Teilzeit-Arschloch

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Alex' Sicht:

Ich habe mir ja viele Gedanken um diesen Abend gemacht. Wie ich mich Lu's Eltern am besten vorstellen kann, welches Besteck man zum Essen nimmt, welche Wörter ich für heute Abend aus meinem Wortschatz streichen sollte. Solche Gedanken eben. Dass ich aber Lu's Bruder, der uns ohnehin nicht gerne zusammen sieht, beim Ausnüchtern helfen würde, hätte ich nicht erwartet. 

„Du freust dich jetzt sicher, dass ich meinen eigenen Geburtstag ruiniere", lacht Maxi auf und wirkt dabei eher traurig als belustigt. „Nicht wirklich", erwidere ich trocken und überlege wie ich ihm am schnellsten helfen kann. Ausziehen und duschen werde ich ihn nicht. „Ach komm schon. An deiner Stelle würde ich mich hassen. Ich bin ein scheiss Bruder, ich weiß. Oh, verzeih' mir meine Ausdrucksweise. Mutter würde durchdrehen. Meine Fähigkeiten als Bruder lassen zu wünschen übrig." 

So wie er über seine Ausdrucksweise spricht klingt es als müsste er mal von den Ansprüchen an ihn loslassen. Zum Glück ist das nicht meine Baustelle. Auch wenn ich das Gefühl habe, dass es langsam zu meinem Problem wird. „Na wenigstens ist es dir bewusst", seufze ich, „Gehst du dann bitte duschen?" 

„Damit ich das Schauspiel fortführen kann?", lacht Maxi weiter, „Lieber fährst du mich wegen einer Alkoholvergiftung ins Krankenhaus." „Das lass ich lieber Mike machen", entgegne ich irritiert, „Du wirkst nicht betrunken." „Ja, das ist mein Vorteil. Ich schwanke und rede undeutlich, aber ich kann noch denken. Umso schlimmer, dass ich ehrlicher werde." 

„Dein Schwanken war nicht zu übersehen", kommentiere ich, „Also wie gehen wir jetzt vor? Eure Eltern werden sicher langsam ungeduldig." „Noch was, Alex. Wenn ich getrunken habe, könnten mir meine Eltern nicht weniger egal sein. Denkst du ich habe Lust, das ganze Theater hier mitzumachen? Aber wer erfüllt die Träume unserer Eltern, wenn ich es nicht tue? Leo etwa? Ja genau", lacht Maxi auf und wälzt sich merkwürdig im Bett hin und her aber ich halte mich noch zurück, „Auf wen fällt es zurück, wenn ich in den Augen meiner Eltern nicht perfekt bin?" 

Maxi setzt an, um fortzufahren, aber ich nicke kaum merklich. Ich weiß was er mir sagen will. Wenn er das Leben nicht führt, das für ihn und Luisa bestimmt ist, dann ist sie die nächste. Er will sie auf seine eigene verkorkste Art und Weise schützen. „Irgendwie enttäuscht mich das jetzt", schmunzle ich, „Du spielst nur das große Arschloch, bist aber eigentlich nur allein." 

„Überraschung", grinst mir Maxi dämlich entgegen, „Ich bin enttäuscht davon, dass du mich nicht schlägst. Ehrlich, ich hätte mich verprügelt. Du bist vielleicht arm, aber du ähnelst Fabi und ich mag Fabi. Ein Wunder, dass der mich noch nicht verprügelt hat." „So wie du redest müsste man meinen, dass du der Arme bist, der nur auf eine Schlägerei aus ist. Hey, vielleicht würde dir das deine arrogante Art austreiben." „Sieh an, du bist ein Scherzkeks", grinst Maxi mir entgegen. 

„Also, was machen wir mit dir heute Abend?" „Für dich ist es am besten, wenn ich hier bleibe oder betrunken unten bin. Dann können sich meine Eltern mehr über mich als euch beschweren. Sie suchen ja nur nach Gründen, damit ihr euch trennt." So schlimm also. Ich bin zwar davon ausgegangen, dass sie nicht davon begeistert sein werden, wenn Luisa und ich zusammen sind. Dass ihr Leben aber so streng geplant ist hatte ich nicht angenommen. Da habe ich sie anders kennengelernt. 

„Mach bitte das, was heute Abend am wenigsten Probleme auslöst. Das würde deiner Schwester schon helfen", seufze ich. Maxi stöhnt genervt auf und hebt dann seine Arme in die Luft. „Was?", frage ich irritiert. „Ja hilf mir", ruft er mir entgegen wie ein kleines Kind. „Maximal das Shirt und die Hose", meine ich stirnrunzelnd. „Das ist ein Adonis-Körper", brummt Maxi beleidigt, als ich ihm das Shirt über den Kopf und die Hose an seinen Knöcheln entlang ziehe. 

„Geh jetzt duschen", bitte ich ihn. „Na gut. Aber verlass meine Schwester bitte nicht, egal was meine Eltern sagen. Ich weiß wie sie sich fühlt." „Was meinst du?", frage ich ihn verwirrt, aber Maxi geht schon ins Bad. „Ich wäre doch nicht bei Lea, wenn ich eine Wahl hätte", meint er kopfschüttelnd. Bevor ich fragen kann an wen er denkt ist er schon im Bad verschwunden.


„Wie hast du das gemacht?", fragt mich Luisa überrascht, „Maxi und du alleine in einem Raum ist ja schon eine Überraschung, aber-" „Er ist nicht so schlimm", stelle ich sanft klar, „Wir haben nur geredet. Ich denke das ist alles was er wollte. Einfach mal mit jemanden reden." „Denkst du etwa das hätte noch keiner versucht?", entgegnet mir Luisa missverstanden und nimmt sich schnell das nächste Glas Champagner von dem Tablett der Servicekräfte, „Denkst du-" 

„Hey, Lu, alles gut, okay?", unterbreche ich sie sanft und nehme ihre Hand in meine, „Du meintest doch, dass er ziemlich ehrlich ist, wenn er betrunken ist. Er will dich beschützen. Wenn er der arrogante Arsch ist, kannst du relativ frei sein. So frei es hier eben geht. Und ich denke, dass er in eine andere verliebt ist." 

„Weißt du in wen?", fragt mich Luisa sofort grinsend und sieht erleichtert aus. „Ich hatte keine Chance ihn zu fragen. In dem Moment ist er endlich aufgestanden und duschen gegangen." „Ihr habt ziemlich lange gesprochen", stellt sie fest und ich nicke. Das Ganze hier fühlt sich so surreal an. Die vielen Geschäftsleute, die wohl in der Minute so viel verdienen wie ich in einem Monat. Selbst das Personal wird wahrscheinlich mehr verdienen als ich. Ich klinge ja schon selbstbemitleidend. 

Mir geht es gut. Nur dieses ganze Schauspiel hier, wie es Maxi nennt, das ist verrückt. Er hat Recht. „Er ist für dich runtergekommen", lasse ich sie wissen, „Ich habe ihn darum gebeten, so zu handeln, dass es am wenigsten Probleme auslöst. Alles Weitere können wir ein anderes Mal besprechen. Auf jeden Fall haben wir uns in ihm getäuscht. Du bist ihm wichtig." „Danke, Alex", haucht sie berührt, „Danke für alles. Dass du hier bist, dass du meinem Bruder geholfen hast. Das bedeutet mir viel." „Na klar", lächle ich ihr entgegen, „Ich liebe dich, Lu." 

„Ich unterbreche euren emotionalen Moment nur ungerne, aber", stellt sich auf einmal Mike relativ respektvoll zu uns, „Danke, Alex. Also danke, dass du Maxi geholfen hast. Er unterhält sich nachher mit dem Vorstand." „Gern geschehen", erwidere ich irritiert über den letzten Teil seiner Aussage. 

„Vater wollte ihm die Firma doch erst übergeben, wenn er und Lea heiraten", wirft Lu ebenfalls verwirrt ein. Jetzt verstehe ich was los ist. Er weiß, dass Lu bei mir in guten Händen ist, also geht er den finalen Schritt. „Anscheinend schaffen sie das was bei uns nicht geklappt hat", vermutet Mike mit Blick auf Lu. 

Zum Kotzen wie gierig er sie noch ansieht. Liebe kann das meiner Definition nach nicht sein. „Hoffen wir, dass es bei euch auch so reibungslos läuft. Du kennst die Pläne deiner Eltern." Der erste Schritt ist also, morgen mit Lu über diese Pläne zu reden. Dann müssen wir einen Plan festlegen wie wir Maxi helfen und wie sie und ich zusammen ein Leben führen können, das nicht aussieht wie diese Feier. 

ANOTHER LOVEWo Geschichten leben. Entdecke jetzt