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Vorsichtig stieg ich von Hadrians Schoß und stand nun gegenüber von ihm. Mittlerweile verdeckte das T-Shirt wieder seine verbundene Wunde. Gespannt blickte ich zu ihm. Ich wollte eine Antwort. Ich war nicht dumm, um zu wissen, dass das an seinem Bauch keine normale Verletzung war. Irgendwas musste vorgefallen sein, als er unterwegs war und ich vermute nichts gutes.

Hadrian blieb weiterhin in seiner Position hocken, stemmte seine Arme auf die Knie und bedeckte mit seinen Händen sein Gesicht. Laut atmete er aus. Er musste wohl überlegen, wie oder was er mir sagen wollte, doch ich wollte die Wahrheit. Einfach nur die Wahrheit.

Allmählich wurde meine Geduld immer weniger. Um so länger er schwieg, umso mehr schlechte Gedanken kamen mir in den Sinn und ließen mich unruhiger werden. Als er auch noch weitere Sekunden, die sich für mich wie Stunden anfühlten, nichts sagte, musste ich wieder das Wort ergreifen. 

„Was hast du da gemacht, Hadrian? Und bitte lüg mich nicht an. Sag mir einfach die Wahrheit."

Einen leicht genervten Ton konnte ich mir nicht verkneifen. Hadrian nahm seine Hände vom Gesicht und blickte mir nun in die Augen. Es ist als ob ich Schmerz in ihnen sehen konnte. War es der Schmerz wegen der Wunde oder ging dieser Schmerz tiefer?

Laut atmete Hadrian noch einmal tief ein und aus. Er lehnte sich wieder an die Couch und legte den Kopf in den Nacken.

„Ich wurde angeschossen", kam es nach einer Weile kalt von seinen Lippen.

Es fühlte sich an, als ob mein Herz für ein paar Sekunden stehen blieb. Ich wurde angeschossen. Diese Worte sagte ich mir immer wieder in Gedanken. Hadrian wurde angeschossen und ich war so egoistisch und hatte geglaubt es würde um mich gehen, weswegen er nicht da war. Oh Gott das ist so peinlich. Ich bin eine schlechte Freundin, die sich nicht gut um ihren Freund kümmert. Kann ich eigentlich überhaupt irgendwas?

Als seine Worte bei allen stellen meines Körpers angelangt waren reagierte ich endlich, ging auf ihn zu und kniete mich vor ihn hin. Ich suchte nach seiner Hand und umklammerte sie mit meinen.

„Was ist passiert? Wie geht es dir jetzt? Warum sagst du mir denn nichts? Ich hätte mich um dich kümmern können", ratterte ich runter und suchte den Blickkontakt mit ihm.

Ich konnte nicht verhindern, dass eine kleine Träne meine Wange hinunter lief.

Nun schaute er mich wieder an.

Bei meinen Worten schmunzelte Hadrian leicht und wischte mir meine Tränen mit seinen Daumen davon.

„Mir geht es gut, Bella. Du brauchst dich um mich keine Sorgen machen."

Er sagte es so, als wäre nichts schlimmes passiert. Als ob er nicht hätte sterben können. Das irritierte mich etwas. Wie kann man mit einem Schuss in den eigenen Körper so locker umgehen?

„Natürlich mache ich mir Sorgen um dich. Du hättest sterben können. Du kannst doch nicht so tun, als ob es dich kalt lässt Hadrian."

Ich verstand ihn einfach nicht.

„Klar hätte ich sterben können. Doch das ist nicht passiert. Alles ist gut."

„Für mich ist es aber nicht gut. Warum schreibst du mir denn nicht oder rufst mich an? Ich hätte ins Krankenhaus kommen können und mich um dich gekümmert!"

Fest drückte ich nochmal seine Hand um ihn zu zeigen, dass meine Worte erst gemeint waren.

Auf meine Worte hin, lachte Hadrian falsch auf. Dieses Lachen war so falsch, dass mir mein Herz für eine Sekunde stehen blieb.

„Du bist einfach zu gut für alles, Aría. Denkst du ernsthaft, dass ich in einem Krankenhaus war mit einer Schussverletzung? In der Welt, in der ich momentan lebe, kann ich nicht einfach so in ein Krankenhaus spazieren und sagen "Ich wurde angeschossen", wenn ich noch selbst dafür verantwortlich bin."

Hadrian erhebt sich von der Couch, ging an mir vorbei und schlenderte in die Küche.

Ich blieb weiterhin auf dem Boden gekniet und starrte nun auf eine leere Stelle am Sofa.

„In was für einer Welt lebst du denn, dass du nicht in ein Krankenhaus kannst und warum bist du für deine Verletzung selbst verantwortlich? Ich verstehe gar nichts mehr", gab ich ehrlich zu.

Um so mehr er redete um so weniger verstand ich etwas. Warum kann man denn nicht in ein Krankenhaus gehen, wenn man angeschossen wurde? Dafür ist doch ein Krankenhaus da, dass einem geholfen wird.

Auf meine Frage hin antwortete er natürlich nicht. Doch ich werde jetzt bestimmt nicht nachgeben. Ich möchte es endlich wissen und nicht die ganze Zeit, um den heißen Brei reden. Was ist mit ihm passiert? Und warum kann er in kein Krankenhaus gehen? In was für einer anderen Welt lebt er denn? Klar, er verkauft Drogen, das ist mir bewusst. Doch ist die Welt dort so anders? Was ist daran denn so anders, ein paar Drogen zu verkaufen? Man hat zwar ein Risiko, dass man auf sich nimmt doch wenn man schlau ist und nicht erwischt wird, geht doch alles gut.

Ich stützte mich an der Couch ab und zwang mich nun ebenfalls auf die Beine. Ich wollte jetzt unbedingt eine Antwort haben. Etwas genervt und definitiv angespannt, ging ich zur Küche und beobachtete Hadrian, wie er sich eine Wasserflasche aus dem Kühlschrank nahm.

„Kannst du mir jetzt bitte meine Fragen beantworten?", fragte ich ihn und verschränkte meine Arme ineinander.

Hadrian drehte sich in meine Richtung, trank ein Schluck Wasser und fixierte mich dabei. Ich konnte seinen Blick nicht deuten. War er wütend oder genervt? Das konnte ich nicht sagen. Sein Blick war undurchschaubar, doch das hielt mich nicht davon ab ihn einen abwartenden Blick zu geben.

„Weist du... ich habe immer noch das Gefühl, dass du mich besser kennst, als ich dich. Ich weis so gut wie nichts, was du den ganzen Tag so treibst. Was deine Ziele für die Zukunft sind oder was du allgemein mal aus dir machen möchtest. Ich erzählte dir immer so viel über mich. Habe dir von vielen Dingen erzählt, die ich sonst immer nur für mich behalten habe. Du bist die einzige Person, die so viel über mich weis und der die ganze Wahrheit kennt. Und du? Du kannst mir nicht mal sagen, warum du angeschossen wurdest. Du öffnest dich mir gegenüber nicht. Willst du überhaupt mit mir sein?".
Zum Schuss hin wurde ich etwas leiser. Die Worte schmerzten mich, wenn ich daran dachte, dass Hadrian mich nicht so sehr will, wie ich ihn.

Zwei Schritte ging er auf mich zu, blieb aber dann stehen.

„Natürlich will ich mit dir sein. Diesen Gedanken solltest du niemals haben, dass ich es nicht möchte.
Aber es hat einen Grund, warum ich dir nicht alles erzähle. Manche Dinge verschweige ich für deinen Schutz, Aría. Du würdest mit der Wahrheit nicht klar kommen, weil du nicht in dieser Welt aufgewachsen bist."

„Woher willst du denn wissen, dass ich mit der Wahrheit nicht klar kommen würde? Du weist, was ich all die Jahre mit meinem Vater ertragen musste. Ich kann mit hässlichen Worten umgehen. Ich weiß, wie ich diese Sätze an mich ran lasse um nicht kaputt zu gehen.
Wir können uns nicht die Hälfte unseres Lebens verschweigen. Wie soll das auch gehen? So kann das zwischen uns nicht funktionieren. Also bitte sag mir jetzt endlich, wie das an deinem Bauch entstanden ist", forderte ich ihn nochmals auf. Nur dieses Mal etwas wütender.

Ich finde es nicht fair, dass er so viel über mich weiß und ich kaum etwas über ihn. So etwas will ich nicht. Ich will die Person in und auswendig kennen und nicht jedes Mal fünf Stunden diskutieren bis ich eine Antwort auf meine Frage bekomme. Von was will er mich denn schützen? Ich verstehe ihn nicht.

Nicht nur ich schien etwas wütend geworden zu sein. Auch Hadrian bebte vor Wut. Sein Blick war so finster, wie die Nacht. Aber warum war er jetzt so? Ich hatte Grund wütend zu sein, weil er einfach nicht seinen Mund aufbekam und mir meine Fragen beantwortete und nicht er.

Er klatschte plötzlich laut in die Hände, was mich kurz aufzucken ließ.

„Okay. Du willst es also wirklich wissen huh?"

Leicht nickte ich und starrte ihn an. Mit jeder Sekunde die verging, wurde er wütender und ich angespannter.

„Diese Schussverletzung hier.." Er zog sein Shirt etwas hoch damit ich es sehen konnte. „habe ich bekommen, weil es mein Ziel ist, die Mörder meiner Schwester ebenfalls zu töten. Ich war unachtsam und wurde deswegen angeschossen. Doch das macht nichts, denn sie sind alle tot. Und weist du was? Ich werde alle töten. Alle, die in der Verbindung mit diesen verfickten Clan stehen, durch den meine Schwester gestorben ist."

Der Hass in seiner Stimme war deutlich zu hören und nahm den kompletten Raum ein.

Brennende SeelenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt