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Am nächsten Tag gebe ich Nat ihre Karte und sie freut sich, als wäre es ein Ticket für ein Konzert von Taylor Swift. „Das wird so niedlich", sagt sie grinsend und ich nicke zustimmend. Wir quälen uns mehr oder weniger durch den Schultag, weil das Wetter draußen so schön ist.

Beim Fußballtraining sind alle topmotiviert, nur meine Laune sinkt, als Alice nirgends zu sehen ist. Ich hatte vorgehabt, sie nach dem Training zu fragen, ob sie Donnerstag mitkommen will. Wir machen eine Passübung, doch ich bin unkonzentriert. Meine Trainerin beobachtet meine Leistung kritisch und teilt danach Teams für ein Trainingsspiel ein. Als sie mir ein Leibchen reicht, meint sie: „Ich hoffe dein Trainingsbuddy verhilft dir zu mehr Konzentration."

Kurz runzele ich verwirrt die Stirn, dann spüre ich einen Arm um meine Schultern. „Sorry, dass ich zu spät bin", flüstert Alice mir ins Ohr und läuft dann grinsend weiter, um sich warmzumachen. Ich schaue ihr schmunzelnd hinterher und schnappe mir den Ball, um zum Anstoßpunkt zu gehen. Tatsächlich klappt beim Spielen wieder mehr bei mir und als Alice in mein Team kommt, beginnen wir miteinander zu zaubern. Sie geht eindeutig darin auf, immer einen Schritt schneller als ihrer Gegnerinnen zu sein und mir perfekte Pässe in die Tiefe zu geben. Als sie eine meiner Flanken mit ihrem Kopf versenkt, laufen die andere zu ihr und klatschen mit ihr ab.

Sie lacht auf so ehrliche Weise und sieht dabei so gut aus, dass mein Bauch anfängt zu kribbeln. Ich muss an eins von Nats Lieblingsliedern denken, „Love Grows" von Edison Lighthouse und kann plötzlich sehr gut verstehen, was der Sänger damit meint. Wäre sie bloß immer so frei, keiner könnte sie nicht lieben. Als sie zu mir kommt, klatsche ich grinsend mit ihr ab und meine: „Gar nicht mal schlecht." Sie grinst nur und läuft rückwärts vor mir weg: „Du träumst davon, dass zu können." Schmunzelnd schüttele ich den Kopf und laufe ihr nach.

Nach dem Training laufen wir wieder zusammen zur Bahnhaltestelle, doch Alice hält mich am Arm fest bevor wir raus auf die Straße treten. „Musst du dringend nach Hause?", fragt sie und ich schüttele sofort den Kopf. Mir kommt eine Idee und ich grinse leicht, als ich frage: „Willst du ein Klischee ausleben?" Sie hebt neugierig eine Augenbraue, lässt aber direkt zu, dass ich sie an der Hand mit mir ziehe. Ich führe sie am Fußballfeld entlang hinter die Tribünen, wo es einen Zugang für den Bereich unter den Sitzplätzen gibt.

„Du willst unter der Tribüne rummachen?", fragt Alice lachend, woraufhin ich sie an ihrer Hand dichter zu mir ziehe. „Ich wollte eigentlich nur reden, aber wenn du da andere Vorstellungen hast", sage ich möglichst unschuldig, was Alice nur noch mehr zum Grinsen bringt. „Idiot", murmelt sie und schließt die Lücke zwischen uns. Noch immer erzeugen ihre Lippen sofort eine Gänsehaut an meinem Körper und Schmetterlinge in meinem Bauch. Ihre Haare sind noch feucht vom Duschen, doch sie fallen ihr trotzdem perfekt über die Schultern. „Du hast mir gefehlt", flüstert Alice zwischen unseren Küssen und ich muss darüber lächeln, dass sie sobald wir uns küssen zu einem Teddybären mutiert. Es ist, als könnte sie dann mit einem Mal nicht mehr so tun, als wäre sie eiskalt. „Du mir auch", erwidere ich und schmiege mich für einen Moment an ihren Hals.

Dann löse ich mich ein Stück von ihr und sage: „Ich habe etwas für dich." Noch immer hat sie ihre Arme um meine Hüfte geschlungen und fragt gespannt: „Ach ja?" Ich greife in meine Jackentasche und reiche ihr die kleine Eintrittskarte, auf der natürlich nur deutsche Sachen draufstehen. Sie beäugt sie neugierig und sieht mich dann fragend an. „Meine Schwester hat sich gewünscht, dass du zu ihrem Theaterstück kommst", erkläre ich und sofort weiten sich ihre Augen erstaunt. Sie hält sich ihre Hand vor ihren Mund und Tränen steigen in ihre Augen. „Was?", fragt sie ungläubig und es rührt mich, wie viel es ihr zu bedeuten scheint. Sie betrachtet die Karte noch einen Moment, schaut mir dann in die Augen und wirft sich um meinen Hals. Lachend erwidere ich ihre feste Umarmung und genieße den Duft ihres Parfums.

„Ich liebe es", flüstert sie in mein Ohr und ich weiß nicht, ob ich schon häufig stolzer war als in diesem Moment.

Only the rain knowsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt