Nach dem ausgiebigen Frühstück machen wir uns fertig und meine Mutter bittet mich, Finja mit ins Schwimmbad zu nehmen. Also mache ich sie auch fertig und es dauert alles etwas länger. Dadurch müssen wir zumindest nicht so ewig auf Natasha warten, die wie immer zu spät kommt.
Sie steigt extra aus, um meine Schwester in den Arm zu nehmen, was für Finja das Größte auf der Welt ist. „Na, kleiner Erdnussflip, wie geht es dir", fragt Nat und Finja fängt sofort an, ihr von ihren Wochen bei Oma und Opa zu erzählen. Eindeutig will meine Schwester Nat nicht wieder loslassen, weshalb meine beste Freundin mir ihre Schlüssel zuwirft. „Fahr du", meint sie und schenkt mir ein Grinsen. Sie weiß genau, dass ich noch immer böse auf sie bin dafür, dass sie Alice zu mir abgeschoben hat. Mit meiner Schwester in ihrem Arm kann sie meine Wut gekonnt umgehen. Widerwillig steige ich ein und warte, bis die anderen auf der Rückbank Platz genommen haben.
Per fängt direkt ein Gespräch mit mir an und schafft es, mich beim Fahren hin und wieder zum Schmunzeln zu bringen. Immer wieder fällt mir auf, dass er ganz anders als seine Schwester ist. Er wirkt ausgeglichen und mit sich selbst im Reinen, während sie so wirkt, als würde sie die ganze Zeit nur etwas vorspielen. Der Weg zum Schwimmbad ist nicht weit und wir haben Glück, dass wir schon früh da sind. Es ist noch nicht voll und wir finden einen guten Platz auf der Liegewiese. Bevor ich überhaupt mit den anderen reden kann, werde ich schon von Finja zum Kinderbecken gezerrt. Letztendlich ist es mir aber auch ganz lieb so, weil ich dann allen unangenehmen Gesprächen aus dem Weg gehen kann. Ich rutsche mit meiner Schwester ein paar Mal und helfe ihr dann, auf eine Gummifigur, die im Wasser treibt, zu klettern. Es macht Spaß mit meiner Schwester herumzualbern, doch nach einiger Zeit brauche ich eine kleine Pause.
Natasha kommt mir zum Glück zur Hilfe und geht mit Finja ein Eis kaufen. Ich laufe zurück zu unseren Handtüchern und schnappe mir meins, um mich abzutrocknen. Per ist nirgends zu sehen, doch Alice liegt einige Meter von meinen Sachen entfernt auf ihrem Handtuch und sonnt sich. Sie trägt einen roten Bikini, der zu ihren hellen Haaren und der hellen Haut echt gut aussieht. Ich merke, dass ich sie schon einige Sekunden ansehe und löse meinen Blick schnell von ihr. Zum Glück hat sie die Augen die ganze Zeit über geschlossen, sodass sie mein Starren nicht mitbekommt. Ich setze mich schnell hin und lasse meinen Blick über das Becken schweifen. Es sind mittlerweile mehr Leute im Schwimmbad und auf der anderen Seite der Wiese erkenne ich Victoria und ihre Freundinnen. Sofort schlägt mein Herz etwas schneller und ich werde nervös. Diese Wirkung hat Victoria schon so lange auf mich, dass ich gar nicht mehr weiß, wann es angefangen hat. Sie ist mit ihren Mädels und den Austauschschülerinnen hier und fast alle von ihnen sehen super aus. Als sie am Beckenrand entlanglaufen, pfeifen einige Jungs und ich kann es ihnen nicht mal verübeln. Ich lehne mein Kinn auf mein Knie und betrachte Victoria dabei, wie sie einen eleganten Kopfsprung vom Startblock macht. Wie kann jemand bloß so schön aussehen, bei allem, was er tut.
„Vielleicht solltest du sie mal ansprechen", ertönt eine Stimme neben mir und lässt mich zusammenzucken. Alice liegt nicht mehr auf ihrem Handtuch, sondern mustert mich wohl schon seit einigen Minuten. „Woher willst du wissen, dass ich das nicht längst habe?", frage ich aus Panik und laufe sofort leicht rot an. Sie schmunzelt nur und erwidert: „Immerhin bestreitest du es erst gar nicht." Mir fällt auf, dass sie jetzt eindeutig weiß, dass ich in Victoria verknallt bin. Mein Gesicht wird noch um einige Stufen wärmer und ich will am liebsten im Erdboden versinken.
„Hast du sie mal angesprochen?", fragt Alice weiter nach, obwohl ich offensichtlich nicht über dieses Thema reden will. Wieso interessiert sie sich plötzlich wieder für mich? „Falls du mehr Fakten über mich brauchst, um mich vor anderen bloß zu stellen, gibt es interessanteres als mein Schwärmen vor Vicky", sage ich bissig und das Lächeln verschwindet aus Alice Gesicht. Für einen Moment wirkt es so, als hätte sie ein schlechtes Gewissen, doch sie sagt nichts. Unser Gespräch ist beendet als Natasha mit meiner Schwester wiederkommt und mir ein Magnum Mandel reicht. „Verzeihst du mir?", fragt sie auf Deutsch, damit Alice es nicht verstehen kann. Ich brumme widerwillig, nehme das Eis aber trotzdem an. „Du wirst mir noch danken, vertrau mir", flüstert Nat und gibt mir einen Kuss auf die Wange. Dann setzt sie sich zu Finja und versucht sie davon abzuhalten, ihr halbes Eis auf dem Handtuch zu verteilen. Ausnahmsweise bezweifle ich wirklich, dass meine beste Freundin Recht hat. Ich will dieses Mädchen so schnell wie möglich raus aus meinem Haus haben.
Da meine Schwester versorgt ist, gehe ich nochmal runter zum Becken und schwimme einige Bahnen. Ich denke über Alice Worte nach und so wütend sie mich auch machen, weiß ich trotzdem, dass sie Recht hat. Es wird nie etwas mit Victoria werden, wenn ich nicht den Mut aufbringe, mit ihr zu reden. Als ich aus dem Becken zur Wiese laufen will, kommen mir Victoria und ihre Austauschschülerin entgegen. Ich schlucke, denke mir jetzt oder nie und sage: „Hey." Natürlich lächelt Victoria wie immer ihr wundervolles Lächeln und erwidert: „Hey Kyra. Ich habe gehört, was du für Kristen gemacht hast. Das ist echt cool." Ich lächele wie ein Idiot über ihr Kompliment und mein Herz klopft schneller in meiner Brust. „Morgen nach dem Spiel gehen wir noch zu mir, Alice wäre da bestimmt gerne dabei. Ihr könnt gerne auch Natasha mitbringen", sagt sie freundlich und ich kann mein Glück kaum fassen. Ich bringe nicht mehr als ein Nicken heraus, doch es reicht wohl, denn Vickys Lächeln wird noch etwas breiter. Sie fragt ihre Austauschschülerin, ob sie ein Eis will und ich sehe den Moment, um weiterzugehen.
„Bis dann", sage ich noch und laufe dann schnell zur Wiese. Noch immer schlägt mein Herz viel zu schnell in meiner Brust und ich kann nicht fassen, was gerade passiert ist. Ich habe es wirklich geschafft, mit Victoria zu reden und sie hat mich noch dazu zu sich nach Hause eingeladen. Es liegt vielleicht vor allem daran, dass die Freunde von Alice darum gebeten haben, aber trotzdem wird es das erste Mal sein, dass ich ihr Haus sehe. Als ich zurück zu unseren Handtüchern komme, machen sich die anderen langsam fertig, um zu gehen. Sie wollen zu Caleb, um Bundesliga zu gucken und ich sage sofort zu mitzukommen. Je länger wir nicht bei mir zuhause sind, umso besser. Natasha nimmt Finja an die Hand und folgen Per in Richtung Ausgang, sodass ich auf Alice warten muss.
Sie lässt mich mal wieder schön Zeit und bleibt kurz vor mir stehen. „Gern geschehen", murmelt sie mir zu und geht dann den anderen hinterher. Ich schüttele fassungslos den Kopf über ihre Arroganz und flüstere: „Miststück." Genervt gehe ich ihr hinterher und weiß doch, dass mich am meisten nervt, dass ich tatsächlich nur mit Victoria geredet habe, weil ich mir selbst etwas beweisen wollte.
Komischerweise waren mir solche Sachen sehr viel weniger wichtig als noch keine Schwedin bei mir gewohnt hat.
DU LIEST GERADE
Only the rain knows
RomanceKyra ist seit sie denken kann verknallt in ein Mädchen, das nicht mal weiß, dass sie existiert. Sie ist zu schüchtern, um den nächsten Schritt zu wagen, als aus dem Nichts jemand in ihr Leben tritt, der alles verändern wird. Es ist sehr viel leicht...