Nach einer halben Ewigkeit des Wartens in der Notaufnahme und unzähligen Untersuchungen, kann ich mit Gehhilfen, einem Gips und einem Haufen Schmerzmittel wieder nach Hause. Mein Innenknöchel ist gebrochen und die Saison für mich gelaufen. Nat will mit zu mir kommen, doch ich schicke sie direkt wieder weg. Ich möchte nicht, dass sie den letzten Abend mit Per versäumt und nach einer kleinen Diskussion gibt sie nach. Die anderen sind beim Fußball geblieben und mittlerweile vermutlich schon wieder zuhause. Viele gehen heute Abend nochmal mit ihren Austauschschüler*innen und der Familie essen.
Ich bekomme viele Nachrichten vom Rest des Teams, von Toby, Victoria und sogar von Kristen. Alle erkundigen sich nach meiner Gesundheit und wünschen mir gute Besserung. Das Spiel ist noch unentschieden ausgegangen, obwohl meine Gegnerin für das Foul vom Platz musste. Emma schreibt mir, dass sie für ihre Reaktion gelb gesehen hat, weil sie meine Gegnerin geschubst hat. Es macht mich traurig, dass ich die Saison nicht mit den anderen beenden kann. In den letzten Wochen habe ich wieder so viel Spaß am Fußball gehabt und war auf dem Weg zu meiner Bestform. Obwohl meine Mutter ihr Bestes gibt, um mich abzulenken, habe ich viel Zeit nachzudenken. Die Schmerzmittel machen mich schläfrig, sodass der Abend im Halbschlaf an mir vorbeizieht. Immer wieder träume ich vom Fußball, von meiner Schwester und von Alice.
Obwohl sie mich noch gar nicht kannte, hat sie mich vor vier Wochen dazu gebracht, wieder Fußball zu spielen. Ich weiß nicht, ob sie einfach der emphatischste Mensch ist, den ich je kennengelernt habe oder ich auch ihre Ausnahme bin. Gestern bei der Party und heute beim Spiel wusste sie genau, was ich brauche, obwohl ich es nicht gesagt habe. Ich dachte mein Leben lang, dass Natasha die einzige Person ist, der ich genug vertraue, um ihr mein wahres Ich anzuvertrauen. Ich dachte immer, dass mich niemand so verstehen könnte, wie sie es tut. Es macht das ganze nicht gerade leichter, dass sie morgen früh wieder nach Schweden fliegen wird. Mehrmals überlege ich, ihr zu schreiben, doch meine Verfassung hält mich am Ende davon ab. Als die Schmerzen wieder heftiger werden, schmeiße ich mir noch mehr Tabletten ein und schlafe schon um halb neun ein.
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Die Nacht ist verdammt beschissen, sodass ich, sobald die ersten Sonnenstrahlen in mein Zimmer fallen, ins Wohnzimmer wechsele. Ich mache mir den Fernseher an und antworte Nat, die mir gestern Abend noch geschrieben hat, dass sie heute früh nochmal vorbeischaut. Gegen halb neun steht meine Schwester auf und schaut mit mir das Kinderprogramm auf dem ZDF. Sie weckt meine Mutter als sie Hunger bekommt, sodass ich auch meinen Kaffee erhalte. „Wie sind die Schmerzen?", fragt meine Mutter mich, doch ich zucke nur die Achseln. Mit den Tabletten ist es auszuhalten, doch es nervt mich jetzt schon, dass ich mich kaum bewegen kann.
„Und wie geht es dir damit, dass das Mädchen, in das du verknallt bist, heute wieder nach Hause muss?", fragt meine Mutter, nachdem sie auf dem Sessel neben mir Platz genommen hat. Wie immer bin ich super schlecht darin, meine Gefühle zu verstecken und laufe rot an. Ich verenge meine Augen etwas und murmele: „Darüber will ich nicht reden." Leider hat Finja ausnahmsweise zugehört und ihre Augen werden ganz groß. Sie klettert neben mir aufs Sofa und fragt: „Ist Ally deine Freundin?" Ich schüttele seufzend den Kopf und wünschte, meine Mutter hätte dieses Thema gar nicht angeschnitten. Der Ausdruck meiner Schwester wird enttäuscht und es tut mir leid, dass ich ihr keine Freude machen kann. Also stupse ich ihr auf die Nase und flüstere: „Sie ist doch schon deine Freundin." Sofort werden ihre Augen wieder etwas heller und sie springt aufgeregt vom Sofa.
Keine zwei Minuten später kommt sie mit einem Blatt Papier zurück und hält es mir hin. „Kannst du ihr das geben?", fragt sie und ich betrachte das kleine Kunstwerk in meinen Händen. Sie hat ein Bild gemalt, auf dem wir zu dritt auf meinem Bett liegen. In Allys Hand ist eine Gitarre zu sehen, aus der bunte Noten nach oben steigen. Ich kann nur schwer beschreiben, wie traurig es mich macht, dass ich es ihr nicht geben können werde. „Sie wird es lieben", sage ich zu Finja und sie grinst stolz. Als ich das Türschloss höre, fällt mir ein, dass ich das Bild vielleicht Natasha mitgeben kann.
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Only the rain knows
RomanceKyra ist seit sie denken kann verknallt in ein Mädchen, das nicht mal weiß, dass sie existiert. Sie ist zu schüchtern, um den nächsten Schritt zu wagen, als aus dem Nichts jemand in ihr Leben tritt, der alles verändern wird. Es ist sehr viel leicht...