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Ich traute mich nicht zuerst zu sprechen. Irgendwie hatte ich doch noch die Hoffnung, dass er was anderes fragen wollte. Gespannt, was er als nächstes sagen würde, schaute ich ihm in seine dunklen Augen. Er blickte mir tief in meine und versuchte mir mit seinen Blicken klar zu machen, dass ich reden soll. Doch ich blieb hartnäckig. Ich rede erst, wenn er mich fragt. Dieses Verhalten war so kindisch von mir, dass ich mich in Gedanken schon selbst auslachte.

Ungeduldig ging Hadrian auf und ab. Meine Blicke verfolgten ihn die ganze Zeit. Er hatte inmernoch das schwarze Hemd und die dazu passende Hose an, wie im Club vorhin. Sofort weiteten sich meine Augen, als ich mich fragte was ich anhatte. Vorsichtig fing ich an mich unter der Decke abzutasten. Als ich den vertrauten Stoff des Kleides spürte, erleichterte ich mich sichtlich.
Phuuu! Zum Glück. Ich habe immer noch  mein Kleid an. Das hätte mir jetzt noch den Rest gegeben, wenn Hadrian mich auch noch in Unterwäsche gesehen hätte. Dann wäre ich vor Scham wirklich aus dem Fenster gesprungen.

Der große muskulöse Mann vor mir stellte sich nun wieder in meine Richtung.
„Ich muss wissen wer es war.", gab Hadrian sichtlich angespannt hervor. Er versuchte ruhig zu bleiben, was ihn allerdings sehr schwer fiel.
Wieder fing ich an unruhig zu werden. Ich kaute auf meiner Unterlippe herum und spielte unter der Decke mit meinen Fingern. Meine Augen fixierten einzig und alleine die schöne Seidendecke, in der ich lag. Die eine Seite von mir wollte, dass ich es sage aber die andere schrie NEIN. Ich kannte ihn doch kaum. Er war ein Mann der mit Drogen handelte. Vielleicht war er ja sogar gefährlich und würde mir etwas antun. Eventuell sogar umbringen. Das bezweifelte ich zwar aber ich versuchte mir irgendwelche Ausreden einfallen zu lassen. Verzweifelt schüttelte ich meinen Kopf.
Ich war noch nie einen anderen Menschen gegenüber so ehrlich, weswegen es mir so unendlich schwer fiel. Ich hatte immer gelogen oder einfach die Wahrheit verschwiegen. Solchen Situationen konnte ich immer gut aus dem Weg gehen. Bis zu diesem Moment.

Auf einmal senkte sich meine rechte Bettseite. Hadrian hatte sich zu mir gesetzt und nahm seine Finger unter meinem Kinn. Er drückte sanft meinen Kopf in die Höhe, damit ich ihn ansehen musste.

„Aría, ich will dir wirklich helfen. Es kann aber nur besser werden, wenn du mir sagst, wer dir das angetan hat." Sanft redete er auf mich ein. Mann, er hat ja recht. Vielleicht tut es sogar gut, darüber zu reden. Lange Zeit blieb ich still, ich hatte einen Kampf mit mir selbst. Kurz schloss ich meine Augen, sprang einfach über meinen Schatten und redete los.

„Es... Es war mein ...Vater", nuschelt ich mit gesenktem Kopf und geschlossenen Augen. Ich wollte sie nicht öffnen. Am besten für immer geschlossen halten. Irgendwie war ich erleichtert, dass es endlich über meine Lippen gekommen war aber gleichzeitig hatte ich auch Angst vor Hadrians Reaktion. Es war mir wirklich schwer gefallen diese wenigen Worte laut aus meinem Mund zu hören. Bisher war mir dieser Satz nur tausende Male in meinen Gedanken gekommen aber es einer anderen Person anzuvertrauen war komisch doch zugleich befreiend. Als hätte ich einen Stein auf meinem Herzen gehabt, der nun etwas leichter geworden war.

Langsam öffnete ich wieder meine Augen und spähte fragend zu Hadrian. Mittlerweile hatte er seine Hand wieder von mir entfernt und starrte mit zusammengebissenen Zähnen Löcher in die Wand. Plötzlich stand er auf und schlug mit voller Wucht gegen die Wand.

„Ich bringe ihn um!", brüllte er und ließ mich vor Schreck zusammenzucken. „questo stronzo!", rief er nun erneut auf italienisch. Keine Ahnung was dieser Satz bedeutet aber ich denke, er war nicht äußerst nett gemeint. Hadrian ging mit geballten Fäusten Richtung Tür und wollte gerade verschwinden, als ich ihn dabei unterbrach.

„Wohin gehst du?", fragte ich etwas panisch, da ich schon ahnte, wohin er wollte.

„Ich muss was erledigen", gab er einfach nur als Antwort und verschwand sogleich ohne sich noch einmal zu mir zu drehen.

Oh nein! Ich hoffe er macht nichts dummes. Irgendwie hatte ich mit dieser Reaktion nicht gerechnet. Viele Szenarien hatten sich immer wieder in meinem Kopf abgespielt, doch diese war nicht einmal vorgekommen. Er war einfach gegangen ohne noch einmal zu mir zu blicken.

Ich konnte nicht einmal aufstehen und ihm hinterherlaufen. Was macht er denn jetzt? Ich hätte meinen Mund halten sollen. Ich hoffe er fährt jetzt nicht zu meinem Vater und falls doch, hoffe ich, er ist nicht da. Was ist, wenn Hadrian etwas passiert? Wenn mein Vater ihn genau so wie mich verletzen würde oder noch schlimmer?
Würde er überhaupt zu ihm fahren? Vielleicht war er ja auch sauer auf mich und wollte von mir weg.

„Hadrian?", rief ich wieder unter Panik, doch bekam keine Antwort.
„Scheiße!", fluchte ich in den leeren Raum hinein und klopfte angesäuert mit beiden Händen auf das Bett. Ich könnte ausflippen. Warum habe ich ihn nicht aufgehalten?

Hadrian's POV

Ich war so sauer. Am liebsten würde ich alles kaputt schlagen, was mir in die Quere kommt. Mit festen Schritten lief ich auf den Aufzug, der mich in die Tiefgarage führen würde, zu. Die Wut in mir stieg ins Unermessliche, als ich erfahren habe, wer sie so zugerichtet hat. Ich konnte nicht anders und musste von Aría weg. Sie sollte meine Laune nicht abbekommen. Sobald ich wieder zurück bin, würde ich mit ihr in Ruhe reden.

Viel zu langsam öffnete sich der blöde Aufzug und ich trat ungeduldig hinein. Ich betätigte den Knopf und der Lift fuhr geräuschlos nach unten.
In der Tiefgarage angekommen stieg ich in mein Auto und fuhr zu Arías Vater. Müssen wir nur hoffen, dass dieser Wixxer zu Hause ist.

...

Meine Wut war selbst nach der Autofahrt nicht verflogen. Ich hatte sogar das Gefühl, sie würde bei jedem Schritt näher zur Wohnung, steigen. Mit geballten Fäusten stieg ich die dreckigen Treppen hinauf. Vor der weißen Haustür betätigte ich die Klingel mehrmals nacheinander und hielt mit meiner anderen freien Hand den Spion zu. Er kannte mich zwar nicht, doch ich bezweifelte, dass er die Tür öffnen würde, wenn er jemand fremdes dort sehen würde. Weiterhin drückte ich die Klingel, welche dadurch ein dauerhaft schrilles Geräusch von sich gab.

„Jaaaaa", ertönte es genervt hinter der Tür. Immer näher kommende Schritte waren zu hören. Auf einmal öffnete sich ganz langsam die Wohnungstür und Arías Vater kam zum Vorschein. Ich überlegte nicht lange, sondern ballte meine Hand zusammen. Sofort landete meine Faust, mit voller Wucht in mitten seines drecks Gesichtes.

Brennende SeelenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt