Es ist wirklich lange her, dass ich Fabi gesehen habe. Klar, mal auf dem Flur als ich bei Alex war, aber nicht mehr in dem Stil wie wir uns vorher getroffen haben. Ich vermisse ihn auch, aber ich hatte Angst auf ihn zuzugehen, weil er mir immer noch böse sein könnte. Ich will nicht zu viel von ihm verlangen. Das ist so schon nicht leicht für ihn.
„Stimmt, Fabi gibt's ja auch noch", schmunzelt Hannah. „Ja, zum Glück. Ist ja auch mein Lieblingscousin", scherzt Kathi und sieht mich nachdenklich an. Sie weiß es. Natürlich weiß sie es. Fabi wird mit ihr geredet haben. Wie hätte sie sonst davon erfahren sollen? „Du bist mir direkt sympathisch. Der war auch mein Favorit", erwidert Hannah aufgedreht wie immer, „Es überrascht mich aber, dass er darüber spricht. Sonst schweigt er das Thema auch tot."
„Das hat er nicht, musste er gar nicht. Ich bin letztens darauf gekommen, dass ich wieder weiß woher ich dich kenne, Lu. Ich hab früher mal Bilder von dir und Fabi gesehen und sein Frust die letzten Tage hat einiges erklärt", meint sie ruhig und ich frage mich was das zu bedeuten hat.
„Alex schmollt übrigens noch", lässt mich Kathi wissen, „Er kommt sich ziemlich dumm vor, dass er nie was mitbekommen hat und es dann auch noch per Zufall von seinen Schülerinnen erfahren. Ich versteh dich echt, aber vielleicht solltest du nochmal bei ihm vorbeischauen." „Ich hab echt einiges gut zu machen, hm?", murmele ich deprimiert. Ich hätte Fabi nicht hängen lassen dürfen und ich hätte zu Alex ehrlich sein sollen.
„Mach dir keinen Kopf. Alex versteht dich, er ist nur sauer. Der kriegt sich wieder ein. Und Fabi.. Ihr braucht eine Lösung wie ihr miteinander umgeht. Ich mag dich echt und bin froh, dass du bei Alex bist, aber ihr müsst das alles erst noch klären." „Danke, Kathi, ehrlich. Das war dringend nötig", gebe ich zu und sie lacht mir amüsiert zu.
„Glaub mir, ich kenne das. Und ich kenne die beiden. Es ist nicht immer leicht mit ihnen. Aber ich sehe wie sie dich ansehen und das.. es tut mir leid für dich und sie, dass anscheinend noch so viel zwischen euch steht." Wo sie Recht hat.. Alex hat Fabi nicht weiter erwähnt aber wir sind auch im Treppenhaus nie stehen geblieben, wenn wir uns gesehen haben. Wir haben nicht lange gesprochen. Dabei haben Fabi und ich immer über alles geredet. Irgendwas muss ich ändern.
Alex's Sicht:
„Die Pause ist jetzt vorbei, also nehmt ihr bitte eure Bücher raus", weise ich meine Schüler an und verkneife mir den genervten Ton. Wieso mussten sie mir diesen Zeitungsbericht von Lu zeigen? Millionärserbin. Das geht mir nicht mehr aus dem Kopf. Das Auto zum Geburtstag, ein neues Auto nach Monaten.
Und ich dachte ich verdiene gutes Geld. Das erklärt auch das Auftreten ihres Bruders. Und wieso müssen sich Schüler immer zu Beginn des Unterrichts verhalten als wäre noch Pause? Es gibt wichtigeres als irgendein Instagram Bild. „Oh nein, sie sind nicht gut drauf." Merkt man mir das wirklich an oder will Sarah nur vom eigentlichen Thema ablenken?
„Ist was mit der Millionärin?", ruft Daniel sofort aus der letzten Reihe. Wenn er nicht mein Schüler wäre und in meinem Alter.. ich würde wohl mal ausrasten. Er hat verblüffende Ähnlichkeiten mit Luisa's Ex. Ist man heutzutage einfach so arrogant? Ich bin erst 31 aber komme mir immer wieder älter vor.
„Buch aufschlagen, jetzt", betone ich bewusst streng, damit sie die Ernsthaftigkeit verstehen. „Das darf jetzt nicht wahr sein. Sie sind voll schlecht drauf, weil in ihrer Beziehung Probleme sind und wir kriegen jetzt den schlecht gelaunten Herr Ebers ab. Sonst sind sie viel lockerer." „Leute, lasst das jetzt. Wir haben Unterricht."
„Wir sind doch ihre Lieblingsklasse!" Meike meint das als Argument nutzen zu können und irgendwie hat sie sogar Recht. „Es ist nun mal nicht immer alles perfekt, okay?", gebe ich ansatzweise nach, „Das gehört aber nicht hierher. Tut mir leid, wenn ich gerade nicht fair war, aber wir müssen wirklich mit dem Stoff vorankommen."
„Wir wollen aber auch, dass es ihnen gut geht." „Hat sie Schluss gemacht?" „Nein, Sarah." „Warum sind sie dann so streng?" „Du hast ihm doch letzte Woche den Artikel gezeigt", entgegnet ihr Selina genervt, „Ist dir nicht einmal aufgefallen, dass er das nicht wusste?" „Ja und? Dann ist sie eben Millionärin. Wo ist das Problem? Sie können kündigen und mit uns feiern gehen." „Das mag für euch vielleicht schön sein, aber das ändert vieles. Also bitte, Sarah, können wir?"
„Nein", entgegnet sie mir fest und ich wäre kurz davor, sie rauszuschmeißen, wenn ich nicht ihr Potenzial sehen würde, „Sie hat mehr Geld als gedacht. Und?" „Geld ist nicht gleich Geld, Sarah. Damit gehen gesellschaftliche Standards und Normen einher, Events, Artikel und nichts davon sollte mit einem Lehrer zu tun haben."
„Das klingt als hätten sie ein Wochenende voller Selbstmitleid gehabt", entgegnet mir Julian trocken und ich sehe ihn warnend an. „Irgendjemand muss es ihnen ja sagen", verteidigt Sarah ihn, „Keine Ahnung was es ist, aber irgendwas findet sie ja gut an ihnen. Also sollten sie das nutzen und die Zeit zusammen genießen. Sie müssen ja auch was an ihr gut finden, wenn sie so viel besser gelaunt waren."
„Es ist immer wieder schön zu hören, was ihr über mich denkt", meine ich ironisch, „Können wir den Unterricht fortsetzen?" Endlich nicken alle. Sarah weiß ganz genau, dass sie mir einen Floh ins Ohr gesetzt hat. Ich kann nicht aufhören, mich über mein eigenes Verhalten zu ärgern. Scheiß drauf wer Lu ist oder wie viel Geld sie hat. Ich wollte sie damals und ich will sie immernoch. Ich lass sie jetzt nicht gehen.
„Sie haben diesen Blick drauf", wechselt Sarah schon wieder das Thema und ich sehe sie sogar genervt an, aber sie lässt sich nicht aus der Ruhe bringen, „Sie denken an sie. Gott wie süß. Okay, ich bin schon ruhig." Zum Glück hat sie es selbst endlich kapiert. Aber als ich später zusehe wie sie ihre Aufgaben machen, denke ich wieder an Lu und daran, dass echt selten nicht an sie denke. Jetzt müssen wir nur mit vollkommener Ehrlichkeit an die Sache rangehen.
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ANOTHER LOVE
RomanceEine flüchtige Bekanntschaft, die Spuren hinterlässt. Eine Familie, die sich selbst kaum erträgt. Ein Freund, der den Schein nach außen aufrechterhalten zu versucht. Geschwister, bei denen der Zwiespalt der Liebe nicht fern ist. / Luisa Diehn, Tocht...