Eltern auf unterschiedlichen Seiten der Stadt

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„Schon die Tageszeitung gesehen?", fragt mich Alex direkt, als er bei mir zuhause ankommt und ich gerade meine Steuerunterlagen durchgehe, „Du machst deine Steuern selbst?" Das wollte ich noch erledigen bevor wir zu seinen Eltern fahren.

„Sehr lustig. Ich bereite nur die Unterlagen für den Steuerberater vor. Und gesehen habe ich die Zeitung erst, als mein Vater sie vor mir auf den Tisch geknallt hat", lasse ich ihn wissen und sehe zu ihm auf. „Klingt nicht so als hätte er sich darüber gefreut", meint Alex vorsichtig, „Du hast ihm zuvor noch nichts von mir erzählt?" 

„Er findet dich jedenfalls nicht so fotogen wie ich es tue", erwidere ich noch lustig bevor ich auf die ernst gemeinte Frage antworte, „Meine Eltern verdauen noch die Trennung von Mike. Für meinen Vater ist das nicht nur eine zwischenmenschliche, sondern auch eine geschäftliche Trennung. Ich hätte ihm liebend gerne vorher von dir erzählt, aber das ist bei uns kein leichtes Gespräch. Für meine Eltern sind alle privaten Entscheidungen zugleich geschäftliche. Mein Bruder bereitet sich bereits seit er Lea kennengelernt hat mental auf eine Hochzeit vor, die er so nicht plant, von meinen Eltern aber erwartet wird." 

„Das klingt als wären wir bei den Royals", schmunzelt Alex noch leicht, seine Mundwinkeln sinken aber wieder, als er merkt, dass ich es ernst meine, „Willst du mir sagen, dass wir nicht zusammen sein können?" 

„Nein, natürlich nicht", verneine ich schnell, „Ich wollte dir nur erklären wieso meine Eltern nicht begeistert waren. Ich werde sie noch dazu bringen, dass sie dir zu Füßen liegen." „Du hast ihnen aber hoffentlich gesagt, dass ich nichts von eurem Geld wusste und möchte, oder?" 

„Natürlich. Mein Vater hat das allerdings auf seine Art und Weise interpretiert. Aber genug davon. Wir kommen noch zu spät zu deinen Eltern", wechsle ich schnell das Thema. Alex durchschaut mich, lässt es aber in dem Wissen, dass es besser ist, zu.


„Luisa, schön dich endlich kennenzulernen", strahlt mir Alex' Mutter entgegen, als wir ihr Haus betreten, „Meine Söhne haben mir schon so viel von dir erzählt." Da ist es wieder, das schlechte Gewissen. Ich frage mich, ob sie weiß, was mit Fabi und mir passiert ist, oder ob er nur als Freund von mir erzählt hat. 

„Hallo", begrüße ich sie freundlich aber schüchtern und halte die Blumen in die Höhe, „Alex hatte mal erwähnt, dass Tulpen ihre Lieblingsblumen seien." „Oh Liebes, das wäre doch nicht nötig gewesen", winkt sie ab, nimmt die Blumen dann aber doch erfreut entgegen, „Die sind wunderschön. Du musst mir unbedingt sagen bei welchem Gärtner du die Blumen kaufst." 

Ob sie überrascht ist, wenn ich sage, dass ich sie bei unserem Personal machen habe lassen? Hannes, unser leitender Gärtner, hat mir ein paar Tulpen aus unserem Garten abgeschnitten. Solche, die schlecht genug aussahen, dass es meine Eltern nicht bemerken würde, aber gut genug, dass sie noch lange im Haus der Ebers als Dekoration dienen könnten. Alex wirft mir einen schmunzelnden Blick zu. 

„Ach, Susanne, lass das Mädchen doch in Ruhe ankommen", entgegnet ihr Alex' Papa, der zu uns kommt und mir ebenfalls die Hand reicht, „Christian." Ich lächle ihm freundlich zu und schüttele seine Hand. Meinen Namen kennt er ohnehin schon. Für ihn habe ich auch ein Geschenk dabei. Eine Zigarre aus Kuba, die mein Vater von einem Geschäftspartner aus Kuba zu Weihnachten geschenkt bekommen hat. Er raucht aber nicht. 

Alex meinte sein Vater würde zwar auch nicht rauchen, macht aber bei hochwertigen Zigarren eine Ausnahme, wenn es einen besonderen Anlass gibt. Christian sieht mich überrascht und zugleich begeistert an, bedankt sich und widmet sich kurz Alex. „Lass sie ja nicht gehen", warnt er ihn scherzhaft. 

Bald setzen wir uns schon im Esszimmer an den Tisch und essen gemeinsam. Wir haben so viele Gesprächsthemen und der Abend verläuft super. „Der Lielingsurlaub der beiden war wohl der Campingtrip 2002. Ihr wart damals so begeistert von dem Wohnwagen, den wir von unseren Freunden geliehen hatten", erzählt Susanne, als wir auf das Thema Urlaub zu sprechen kamen. 

„Wie schön, dass ihr campen wart", strahle ich Alex entgegen und blicke dann in die Runde, „Ich wollte immer campen gehen und war schon hellauf begeistert, als mein Vater einen Campingplatz gekauft hat, aber er ließ ihn umwidmen und hat ein Firmengebäude darauf errichtet", erzähle ich von meiner Kindheit und Alex' Eltern sehen mich zum ersten Mal überrascht an. 

Nachdem mir auffällt was ich da gerade gesagt habe, versuche ich mich zu erklären. „Entschuldigt bitte. Ich möchte nicht verwöhnt klingen. Es ist nur.. ihr habt eine wundervolle Beziehung zueinander. Das ist bewundernswert." „Deine Eltern lieben dich auch auf ihre Weise, Liebes", nickt Susanne liebevoll und legt ihre Hand für einen Moment auf meine. 

Ich weiß was sie damit sagen möchte. Ich hatte keine Kindheit, die von Liebe erfüllt war. Dafür hat es mir abgesehen von Liebe an nichts gefehlt. Mir wurde ein Bildungsweg ermöglicht, ich hatte etliche Spielzeuge und bekam jeden Morgen vom Personal ein besonderes Frühstück. Das ist ungewöhnlich. 

„Wann hat denn Fabi mal wieder ein Konzert?", fragt Alex in die Runde in dem Wissen, dass uns das alle interessiert. Fabi ist noch ganz am Anfang der Karriere oder möchte es immer bleiben. Die Club-Auftritte genießt er am meisten. „Er hat uns nur erzählt, dass er etwas plant, aber nicht was." 

Der Abend und die Gespräche verlaufen weiterhin gut und ich fühle mich äußerst wohl hier. Ich wusste nie wie sich eine normale Familie verhält. Eigentlich sind sie mein erster Kontakt zu Menschen, die nicht nur an Geschäfte und Gelder denken. Eine angenehme Abwechslung. Bei Mike war das Ganze weniger harmonisch und unterhaltsam. 

Sein Vater hat mich meist nur nach meinem Vater gefragt und sich nach den Geschäften erkundigt. Wenn ich so darüber nachdenke fällt mir ein weiterer Grund ein wieso ich die Beziehung mit Mike nicht hätte weiterführen können. So stelle ich mir mein Leben nicht vor. Mit Alex aber kann ich mir alles vorstellen.

„Sie ist wirklich höflich", höre ich Susanne über mich reden, als Alex und sie in der Küche stehen und ich gerade aus dem Bad zurückkomme. „Sie wollte euch eine kleine Freude bereiten", höre ich Alex und sehe ihn bildlich vor mir wie er schmunzelt. „Das hat noch keine deiner Freundinnen gemacht", stellt sie fest, „Du hast uns aber auch noch keine deiner bisherigen Freundinnen vorgestellt." 

„Weil das nie was Ernstes war wie es bei Lu ist. Natürlich wollte ich, dass ihr sie auch wegen ihrer Familie zuerst alleine kennenlernt, aber ich kann mir alles mit ihr vorstellen was mir bei anderen gefehlt hat und weswegen ich auch so lange gewartet hab bis ich mir sicher bin. Über zehn Jahre nur daten und dann treffe ich die Richtige." 

Ich lächle berührt von Alex' Worten und gehe zu ihnen in die Küche, damit es nicht zu einem Belauschen ausartet. „Kann ich euch noch helfen?", frage ich als hätte ich nichts gehört. Alex grinst mich an und ich weiß, dass er sich einen blöden Spruch verkneift. 

Wahrscheinlich denkt er daran, dass ich bis ich in meiner eigenen Wohnung gelebt habe, keinen Abwasch habe machen müssen. Ich musste ja nicht einmal kochen geschweige denn mir ein Brot für die Schule selbst machen. „Nein, Liebes, aber danke. Es ist schon spät", lächelt mir Susanne dankbar entgegen und ich nicke. 

„Sollen wir?", fragt mich Alex. Ich werfe einen Blick auf die Uhr und merke, dass es später ist als gedacht also nicke ich und verabschiede mich von seinen Eltern. „Du hast uns gehört, oder?", vermutet er, als wir im Auto sitzen. „Ich mochte was du gesagt hast", antworte ich stattdessen und wir sehen uns zufrieden und verliebt an. 

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