er sich wünschen würde, selbst auszuziehen. „Hmm, die Rolex konntest du auch schlecht mitnehmen", zieht mich Alex auf, als er die Uhr auf meiner Kommode sieht. Das Modell hatten Leo und ich mal zum Geburtstag bekommen. 

„Komisch hier zu sein, hm?", meint Alex mit sanftem Blick zu mir. „Ich wäre lieber bei dir aber ich merke, dass es Mutter und Vater sehr mitnimmt. Vor allem mit der Anweisung in seiner Patientenverfügung", murmele ich nachdenklich. „Das wird, Lu", verspricht mir Alex zuversichtlich und ich glaube ihm sofort. Er ist seelenruhig. Er kann das besser beurteilen. Umso mehr genieße ich seine Umarmung.

„Was ist passiert?", rufe ich erschrocken, nachdem ich von der ersten Etage aus einen Knall gehört habe und nach unten zu meinen Eltern gerannt bin. Hier finde ich Mutter vor, vor ihr das Telefon zertrümmert und am Boden. Was zum Teufel.. „Maximilian. Er.. Wir müssen ins Krankenhaus", stammelt sie ängstlich und als Vater besorgt zu uns stößt, bricht er auf halbem Wege zusammen. Nein, nein, nein. Nicht das auch noch. Nicht- „Der Krankenwagen ist sofort hier", höre ich Andreas und sehe nur verschwommen wie er an meinem Vater eine Herzdruckmassage verübt. Mit anderen Worten eine Wiederbelebung.


„Wir sind so schnell gekommen wie wir konnten", pustet Hannah schwer aus. Sie sind alle gerannt. Mike, Fabi, Hannah, Kati. Hinter ihnen stolziert Lea her. Was zum-? „Sie war nicht aufzuhalten", warnt mich Kati. „Wo ist Maxi? Ich will zu ihm", fordert sie sofort. 

Hat sie eigentlich gar nichts verstanden? Die beiden sind nicht mehr zusammen. Ich will auch gar nicht wissen was sie zu ihm gesagt hat, dass er sich nur wenige Tage später eine Überdosis einwirft. Wenn ich herausfinde wer ihn so weit gebracht hat.. es wird mir egal sein wie sehr ich mich dann wie mein Vater verhalte aber das wird die Person büßen. Ich werde nicht zulassen, dass jemand erneut für den Tod meines Bruder's verantwortlich ist und nicht zur Rechenschaft gezogen wird. Wenn sie auch nur ein falsches Wort zu Maxi gesagt hat.. Wie gut, dass ich alle Akten ihrer Familie habe. Dem Vertrauen meines Vaters sei Dank. 

„Verschwinde", zische ich sie nur wütend an was sie doch tatsächlich entsetzt. Was hatte sie sich denn erwartet? „Bitte? Ich will Maxi sehen", meint sie erbost, als sie genau vor mir steht. „Und du denkst das würde ich zulassen? Komischer Zufall, dass er diesen Unglücksfall erleidet, wenn er nur kurz zuvor bei dir war. Wenn du auch nur ein Wort gesagt hast, das ihn so fertig gemacht hat, dass er jetzt um sein Leben kämpft, dann gnade dir Gott denn ich werde es nicht tun", drohe ich ihr. 

Mike sieht mich überrascht an. So hat er mich wohl in all den Jahren nicht erlebt. So habe ich mich selbst nie erlebt. Nicht einmal, als Leo gestorben ist. Da war ich auch noch eingeschüchtert von allem, was meine Eltern mir gesagt haben. Was soll jetzt schon passieren? Als ob sie Lea sehen wollen würden.. Fabi wirft mir einen aufmunternden Blick zu und Hannah.. Hannah sieht irgendwie schuldbewusst aus. Ich muss ihr noch sagen, dass sie nichts dafür kann. Hannah und Maxi mochten sich nicht aber das reicht bei weitem noch nicht, um ihn zum ungewollten Suizid zu treiben. Fast Suizid. 

Noch wird er wiederbelebt. Maxi und Vater zugleich. Ich hätte gestern noch gedacht es könnte nicht schlimmer kommen.. „Komm", meint Mike gelassen und packt Lea am Arm, „Ich eskortiere die holde Maid." Etwas Sarkasmus hatte mir gefehlt. „Lu, komm. Es gibt gute Neuigkeiten", bittet mich Alex und zeigt zu Mutter, die mit der Ärztin redet.

„Ah, sie müssen die Tochter sein, hallo", meint die Ärztin, die ich bisher noch nicht kenne, höflich, als ich dazustoße. Fabi und Hannah hinter mir, Alex neben mir. „Ihr Vater hatte ein kleinen Herzinfarkt, der bereits durch die Herzdruckmassage ihres Mitarbeiters geschwächt wurde. Ich habe den Herzinfarkt ihres Vaters noch behandelt. Er liegt hier gleich nebenan", erklärt sie uns sachlich und zeigt auf ein Zimmer neben dem, in dem Maxi liegt, „Ich kann mir denken, dass hier Stress eine Ursache ist. Dennoch werden wir Untersuchungen durchführen. Lebt ihr Mann und Vater gesund?" 

„Ja, sehr. Er arbeitet zwar viel, aber isst und lebt gesund, treibt viel Sport", nicke ich sofort, weil ich Mutter ansehe, dass sie nichts mehr sagen kann. „Ihr Bruder ist vor ein paar Jahren verstorben, richtig?" „Ja, bei einem Unfall." „Hat die Familie das gut verarbeitet oder-" „Nein, überhaupt nicht. Wir haben nie viel darüber gesprochen, gar nicht um genau zu sein." „Psychischer Druck ist nicht zu unterschätzen. Das werden wir ebenfalls untersuchen. Bei ihrem Bruder war es der Auslöser." „Ist er-" 

„Meine Kollegen konnten ihn wiederbeleben", lächelt mir die Ärztin aufmunternd zu, „Ihr Vater ist ansprechbar, bei ihrem Bruder könnte es noch etwas dauern aber es scheint wieder zu werden." Ich atme erleichtert aus und spüre Alex schütenden Arme um mich, als ich vor Erleichterung weine. Ein Blick zu Mutter und ich sehe all die versteckten Emotionen der letzten Jahre in ihren Augen. Also lasse ich Alex los und gehe zu ihr, um sie zu umarmen. 

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