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,,Ich hab dich; ich hab dich, Livy." flüsterte ich außer Atem, als mein Stiefvater Livy zu Boden geworfen hatte; ich sie mit meinen Armen aufgefangen hatte. Ich kniete auf dem Boden; schützte Livy mit meinem ganzen Körper. Meine hasserfüllten Augen trafen auf die Augen, die ich nie wieder in meinem Leben sehen wollte. ,,Alles in Ordnung, Livy?" fragte ich leise, als sie weiter in meinen Armen lag; ihr dunkles Haar über ihr Gesicht gefallen war. Sie mir keine Antwort gab. ,,Livy?"

,,Du bringst dich in solch eine Lage, bloß um dieses Mädchen zu retten? Sie ist nicht einmal Familie." witzelte Quentin herablassend, als ich Livys blasses Gesicht zwischen meine Hände nahm; sie sanft schüttelte. Ich beachtete meinen Stiefvater nicht; ignorierte wo ich nun war. Was hier geschah; ich welch einer Gefahr ich mich eigentlich befand. Selbst Draco konnte ich in diesem Augenblick keine Beachtung schenken, denn es war Livy um die ich mich nun am meisten sorgte.

,,Livy." flüsterte ich ganz zittrig; mit Tränen in den Augen. ,,Wach auf; öffne deine Augen, damit ich weiß, dass es dir gut geht, Kleine-"
,,-sie wird nicht aufwachen, Aurelia." unterbrach mich Quentin kühl, als er zu uns hinunter kam. ,,Du hättest wohl nicht so lange mit deiner Überlegung warten sollen. Wirklich schade; sie war wirklich ansehnlich."
,,Livy-" wisperte ich ängstlich und strich über ihre kalten Wangen. ,,-bitte; es tut mir leid. Schau mich an, verdammt!"

Doch ich würde keine Antwort mehr bekommen; nicht heute, nicht morgen, nie mehr. Ihr liebliches Lächeln war verschwunden; das neugierige Strahlen in ihren Augen erloschen. Ihre rosigen Wangen wurden immer blasser; ihre Haut immer kälter. Ich umklammerte ihren leblosen Körper ängstlich; versuchte noch völlig abwesend sie zu wärmen. Ihre Lippen wurden bläulich; ich sehnte mich nach ihren frechen Worten. Sie schlief nur; sie war bloß erschöpft. Ich redete es mir immer wieder ein; immer wieder. Sie war zu jung, um zu sterben. Viel zu jung.

,,Bringt sie runter; sie alle." forderte Quentin schnaubend, als er gemeinsam mit Alex zu Draco und Hermione ging; Ron mich an meinen Schultern von Livy wegzog.
,,Fass sie nicht an!" schrie Draco.
,,George; lauf!" schrie nun Hermione. Alles war so unfassbar durcheinander und unübersichtlich. Es geschah zeitgleich in Zeitlupe; und andererseits wieder in doppelter Geschwindigkeit. Ich verstand die Welt nicht mehr.

Ron zog mich grob von Livy weg; ich konnte dabei zusehen wie sie regungslos mit dem Kopf auf den kahlen Boden aufschlug. Ein maskierter Todesser hob sie hoch; warf sie über seine Schulter und verschwand mit ihr.
,,Wo bringt ihr sie hin?!" schrie ich rasend. ,,Fasst sie nicht an! Livy! Livy, wehr dich! Bitte!"

Ich begann zu weinen; zu schreien. Zu flehen; und zu fluchen. Ich trat um mich; ich schlug auf Ron ein. Keiner seiner Schläge konnte mich aufhalten; es war, als hätte ich eine kleine Schwester verloren. Eine Freundin; ein junges Mädchen, dass doch so sehr zu mir aufgesehen hatte. Und ausgerechnet ihr größtes Vorbild wurde ihr zum Verhängnis. Erneut trugen meine Hände das Blut eines liebenden Menschen.

,,Jetzt sei endlich leise!" knurrte Ron, als er mich weit unter diesem Raum in eine Art Kerker warf. Ich fiel zu Boden; lehnte meine Stirn gegen die nassen Steine und begann erneut zu weinen. 
,,Aurelia!" rief Draco lautstark, als er zu mir gerannt kam; mich augenblicklich zu ihm in seine Arme zog. ,,Aurelia; beruhig dich, bitte. Ich bin hier."

,,Sie ist tot!" weinte ich laut. ,,Sie ist tot, Draco! Sie ist tot; wegen mir! Sie, sie ist tot." wimmerte ich panisch, als er über mein schwarzes Haar strich; mich an sein Herz presste. Er sprach auf mich ein, dass konnte ich hören; doch der Wortlaut dieser gesprochenen Worte kam nicht an. Ich konnte ihn nicht verstehen; alles in mir blockierte jegliche Versuche mich trösten zu wollen. Livy war tot und erneut war ich der Grund dafür gewesen. 

Minuten oder gar Stunden; ich hatte bloß geweint. Ich hatte so viel geweint, bis es nicht mehr ging. Meine salzigen Tränen begannen allmählich auf meinen Wangen zu trocknen; meine Augen brannten wie Feuer. Noch immer lag ich in Dracos Armen; konnte Hermiones leeren Blick auf mir spüren. Meine Atmung verlangsamte sich wieder; mein Wimmern wurde leise. Nicht weil ich wollte, doch ich konnte nicht mehr.

Fear of HopeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt