Maxi's Sicht:„Hey, Arschloch", beschimpft mich Hannah sofort, als ich bei ihr ankomme, um noch einen Teil von Lu's Sachen abzuholen, die unsere Eltern im Haus vermisst haben. Das wär's dann wohl. Meine Schwester bleibt meine Schwester aber nicht die Tochter unserer Eltern. Gerade jetzt wo wir uns besser verstehen.. „Ich habe echt keinen Nerv für deine Sprüche übrig, Cruella", murmele ich genervt, „Wo sind die Sachen?"
„Wenn du mich provozierst muss ich dir auch gar nichts geben", zischt sie mich an. „Das wäre dann Lu's Problem, nicht meines", meine augenverdrehend, „Was habe ich dir heute schon wieder getan?" „Deine ganze Existenz ist für alle aufrichtigen Menschen verletzend." „Geht's bitte ein wenig konkreter?", seufze ich lang und warte bis sie ihren Wutanfall hinter sich gebracht hat. Was genau mag ich an ihr nochmal so sehr? Ah ja genau, dass sie anders ist..
„Du willst Lea ohne Erklärung in den Wind schießen.. Ernsthaft? Nach acht Jahren Beziehung?" „Lu durfte Mike nach fünf Jahren Beziehung in den Wind schießen", halte ich schulterzuckend dagegen. Was interessiert sie das? Die beiden mögen Lea doch gar nicht wirklich. Keiner tut das. Sie ist nur mit uns befreundet, weil wir die reichsten am Internat waren. „Ich fasse es nicht", ruft Hannah entsetzt, „Mike ist ein ganz anderes Kaliber! Er hat-"
„Lu hat ihn betrogen. Ist dir klar, oder? Ich habe Lea nur freundlich gesagt, dass ich sie nicht liebe. Sie ist ausgetickt", fasse ich trocken zusammen. Wieso rechtfertige ich mich eigentlich vor ihr? Hannah ist so eine.. nein, bleib ruhig, Maxi. Du hast jetzt die Verantwortung für die Zukunft der Familie.. Toll, noch eine Sache für die ich weder Zeit noch Energie habe. Zuhause muss ich wahrscheinlich meinen Eltern brav zunicken, wenn sie über Luisa schimpfen. Wäre ich doch nur bei Lea geblieben..
„Ihr beiden seid mit Abstand die schlimmsten Menschen, die ich kenne. Gibt es überhaupt irgendwen für den ihr irgendwas tun würdet oder sind euch alle Menschen egal? Vor allem dir.. du bist dir wirklich für nichts zu schade, oder?", beschwert sie sich weiter über mich, als mir der Kragen platzt.
„Verdammt, Hannah, du bist so naiv, oder? Nur weil du dir die verdammte Welt als böse ausmalst ist sie das auch, richtig? Du beschwerst dich, weil ich ehrlich zu Lea bin, weil ich einfach mal verdammt ehrlich bin. Ich hab das für dich getan, weil ich aus dieser scheiß Beziehung raus wollte und endlich mit dir abhauen. Jahrelang hab ich erst Leo gedeckt, dann Luisa und später was zwischen uns war, indem ich so tue als würde ich dich hassen. Also wage es ja nicht, mich so anzufahren!"
Ich glaube, dass ich mich tatsächlich noch nie so laut selbst gehört habe. Ich schreie nicht, nie. Ich rede nicht über meine Gefühle. Ich bleibe ruhig und gehe dann zum Sport. Aber Hannah.. Wenn ich sie sehe würde ich am liebsten einen Boxsack schlagen. Jedes Mal diese Beleidigungen. So wie jetzt. Erst starrt sie mich komplett schockiert an und sieht fast aus als wäre sie überfordert, doch da findet sie zurück zu alter Stärke und lacht mich aus.
„Klasse Rede, Maxi, ehrlich", lacht sie mir ernsthaft entgegen, „Wie viel musstest du trinken, um mir den Scheiß zu sagen? Mal ehrlich, Koks ist da doch auch im Spiel? Halt nein, das brauchst du ja schon, um deinen scheiß Charakter zu spielen und zu vergessen, was für ein schlechter Mensch du bist." „Ich habe Lu vor ein paar Stunden mal so eben vier Millionen Euro geschenkt.. Da bin wirklich ich ein richtig schlechter Mensch in deinen Augen?", zische ich ihr entsetzt entgegen, „Ich habe dir gerade meine Gefühle gestanden, Hannah. Also entweder sag was dazu oder gib mir Luisa's scheiß Sachen, damit ich gehen kann."
„Was soll ich denn zu einem solchen Zirkus sagen? Klasse Versuch, mich zu verarschen? Gott Maxi, geh heim und nimm dein tolles Koks.. Bitte vergiss nicht, zu viel zu nehmen. Das hält ja keiner mehr aus. Nur schade, dass es keinen Leo mehr gibt, der deine Art ausgleicht. Es wäre für alle besser gewesen, wenn es dich getroffen hätte", bafft sie sofort zurück, hält sich dann aber erschrocken die Hand vor den Mund. „Maxi, es tut mir leid, ich wollte nicht-"
Ich weiß selbst nicht was ich sagen soll also nicke ich. Es hätte gereicht, wenn sie mir gestanden hätte, dass sie nicht dasselbe empfindet wie ich.. Die Ansage war noch viel klarer. Ich sage nichts weiter zu Hannah, egal wie sehr sie sich entschuldigen möchte, und verlasse die Wohnung schnell wieder. Es ist eine Sache, Leo's Tod anzusprechen oder mein Drogenproblem oder sich zu wünschen, dass es mich getroffen hätte.. aber alles zusammen zu hören.. Bin ich wirklich so ein schlimmer Mensch?
Ich habe jahrelang versucht, so zu sein wie meine Eltern, obwohl ich genau so nicht werden wollte. Ich habe meine Geschwister dazu gebracht, mich jahrelang zu verabscheuen. Die einzige Frau, die mich interessiert, wünscht sich meinen Tod. Ja, ich bin wohl nicht traumhaft. Man, Leo.. Ich wollte doch nicht mehr Zeit damit verbringen, meinen Geschwistern ein schlechtes Gefühl zu geben, als mit ihnen eine schöne Zeit zu verbringen. Die beiden, Mike und Fabi sind die einzigen, die mir wirklich eine Chance gegeben haben.
Nicht einmal Lea, die schließlich acht Jahre lang bei mir war, hat sich darum bemüht, mich wirklich zu mögen. Es ging immer alles nur um Geld und Erfolg und ohne meine Eltern hätte ich selbst das nicht. Für dieses Leben habe ich wirklich jeden vergrault, der mir etwas bedeutet. Wenn Leo hier wäre.. der würde mich dafür auslachen, dass ich fast 30 Jahre gebraucht habe, das zu verstehen. Er hätte mich vermutlich viel früher wachgerüttelt. Dann hätte wenigstens Lu nicht so unter mir gelitten.
Sie war die einzige, die Leo wirklich gewertschätzt hat, vor allem nach dem Unfall. Ich war nur an seinem Grab, wenn es um einen Anlass gab. Beerdigung und die Todestage. Sonst habe ich so getan als hätte es ihn nie gegeben und dabei zugesehen wie Lu für ihre Trauer und ihr Trauma fertig gemacht wird. Wenn ich mich nur einmal für sie eingesetzt hätte.. Ich habe wirklich jede erdenkliche Situation, ihr zu helfen, ignoriert. Kein Wunder, dass ich nur für mein Geld gemocht werde. Mehr habe ich auch nicht.
„Maximilian, wo sind die Sachen?", fragt mich meine Mutter streng, als ich mit leeren Händen nach Hause komme. „Keine Ahnung, Hannah war nicht da", meine ich stumpf und bin überrascht über die Lustlosigkeit in meiner Stimme. Sonst habe ich mir wenigstens die Mühe gemacht, meinen Eltern etwas vorzuspielen. Gut, mit einer Promille intus ist das vielleicht auch ein anderes Thema. Wobei ich mit einer Promille intus auch nicht hätte Autofahren dürfen. Hm.. jetzt bin ich sowieso zuhause.
„Wann ist sie zurück?", bohrt Mutter weiter nach. Wenn ich sie so ansehen fällt mir auf, dass sie ein ziemliches Wrack ist. Lu würde sagen sie hätte es mir ja gesagt.. „Weiß ich nicht", antworte ich kurz gebunden. Mutter lässt zwar nicht locker, allerdings ignoriere ich zum ersten Mal in meinem Leben ihre Aussagen und gehe in direkt in mein Zimmer. Zum Glück ist sie zu stolz, um mir hinterher zu gehen.
Ich lebe zwar in einer riesen Villa mit Pool, Sportplätzen und vielem mehr, doch bin enttäuscht von mir selbst, dass ich es nicht einmal geschafft habe, mir meinen eigenen Haushalt aufzubauen. Klasse, Maxi. Immerhin habe ich einen erstaunlichen Vorrat an teurem Whiskey und feinstem Koks. Das wird schon helfen, hat es immer.
DU LIEST GERADE
ANOTHER LOVE
RomanceEine flüchtige Bekanntschaft, die Spuren hinterlässt. Eine Familie, die sich selbst kaum erträgt. Ein Freund, der den Schein nach außen aufrechterhalten zu versucht. Geschwister, bei denen der Zwiespalt der Liebe nicht fern ist. / Luisa Diehn, Tocht...