„Was hast du dir nur dabei gedacht, ihm den gleichen Anzug zu kaufen wie deinem Bruder!", wirft sie mir viel mehr vor als dass sie eine Frage stellt. Das hatte mir gerade noch gefehlt. „Das ist Leo's Anzug, Mutter. Keine Sorge, ich habe kein Geld für Alex' Anwesenheit ausgegeben. Er ist nicht wegen des Geldes mit mir zusammen", erkläre ich ihr ruhig. „Hast du dir nur einmal überlegt wie es für deinen Vater und mich ist, einen anderen Mann im Anzug unseres Sohnes zu sehen? Was wird die Presse berichten?"„Fabi hat den Anzug von ihm bekommen und Alex gegeben, weil er einen für heute Abend brauchte. Wir wollten lediglich sichergehen, dass ihr mit seinem Auftreten zufrieden seid. Der Anzug wurde nie in der Öffentlichkeit getragen und kann auch keine Gerüchte auslösen", stelle ich klar, „Es tut mir leid, wenn ich dich damit traurig mache, aber ich weiß, dass er es so gewollt hätte."
„Oh nein, Luisa. Dein Bruder wäre ganz sicher nicht damit zufrieden gewesen-" „Wenn du es so schlimm findest, wieso habt ihr die Einladung dann an Alex und an mich addressiert?", frage ich nun verständnislos. Das ergibt doch alles keinen Sinn. Ich hatte gehofft, dass wir heute unsere Uneinigkeiten beiseite legen könnten und meine Eltern verstehen, dass Alex nicht wegen des Geldes mit mir zusammen ist.
„Du denkst doch nicht wirklich, dass wir das freiwillig gemacht haben? Du schuldest deinem Bruder wohl etwas mehr Dankbarkeit. Er hat deinen Vater dieses eine Mal überreden können." Maxi hat Vater überredet, Alex auch einzuladen? Das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Ich hätte noch viele Fragen an sie, aber es besteht jetzt die beste Gelegenheit, zu gehen ohne, dass sie sieht wohin. Ich stelle also meine Neugier hinten an.
„Du hast Recht, Mutter. Es tut mir leid, dass ich zugelassen habe, dass er genau diesen Anzug trägt", entschuldige ich mich gespielt aufrichtig, „Bitte lass dir den Abend davon nicht ruinieren. Ich gehe zurück und bleibe mit Alex im Hintergrund." Mutter sieht mich halbwegs zufrieden an also verlasse ich das Büro schnellen Schrittes und eile nach oben.
„Hey, Lu, warte", hält mich auch noch Mike auf, als ich die erste Treppenstufe betreten habe, „Ich muss dringend mit dir reden. Das wollte ich schon seit ich hier angekommen bin, aber du bist ihm nicht von der Seite gewichen und-" „Mike, ich hab's echt eilig", unterbreche ich ihn und sehe ihn entschuldigend an, „Es ist wirklich ernst."
Ich habe Alex und Maxi hier unten nirgends sehen können, also müssen sie seit vorhin oben sein. Das bedeutet wohl, dass Maxi wirlich ein Problem hat. Mike versteht zum Glück die Dringlichkeit und nickt. „Ich komme mit dir." Auf dem Weg nach oben schreibe ich Fabi schnell eine Nachricht, da es ohne seine Hilfe ziemlich auffällig werden könnte.
Whatsapp Chat zwischen Fabi 🎼 und Lu 🥁
Lu 🥁
Mike und ich sind hoch
Alex kümmert sich gerade um Maxi
er ist wohl betrunken
kannst du uns bitte decken
falls jemand nach uns fragt?
Fabi 🎼
Mike, Alex und du?
interessante Kombi
Ich lass mir was einfallen
Danke
ich gib dir nachher Bescheid
„Das darf jetzt nicht wahr sein", seufze ich, als ich Maxi in seinem Bett vorfinde und er sich so machohaft ausbreitet als würde sich gleich eine Frau zu ihm legen. Alex steht neben ihm und nimmt ihm gerade sein Sakko ab.„Oh, hallo Schwesterherz", ruft er aufgeregt, „Dein Freund zieht jetzt wohl mich aus." „Es ist nicht-"
„Keine Erklärung notwendig", unterbreche ich Alex kurz, sehe dann Maxi entsetzt an, „Es ist noch nicht einmal 20 Uhr und du liegst betrunken in deinem Bett! Wie konnte das nur passieren?" „Leo's Whiskey aus Australien", grinst mir Maxi wie ein freches Kind entgegen. „Wir müssen ihn unter die Dusche stellen. Er kann so nicht wieder zu den Gästen und oben bleiben kann er auch nicht." Sowohl Mike als auch Alex sehen mich skeptisch an.
„Ihr sollt ihn festhalten, nicht einseifen", entgegne ich frustriert und versuche Maxi auszuziehen, als die beiden ihn festhalten. „Das ist eklig, Lu", zickt mich Maxi betrunken an. Ich verdrehe nur meine Augen. Ich will ihn ja nicht ausziehen. Es ist wohl nur angemessener, wenn ich das übernehme. Wir sind Geschwister, da ist meine Hemmschwelle geringer. „Tu mir einen Gefallen und halt einmal im Leben deinen Mund und hör' auf mich", brumme ich ihm entgegen, als er sich das Hemd nicht aufknöpfen lässt.
„Ich werde mich nie wieder für dich einsetzen", beschwert er sich weiter, klingt mittlerweile wie ein beleidigtes Kind, „Du kannst immer frei sein. Du studierst was du willst, du suchst dir deinen Partner aus, du isst sogar was du willst. Ich mache jeden verdammten Tag nur das was man von mir erwartet und jetzt willst du mich zwingen, da wieder runter zu gehen? Ich lade nie wieder jemanden für dich ein."
Er hat unsere Eltern also wirklich überredet. Ich weiß, dass er mich da nicht anlügen würde, nicht einmal wenn er betrunken ist. In solchen Situationen ist er viel ehrlicher, deshalb trinkt er auch selten. Dass er uns so sehr vergleicht höre ich aber zum ersten Mal. Aus Überraschung lasse ich ihn los und gehe einen Schritt zurück.
Ihm geht es wirklich schlecht. Ich bin so eine schlechte Schwester, dass ich mich von seiner Arroganz blenden hab lassen. Ich hätte mehr mit ihm reden müssen. Alex sieht mich verständnisvoll an. „Geht ihr bitte raus und passt auf, dass keiner hierher kommt. Ich kümmere mich um ihn", beschließt Alex.
Merkwürdigerweise habe ich das Gefühl, dass Maxi auf ihn hören könnte also nicke ich und bitte Mike mir zu folgen. Auch er ist still und nimmt Alex' Vorschlag an. Da scheinen wir uns ohne weitere Erklärung einig zu sein.
„Na immerhin ist sein Zimmer am Ende des Gangs", meint Mike schulterzuckend und setzt sich zu meiner Überraschung auf den Boden, „Was? Mich wird hier keiner sehen und stehen möchte ich auch nicht." „Du wirkst so bürgerlich, wenn du am Boden sitzt", kommentiere ich das Bild vor mir, setze mich aber neben ihn.
„Bitte sag' sowas nicht. Ich bin alles andere nur nicht bürgerlich", erwidert er mit angewiderten Blick. „Es tut mir leid, dass meine Eltern deinen Vater angelogen haben was unsere Trennung angeht", entschuldige ich mich nun aufrichtig, weil ich endlich den Moment erlebe, in dem ich mit ihm offen reden kann.
„Nein, schon gut. Du kannst nichts dafür. Außerdem lagen sie ja richtig. Ich konnte nicht damit umgehen, dass es dir schlecht ging und war nicht für dich da. Er kann es ja scheinbar", meint Mike ruhig und zeigt hinter uns, „Fabi's Bruder.. Du findest schon auch immer diejenigen mit denen es kompliziert ist."
„Es ist einfach mit Alex", gestehe ich ihm, ohne ihn verletzen zu wollen, „Ihr könntet nur aufhören, euch einmischen zu wollen, dann wäre es noch leichter." „Ich hab' Maxi gesagt, dass ich dir nicht weh tun will. Er wollte dich nur schützen. Wenn es mit Alex vorbei gewesen wäre, hättest du ihn nicht deinen Eltern vorstellen müssen und es gäbe ein Drama weniger. Alles was Maxi macht hat einen Grund."
Ich nicke. „Entweder er ist verletzt oder er will mich schützen. Ja, das habe ich auch festgestellt. Danke, dass du so ehrlich zu mir bist." „Apropos Ehrlichkeit, ich wäre trotzdem lieber der Mann an deiner Seite." Ich lache leise auf und wir reden weiter bis wir das Wasser aus der Dusche hören und Maxi später frisch vor uns steht.
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ANOTHER LOVE
RomanceEine flüchtige Bekanntschaft, die Spuren hinterlässt. Eine Familie, die sich selbst kaum erträgt. Ein Freund, der den Schein nach außen aufrechterhalten zu versucht. Geschwister, bei denen der Zwiespalt der Liebe nicht fern ist. / Luisa Diehn, Tocht...