12.

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Wir laufen zur Bahn und Alice verbringt den Weg wieder damit, sich Häuser anzusehen. Immerhin muss ich so kein Gespräch mit ihr führen, was mich etwas erleichtert. In der S-Bahn fragt sie mich dann, welche die letzten Filme waren, die ich im Kino gesehen habe. Ich erzähle ihr von zwei Kinderfilmen, einem Superheldenfilm und einer Romanze und sie hört gespannt zu.

„Weißt du, was mein Lieblingsfilm ist?", fragt sie und ihr Blick provoziert mich förmlich, sarkastisch zu antworten. „Ich wette, es ist Girlsclub", erwidere ich und sie muss sofort lachen. Ich kann nicht anders, als zu lächeln, weil ihr Lachen so ehrlich klingt. Es erstaunt mich aufs Neue, wie sie von einer Sekunde auf die andere wie ein völlig neuer Mensch wirkt. In einem Moment kann sie mir das Gefühl geben, ein Niemand zu sein, doch im nächsten behandelt sie mich, als wären wir Freunde. Nicht umsonst habe ich sie auf der Party wirklich nett gefunden. „Da habe ich mir dann mein Vorbild gesucht?", fragt sie grinsend und ich nicke. Sie spielt auf meine Theorie über ihre Beliebtheit an und ich glaube mittlerweile noch mehr als zuvor daran. Denn sie hat mir bereits gezeigt, dass sie eine Zicke sein kann und durchaus genug Arroganz besitzt, um auf andere herabzusehen.

Sie lehnt ihre Stirn gegen die Stange, an der wir uns beide festhalten und fragt: „Was ist deiner?" Ich hebe abwehrend meine Hände und erwidere: „Ich habe deinen ja noch gar nicht erfahren." Wenn ich darüber nachdenken sollte, was mein liebster Film ist, bräuchte ich auch sicherlich mehr Zeit. Alice lächelt leicht und nickt: „Stimmt." Als ich gespannt eine Augenbraue hebe, fügt sie hinzu: „Ich mag Biografien. Bohemian Rhapsody hat mir gefallen." Ich nicke und lächele leicht, weil ich mich noch gut an den Film erinnern kann. Als wir an der Haltestelle bei der Schule halten, frage ich: „Sag mal spielt man bei euch den Babys im Bauch eigentlich ABBA vor?"

Ich höre, dass Alice auf dem Weg nach draußen wieder lachen muss, mich dann jedoch auch leicht schubst. „Okay, genug über mein Land und meine Arroganz hergezogen. Da du mich nachher lost bist, kannst du mir auch etwas über dich sagen", meint sie, während wir die paar Hundert Meter zum Sportplatz unserer Schule laufen. Ich sehe sie an und frage: „Was willst du wissen?" Sie überlegt kurz und meint dann, als wir an der Turnhalle vorbeigehen: „Sag mir, was dein liebster Platz hier in der Stadt ist." Ich erinnere mich daran, dass sie schon gestern gerne einen besonderen Ort gesehen hätte. Ich muss überlegen, da ich noch nie darüber nachgedacht habe, wo mein liebster Ort der Stadt ist. Bevor wir durch das Tor biegen, antworte ich: „Wir haben eine Burgruine am Rande der Stadt und wenn man sich nicht erwischen lässt, kann man vom Turm den Sonnaufgang sehen." Ein warmes Lächeln entsteht auf Alice Lippen und es löst etwas in mir aus, das ich nicht einordnen kann.

Schnell schaue ich weg und gehe weiter, um das Gefühl in mir zu unterdrücken. Von weitem sehe ich Caleb und die anderen Fußballer auf dem Feld beim Warmmachen. Ein Blick auf die Tribüne reicht, um Nat, Per, Mik und Ole zu finden. Ich laufe zu ihnen und Nat reicht mir direkt ihre Cola. „Hey ihr beiden", begrüßt Per uns und die anderen lächeln uns zu. Ich setze mich neben Nat und mache etwas Platz, damit Alice sich auch dazu setzen kann. Meine beste Freundin beginnt ausnahmsweise nicht direkt ein Gespräch, sondern rutscht unruhig auf ihrem Platz hin und her. Ich schmunzele leicht und lege meine Hand auf ihr Knie: „Sie werden schon gewinnen. Du weißt doch, wie viel sie trainiert haben." Sie nickt und zeigt auf einen Spieler des anderen Teams. Er ist groß, hat dunkle Haare und wirkt äußert unsympathisch.

„Du weiß noch als ich dir erzählt habe, dass ich kurz vor Caleb etwas mit diesem Typen hatte, als ich bei meiner Tante zu Besuch war?" Ich nicke und sie verzieht leicht das Gesicht: „Das ist der." Ich schaue von meiner Freundin zu dem Typen und muss mich zusammenreißen, um nicht zu lachen. „Dein Beuteschema hätte ich gerne", murmele ich und bekomme dafür einen Schlag gegen mein Bein. Ich verdrehe die Augen und reibe mir über die Stelle, um meiner Freundin dann doch gut zu zureden. „Weiß Caleb davon?", frage ich sie und sie nickt. Ich beobachte ihren Freund und sehe, dass er hin und wieder zu dem großen Typen rüber guckt. Zugegebenermaßen hätte ich auch Schiss, dass Caleb sich nicht im Griff hat. Er hat dieses Jahr schon eine rote Karte gesehen, weil er einen Gegner ziemlich übel umgetreten hat. Generell ist Caleb kein unfairer Spieler, doch er hat seine Emotionen manchmal nicht im Griff. „Das wird schon", versuche ich Nat zu beruhigen und sie nickt wenig überzeugt.

Only the rain knowsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt