Alltag

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„Wie läuft's mit Alex?", fragt mich Hannah eine Woche später interessiert. Ich hatte eine Woche voller Termine und Hannah hatte meistens zu den Zeiten Uni, als ich zuhause war. Ich kann zwar meine Zeit relativ frei einteilen, musste aber einiges für meine Familie erledigen. Bisher hat mich zum Glück noch niemand auf die Trennung von Mike angesprochen. 

Es fühlt sich an als wäre nie etwas passiert. Komisch, das ist zu viel Ruhe. Vermutlich denken noch alle ich würde sowieso bald zu ihm zurückkommen. „Wirklich gut. Er hat mich diese Woche zwei Mal nach der Arbeit abgeholt und wir waren essen. Ich habe diese Woche meinen ersten Döner gegessen", erzähle ich ihr stolz wie ein kleines Kind.

„Du lügst mich doch an. Du bist 25 und hast noch nie einen Döner gegessen?", wiederholt Alex meine Worte verblüfft. „Meine Familie ist da etwas speziell." Das ist nicht gelogen. Sie ist wirklich speziell. Ich wollte ihn nur immer noch nicht von meinen Eltern erzählen. Wir treffen uns noch nicht lange und das soll ihn nicht abschrecken. „Eindeutig. Du hast 25 Jahre lang etwas verpasst."

„Das ist schon irgendwie süß", kichert Hannah, doch ein Klingeln unterbricht sie. „Ich geh schon. Irgendwann muss ich mich ja Lea's Unmut stellen", murmele ich und öffne meiner eigentlichen Freundin die Tür, doch vor mir steht Mike. „Ach, du hast dich auch mal wieder aus seinem Bett erhoben." Sein Blick ist kalt, sein Ton scharf. Er hasst mich also immer noch. Komisch nur, dass ich von Maxi und Lea noch nichts gehört habe. 

„Ich nehme mal an, dass du deine Sachen holen willst?", meine ich hingegen gleichgültig. Sein ganzes Gehabe widert mich im Moment nur noch an. Dabei waren wir mal so gut befreundet „Ich will ja nicht, dass du ihm irgendwann meine Sachen geben musst, wenn der Typ hier ist. Falls er deinen Namen nicht schon vergessen hat." „Ich würde nie-"

„Nein, nein", unterbricht mich Mike sarkastisch, „Was ist mit Fabi? Dem hast du immerhin auch schon meine Sachen gegeben. Du dachtest doch nicht echt, dass ich von dem Abend nichts erfahren würde? Eure übernachtet hier, bekommt mein Shirt und ihr küsst euch?" So viel Impulsivität und Emotionen bin ich von Mike nicht gewohnt. Er überrascht mich damit eindeutig. Andererseits.. Mike hat auch Gefühle. Nur weil er das nicht gerne zugibt, heißt das nicht, dass er keine hat.

„Warte, du und Fabi? Wann?", fragt Hannah verwundert, als sie zu uns stößt. „Sag ich dir dann. Woher weißt du davon?", hauche ich schockiert, als ich Mike wieder ansehe. Ich hatte es keiner Menschenseele gesagt und Fabi hätte ich das auch nicht zugetraut. „Hast du echt gedacht, Fabi könnte seine Klappe halten? Er ist sofort zu Maxi gerannt. Ich hab nur darauf gewartet, dass du mal was sagst. Glückwunsch, Luisa, du und dieser Lehrer habt euch echt verdient."

„Weil du uns auch so gut kennst", zische ich trotz meiner Überraschung augenrollend zurück. Ja, ich habe mich falsch verhalten, aber er muss uns jetzt als Personen auch nicht schlecht reden. Zumindest nicht Alex. Und dass er vor allem wegen meiner Eltern an mir interessiert war, habe ich schon lange durchschaut.

Mike kommt mit seinen Sachen aus meinem Schlafzimmer heraus und sieht mich herausfordernd an. „Und der Typ, den du zwei Mal gesehen hast und dich gleich von ihm flachlegen lässt, kennt dich so viel besser, oder?" „Er hat mich wenigstens nicht wegen meiner Eltern angesprochen", entgegne ich ihm fest. Bleib ruhig, Lu.

„Unterstell mir so einen Schwachsinn ja nicht", bafft Mike mich mittlerweile an, „Wenn du dir etwas für dein Gewissen einreden muss, dann lüg wenigstens nicht. Ich hatte Pläne mit der Firma, ja, aber mit der Firma, dir und mir. Ich liebe dich nämlich wirklich sonst hätte ich dich nach der Sache mit Fabi verlassen. Aber das wird dir schon noch bewusst, wenn er dich erstmal fallen lässt."

„War's das?", meint Hannah zum Glück, weil ich nichts weiter sagen kann. Was wenn Mike Recht hat und ich ihn zutiefst verletzt habe? Wenn er mich von ganzem Herzen geliebt hat und ich das gar nicht realisiert habe? Das ändert zwar an meinen Gefühlen nichts, aber Empathie empfinde ich auf diese Weise schon für ihn. „Ja, zum Glück", meint Mike kühl. Je abweisender er ist, umso mehr merke ich, dass es ihn wirklich mitnimmt. Was habe ich nur getan?

„Wow, okay. Das war heftig. Was war mit Fabi?", fragt mich Hannah sobald Mike die Wohnungstür hinter sich geschlossen hat. „Kurz nach.. du weißt schon.. waren wir auf einer Party. Ich wollte nicht hingehen, aber Mike und Maxi haben mich überredet. Fabi hat sich dann um mich gekümmert und hat mich vorzeitig heimgebracht, weil ich es dort nicht mehr ausgehalten habe. Das war drei Wochen nach dem Unfall. Drei Wochen. Ich war so wütend, dass die beiden nicht verstehen wollten wie es mir ging. Fabi hat mich eben schon verstanden und zuhause kam es dann zu diesem Kuss."

„Du hast keinem was davon erzählt", schlussfolgert Hannah. „Keiner Menschenseele", nicke ich, „Alex darf es nicht wissen. Nicht jetzt." „Von mir erfährt er es sicher nicht", stimmt mir Hannah zu und lächelt mich aufmunternd an.


Maxi's Sicht:

„Mike, schön dich zu sehen", begrüßt meine Mutter uns, als wir den Fluren entlang an ihr vorbeilaufen, „Du warst die ganze Woche nicht da. Ist alles in Ordnung?" Ich würde es ihm nicht verübeln, wenn er ihr von der Trennung erzählt, aber ich habe das bisher bewusst nicht getan. 

Wenn meine Eltern wüssten, dass Luisa sich getrennt hat, hieße das, sie verlieren die Hoffnung in sie und bauen mehr auf mich. Noch mehr als ohnehin schon. Ich habe nun einmal keine Lust darauf, wegen ihren Stimmungsschwankungen, die ganzen Lasten dieser Familie auf mir zu tragen und sie kann sich ein schönes Leben machen. 

„Ebenso, Valentina." Mike sieht sie charmant an. Na klar, meine Mutter mag genau diese charmante Art an ihm. „Luisa und ich.. wir haben gerade so etwas wie eine Pause." Ich habe ihn noch nie rumdrucksen sehen, aber gut, meine Mutter ist nicht irgendein Mitarbeiter. Vor ihr hat er Respekt. 

„Was hat sie schon wieder im Sinn?", seufzt sie enttäuscht. Würde sie genauso reagieren, wenn ich mich von Lea trennen würde? Enttäuscht von ihrem eigenen Kind? Wenn Lu nur einfach nicht so impulsiv gewesen wäre, hätten wir das Problem jetzt nicht. 

„Sie.. Ich denke, ich bin gerade nicht derjenige, den sie braucht", fasst Mike geschickt zusammen. Die Zweideutigkeit hat Mutter sofort verstanden. Ich nehme es ihm nicht übel, er hat ja Recht. Nur habe ich jetzt schon kein Interesse an dieser Familiensitzung. 

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