„Ist hier noch frei?", fragt mich Fabi später, als ich auf dem Balkon sitze und die Ruhe draußen genieße. Maxi's Blicke wurden mir dann doch zu viel. „Für dich immer", nicke ich dankend. „Wieso ausgerechnet mein Bruder?", fragt Fabi dann ziemlich interessiert. „Ich mochte ihn schon bevor ich mit Mike zusammen gekommen bin. Da war damals schon was zwischen uns", erzähle ich ihm zum ersten Mal.
„Wie denkst du geht es weiter?", grübelt Fabi an meiner Stelle. „Wir sind fest zusammen. Hat er dir das noch gar nicht gesagt?", wundere ich mich. „Wir haben in letzter Zeit nicht viel geredet", meint Fabi neutral und nickt. „Alex ist da kein Musterbeispiel, weißt du", murmelt er nach einem kurzen Moment der Stille und reibt sich die Schläfen, „Mike war nicht immer gut zu dir, aber er war da, wenn du ihn gebraucht hast und er hat es mit dir ernst gemeint." Will er mir damit etwa sagen, dass es Alex nicht ernst mit mir meint?
„Was soll mir das über Alex sagen, Fabi?", meine ich deshalb vorsichtig, „Mike und ich sind Vergangenheit. Damit habe ich ohnehin abgeschlossen. Ich will nach vorne sehen." Da seufzt Fabi wieder. „Das soll dir in erster Linie nichts sagen außer, dass du vorsichtig sein sollst. Das sage ich dir als Freund und als jemand, dem du viel bedeutest. Ich will nur, dass du endlich glücklich sein kannst."
„Das bin ich, ehrlich. Ich weiß das zu schätzen, Fabi, aber Alex und ich scheinen das zu meistern." „Er hätte ihn gemocht", spricht Fabi auf einmal das Thema an, das mir jederzeit das Herz bricht, „Tut mir leid, ich hätte das nicht sagen sollen." Fabi nimmt sofort meine Hand in seine und wischt die Tränen weg, die mir den Wangen entlang laufen. Ich sehe ihn traurig an und stürze mich letzendlich in seine Arme. Das hätte er wirklich, will ich sagen.
„Es tut mir übrigens leid, dass ich es ihm gesagt habe", gesteht mir Fabi, aber ich winke ab. „Das war richtig so. Ich war Alex gegenüber nicht fair und um ehrlich zu sein hat es mir geholfen also danke. Alex und ich haben den ganzen Abend noch zusammen verbracht." Als Fabi's Blick Enttäuschung wiederspiegelt könnte ich mir gegen die Stirn klatschen. Ich bin aber auch unsensibel. „Fabi, das hat nichts zu-" „Schon gut, Lu. Ich bin damals nur aus Australien zurückgekommen aber mein Bruder ist der Erste, den du am Todestag an dich ranlässt. Monatelang schweigst du aber bei ihm..-"
„Ich weiß zu schätzen was du für mich getan hast, Fabi. Ich erinnere mich an alles. Dass ich ein paar Worte zu Alex gesagt habe war wahrscheinlich mehr Zufall als Schicksal." „Nein, ich weiß genau warum du mit ihm darüber reden kannst und mit anderen nicht", seufzt Fabi und lässt seinen Kopf in seine Hände fallen bevor er schwungvoll aufsteht. „Lass uns bitte ein anderes Mal weiterreden." „Okay", hauche ich besorgt und folge ihm nach drinnen.
Man, wie konnte ich das Fabi nur antun? Er ist derjenige, der sofort aus Australien abgereist ist, sobald Andreas ihn angerufen hat. Nicht einmal 24 Stunden nach dem Unfall war er zurück in München. Er war derjenige, der mit mir wöchentlich zum Grab gegangen ist und mit mir Blumen gekauft hat. Er hat es immer respektiert, wenn ich nicht reden wollte und zugehört, wenn ich in Erinnerung schwelgte. Er ist auch derjenige, der geduldig auf eine Nachricht von mir gewartet hat, nachdem der Todestag vorbei war. Und jetzt vertraue ich mich seinem Bruder an? Unabhängig von unserer Beziehung zueinander habe ich Fabi nicht fair behandelt und muss das wiedergutmachen.
„Du kannst wenigstens an einem Abend deinen trauernden Blick ablegen", unterbricht Mike meine Gedanken. „Ich bin nicht traurig, Mike, ich bin nachdenklich", korrigiere ich ihn höflich, auch wenn es ihn nichts angeht. Ich muss mir erst über meine Fehler Fabi gegemüber Gedanken machen, bevor ich mein Verhalten richtig ändern kann. Langfristig kann das nicht so weitergehen.
„Das Schauspiel kauft dir doch keiner mehr ab, Luisa. Ja, Leo ist tot. Und jetzt? Soll jetzt jeder um dich herum sein Leben damit verbringen, ihm nachzutrauern? Ist es das was du willst?" „Beim besten Willen, Mike, lass es einfach gut sein. Ihr dürft alle gerne glücklich sein, ich halte euch nicht davon ab. Ich hindere dich auch nicht weiter daran, glücklich zu sein. Aber lass mich bitte dann auch in Ruhe so sein wie ich sein möchte."
„Wenn du deine gefälschte Trauer mal ablegen würdest, hätten wir alle mal unsere Ruhe. Als ob du überhaupt um Leo's Tod trauerst. Eine Woche, zwei Wochen, okay, aber Jahre? Es gibt doch in diesem Raum keinen, der dich noch ernst nimmt." „Allerdings", höre ich Fabi's Stimme und sehe wie er zu uns stößt. Dabei sieht er Mike wütend an. Da reicht's mir. „Ich würde an deiner Stelle aufpassen, Mike. Ein falsches Wort von dir und.. Es kostet mich nur einen Anruf und dein Vater verliert seine Firma und du dein Erbe", warne ich ihn leise und ruhig, doch das macht ihn nur wütender und Fabi sieht mich überrascht an.
„Das würdest du nicht.. Du weißt doch überhaupt gar nichts." „Allerdings. Mein Vater weiß alles. Was denkst du warum er dich so gern hat? Du redest viel mit ihm, aber hat er jemals darauf geantwortet oder nur zugehört? Denkst du wirklich er wäre so erfolgreich wie er jetzt ist, wenn er andere nicht beobachtet und ihnen zugehört hätte?" „Du bluffst", entgegnet mir Mike mit bösem Blick, hat sich aber etwas beruhigt.
„Nein, Mike. Ich bin nicht mehr die brave Luisa, die macht was andere wollen. Wenn du mir auf so respektlose Weise entgegentrittst und dich nicht von mir fernhälst, kann ich dafür sorgen, dass du es tust." „David würde nie mit dir-" „Ach, du denkst mein Vater hat keine Absicherung? Wir reden vielleicht nicht über Haustiere oder über's Kochen.. aber er redet gerne und viel über's Geschäft und auch wenn ich es nicht für berechtigt halte vertraut er mir doch am meisten. Er hat mir alles gesagt, Mike." Natürlich sind in der Zwischenzeit auch Maxi und Lea in die Küche gekommen. Eigentlich das perfekte Bild.. alle eigentlich mal befreundet gewesen. „Lu-"
Fabi wird natürlich von Lea unterbrochen, die mit ihrem Finger auf mich zeigt und mit der anderen Hand an Maxi hängt. „Wenn du nicht deine egoistische Phase hättest, wären wir alle nicht in der Situation, Luisa", wirft sie mir schon etwas hysterisch vor, „Du hast Mike betrogen und redest davon, dass er respektlos ist? Er ist derjenige, der wollte, dass dein Leben weitergeht. Nur Dank Maxi kannst du dein sorgloses Leben führen und Fabi muss sich alles von dir gefallen lassen. Du und Hannah, ihr macht einfach was ihr wollt. Dafür ist Leo's Unfall auch kein Grund mehr. Selbst Leo würde sich über dich beschweren!"
„Das reicht", beschließt Maxi auf einmal wütend und zieht Lea zurück. Hatte er mich verteidigt oder was sollte das? Das hat den Eindruck als müsse er seinen Hund zurückhalten. Fabi hat seine Hand auf meine Schulter gelegt, aber eine Sache möchte ich hier noch loswerden. „Das aus dem Mund der Person, die seit sie klein ist, meinem Bruder hinterherläuft. Du weißt doch ganz genau wie es läuft, Lea. Legst du dich mit uns an, bist du weg vom Fenster. Also bist du lieber seine Freundin, auch wenn du die halbe Zeit hysterisch schreist. Das ist doch das ganze Geld nicht wert." Zu meiner Überraschung sage ich das in einem ruhigen Ton und drehe mich danach einfach um und gehe mit Fabi in mein Zimmer.
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ANOTHER LOVE
RomanceEine flüchtige Bekanntschaft, die Spuren hinterlässt. Eine Familie, die sich selbst kaum erträgt. Ein Freund, der den Schein nach außen aufrechterhalten zu versucht. Geschwister, bei denen der Zwiespalt der Liebe nicht fern ist. / Luisa Diehn, Tocht...