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Der nächste Schultag verläuft ziemlich unspektakulär, da ich Vicky nur in einem Kurs sehe und wir uns dort nur von weitem ein Mal anlächeln.

Caleb will mich zwar zwischendurch ausfragen, doch Nat verbietet es ihm direkt. Mit ihr habe ich schon gestern Abend telefoniert, da ich dringend irgendwem von dem Kuss auf der Wange erzählen musste. Den Rest des Abends habe ich bei meinen Erzählungen etwas ausgeschmückt und mittlerweile denke ich auch selbst anders darüber. Es ist nur logisch, dass man beim ersten Treffen nicht sofort erkennt, was einen verbindet. Nach der Schule fahre ich direkt mit zu Nat und wir bestellen uns mit ihrem Vater und Per etwas zu Essen.

Gegen späten Nachmittag kommen auch Kristen und Alice, da sie ausnahmsweise nichts mit Victorias Freundinnen machen. „Ich schwöre, jeden Tag könnte ich es nicht aushalten Ambers Geschichten zu hören", beschwert Kristen sich auf Deutsch bei mir und Nat, nachdem wir uns alle in Nats Garten gesetzt haben. Per spielt mit Nats Vater Darts, Alice sitzt neben Kristen mir gegenüber und versteht logischerweise kein Wort. Als ich leicht über Kristens Aussage schmunzeln muss, runzelt sie fragend die Stirn. Früher wollte Kristen immer unglaublich gern mit Amber und den anderen befreundet sein, doch scheinbar hat sich das geändert.

„Naja, aber als guter Gastgeber macht man das wohl so", meint sie und zeigt dann äußert auffällig mit ihrem Blick auf Alice. Die legt ihren Kopf leicht schief und ich spüre, dass es mir nicht gefällt, wie Kristen sich verhält. Ich habe keine Ahnung wie das Verhältnis der beiden ist, doch selbst wenn Kristen meistens nur die arrogante Seite von Alice erlebt, sollte sie nicht in ihrer Anwesenheit über sie reden, ohne dass sie es verstehen kann. Ich wende mich kurzerhand an Alice und frage: „Kicker-Revanche?" Sofort leuchten ihre Augen auf und sie nickt mit dem Anflug eines Grinsens auf den Lippen. Als ich zu Nat schaue, zwinkert sie mir unbemerkt zu und ich bin erleichtert, dass sie die Situation genauso wie ich empfunden hat. Wenn wir weg sind, kann Kristen sich zumindest ordentlich bei Nat über alle anderen auslassen.

Ich laufe zu dem Kicker, der seit wenigen Wochen auf Natashas Terrasse steht, weil uns die Idee von Caleb ziemlich überzeugt hat und Alice folgt mir. Nachdem ich den Ball eingeworfen habe, fragt sie: „Was hat sie über mich gesagt?" Ich wechsele mit meinen Händen die Spieler und tue so, als hätte ich keine Ahnung, wovon sie spricht. In ihrem Blick sehe ich jedoch sofort, dass sie mich durchschaut. „Seit wann behandelst du mich denn schonend?", fragt sie und ich muss leicht schmunzeln. Im Grunde hat sie Recht damit, dass es mir noch vor zwei Wochen ziemlich egal gewesen wäre, wenn Kristen schlecht über sie geredet hätte.

„Sie kann nur Amber nicht leiden", sage ich und Alice nickt, während sie ein Tor macht. „Ich eigentlich auch nicht", gibt sie zu und ich muss über ihre Ehrlichkeit lächeln. „Aber ich nehme an, dass du sie magst", schiebt sie hinterher und ich runzele fragend die Stirn. Sie zieht leicht die Schultern hoch und meint: „Naja, du magst ja auch Victoria." Für einen Moment höre ich verdattert auf zu spielen und bekomme direkt wieder ein Tor von ihr eingeschenkt. Schnell fange ich mich wieder und fische den Ball unterm Kicker heraus. „Victoria ist anders als Amber", sage ich sofort und Alice hebt abwehrend die Hände. „Ich will dir ja nicht ausreden, sie gut zu finden, aber die beiden könnten genauso gut aneinander gewachsen sein. Wusstest du, dass sie sich jeden Morgen ein Bild von ihren Fingernägeln schicken, um zu gucken, welche besser aussehen?"

Verwirrt über die Information weiß ich gar nicht, was ich antworten soll. Immer noch spüre ich jedoch in mir den Drang, Victoria zu verteidigen und erwidere: „Und deine Freundinnen sind anders?" Seit langem entsteht auf Alice Gesicht wieder ein kühlerer Ausdruck und sie stoppt in ihrer Bewegung. Sie lehnt sich leicht vor und fragt herausfordernd: „Oder meinst du eher, dass ich genauso oberflächlich bin?" Etwas in mir blockiert meine Fähigkeit, sie anzulügen und aus Mangel an Alternativen, zucke ich nur die Achseln. Da verschränkt sie ihre Arme und meint: „Wo ich Victoria doch so sehr ähnele, wie kann es da sein, dass ich weiß, dass du es nie aushalten könntest, mich gut zu finden?" Mein Mund klappt leicht auf und ich brauche einen Moment, um zu verarbeiten, was sie da gesagt hat. Es reicht ihr wohl als Antwort, da sie nur die Augen verdreht und rüber zu ihrem Bruder geht.

Immer noch verwirrt, stütze ich mich auf dem Kickertisch ab und frage mich, ob sie recht hat. Victoria ist oberflächlich, aber sie hat auch so viele gute Eigenschaften. Ich muss automatisch daran denken, wie Alice mit meiner Schwester umgeht. Auch sie hat gute Eigenschaften und doch hat sie Recht. Vom ersten Tag an wollte ich verhindern, dass ich anfange, sie zu mögen. Warum aber macht es mich stolz, Victoria gut zu finden, während ich es nicht aushalten könnte, das Gleiche für Alice zu empfinden. „Kiki, hilfst du mir mal?", reißt Nats Stimme mich aus den Gedanken und ich bin dankbar, dass ich mich mit dem Schleppen von Getränken ablenken kann.

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Wir sitzen noch draußen, bis die Sonne untergeht und Nats Vater uns eine seiner kleinen Erfindungen zeigt. Er war früher tatsächlich hauptberuflich so etwas wie ein Erfinder, weil der Verdienst und das Erbe von Natashas Mutter ausreichten. Mittlerweile ist er Mitinhaber einer großen Firma und hat nur noch selten Zeit zu tüfteln. Umso schöner ist es, ihn mal wieder mit einer seiner Ideen zu erleben. Er hat einen kleinen Roboter gebaut, der sich durch die Energie der Sonne auflädt und Dinge an Wände projektzieren kann.

„Seine Spracherkennungssoftware ist sehr gut und ich habe ihn so programmiert, dass er zehn verschiedene Sprachen erkennen kann", erklärt er und fordert dann Per auf, ihm etwas auf Schwedisch zu befehlen. Lächelnd kommt Per der Bitte nach und kurz darauf bewegt sich der kleine Roboter auf Nat zu und projektziert auf ihren Arm einige schwedische Wörter. Wir alle schauen gespannt dabei zu und lächeln über die süße Maschine. Als Nat fragend eine Augenbraue hochzieht, meint Alice neben ihr: „Es bedeutet in etwa, dass du keinen Musikgeschmack hast." Meine beste Freundin schaut Per empört an, doch er grinst nur.

Wir dürfen alle ausprobieren, dem kleinen Kerl etwas zu befehlen und es ist unglaublich schön Nats Vater in etwas so aufgehen zu sehen. Hin und wieder erwische ich mich selbst dabei, wie ich Alice ansehe, doch sie ignoriert mich gekonnt. Generell redet sie nicht viel und wenn dann nur mit ihrem Bruder auf Schwedisch. Als Kristen aufbrechen will, besteht sie darauf, mich nach Hause zu bringen, damit ich keine Bahn fahren muss. Ich finde auf die Schnelle keinen Grund, nein zu sagen, sodass ich kurz darauf mit ihr und Alice im Auto sitze. Kristen redet auf Deutsch mit mir und kurz habe ich das Bedürfnis, es zu unterbinden. Dann sehe ich jedoch, wie unbeteiligt Alice aus dem Fenster schaut und denke mir, dass es ihr vielleicht ganz recht so ist. Ich überstehe die Fahrt und putze mir bestimmt zehn Minuten lang die Zähne, weil ich so in Gedanken versunken bin.

Ich weiß nicht mehr, wann meine Schwärmerei für Vicky angefangen hat und warum ich sie damals gut fand. Mittlerweile ist mein Körper so sehr auf sie eingeschossen, dass ich nicht mehr rational erklären könnte, was mich von ihr überzeugt. Sie ist immer nett zu jedem und setzt sich für viele Leute ein. Außerdem sieht sie umwerfend aus. Letzteres trifft auch auf Alice zu, doch sie ist nur die Hälfte der Zeit ein netter Mensch. Ich weiß nicht mal, wann sie ehrlich zu mir ist und wann sie möglicherweise einfach nur mit mir spielt, weil sie es kann. Es fällt mir an diesem Abend unglaublich schwer, einzuschlafen, weil ich wie vor zwei Wochen Nerven habe, die blank liegen.

Wieso geht mir dieses Mädchen so sehr unter die Haut mit ihrer gespaltenen Persönlichkeit und ihren blöden Theorien über mein Liebesleben.


Only the rain knowsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt