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Tatsächlich sitzen wir kurz darauf in einer Art Limousine und Kristen geht darin sofort auf. Sie redet mit dem Fahrer, während Per sich an uns wendet.

„Bevor wir zu uns fahren, machen wir einen Stopp beim Club meiner Eltern. Ally hat ein wichtiges Spiel, deshalb ist sie nicht hier", erklärt er und mein Herz klopft bei der Erwähnung ihres Namens sofort höher. Nat nickt nur und beginnt dann etwas Smalltalk mit ihm zu führen. Die Fahrt dauert nur wenige Minuten und endet vor einem riesigen Gebäude mit Mamorsäulen, in das Leute mit schicken Trainingsanzügen ein- und ausgehen. Kristens Augen werden immer größer, als wir durch eine große Eingangshalle hindurchgehen und den Außenbereich der Anlage betreten.

Per führt uns an einigen Golfplätzen vorbei und wirkt dabei alles andere als stolz. Nat schmunzelt hin und wieder über einige der Leute und knufft mir freundschaftlich in die Seite, damit ich lockerer werde. Ich versuche zu lächeln, doch es fällt mir unglaublich schwer. Zum Glück ist Kristen zu sehr damit beschäftigt, alles um sich herum zu bewundern und Per damit, sich für seinen Reichtum zu schämen, um irgendetwas zu bemerken. Wir kommen zu einem Bereich mit einigen Tennisplätzen, auf denen bereits fleißig gespielt wird. Auf den vorderen Plätzen spielen nur Männer gegeneinander und Per führt uns daran vorbei zu einem Platz, auf dem besonders viele Zuschauer sind. Er zeigt uns auf der Tribüne einige Plätze, die wohl extra für uns frei gehalten wurden und legt dann seine Hand auf die Schulter eines großen Mannes in der Reihe vor uns. Der dreht sich um und muss gar nichts sagen, um uns klar zu machen, dass er sein Vater ist. Er hat seinen Kindern eindeutig seine Augen vererbt und als er lächelt erkenne ich auch sofort, woher sie ihre charmante Art haben. Er reicht uns allen die Hand und stellt sich als Markus vor.

„Meine Frau holt gerade Sekt um den Sieg nachher gebührend zu feiern", erklärt er und zeigt dann aufs Spielfeld. Auf der einen Seite des Spielfelds steht eine dunkelhaarige Frau, die bestimmt zwei Köpfe größer als ich ist und ziemlich wütend aussieht. Und auf der anderen Seite steht das wahrscheinlich schönste Mädchen, das ich je gesehen habe. Alice. Mein Herz stolpert, nein es fällt meterweit in die Tiefe. Alice in ihrem Element und in einem verdammt kurzen Rock mit ihren langen Beinen. Sie hält den Ball einen Moment lang in der Hand, fixiert ihre Gegnerin mit einem konzentrierten Blick und schlägt dann auf. Es dauert nur wenige Ballwechsel, bis sie den Punkt macht und mit einem werbereifen Lächeln die Faust in die Luft reckt. Ihr Vater nickt nur, während Per glücklich klatscht.

Nat stupst mir in die Seite und murmelt: „Selbst ich finde das irgendwie heiß." Ich verdrehe die Augen, obwohl sie absolut Recht hat. Alice spielt ihre Gegnerin ohne Mühe in Grund und Boden und sieht dabei umwerfend aus. Ich wusste es bisher nicht, aber Tennis ist ab jetzt wohl mein Lieblingssport. Alice gewinnt das Match und bekommt ordentlich Applaus von der Tribüne. Ihr Blick wandert zu ihrem Vater, der ihr zunickt und dann weiter zu Per. Als sie mich erkennt, meine ich ein kleines Zucken in ihren Augen erahnen zu können, doch sie kann es gut überspielen. Unser Blickkontakt wird unterbrochen, als eine Frau mit einer Flasche Champagner zu uns kommt.

„Hallo, ihr müsst unsere deutschen Gäste sein", sagt sie mit einem starken Akzent und reicht uns ebenfalls die Hand. Sie stellt sich als Anna vor und es ist kein Rätsel mehr, woher Alice ihre schönen Haare hat. Anna ist sicherlich schon Mitte vierzig, doch sie wirkt wie Ende Zwanzig. Sie trägt einen schicken Hosenanzug und man merkt ihr sofort an, dass sie, wenn sie will, sehr respekteinflößend sein kann. Als Alice zu uns kommt, zieht ihre Mutter sie in eine kurze Umarmung und gibt die Flasche Sekt dann an den Herrn, der uns hergefahren hat. „Gutes Spiel, aber arbeite an deiner Rückhand", sagt Markus mit einer gewissen Strenge in der Stimme, als er seiner Tochter auf die Schulter klopft.

Da ich bereits zu Stein erstarrt bin, als Alice bei ihrer Mutter stand, drängt Nat sich an mir vorbei, um sie zu umarmen. „Hey, das war echt beeindruckend", sagt sie und Alice schenkt ihr ein nettes Lächeln. Kristen winkt ihr kurz, ist jedoch mehr damit beschäftigt, Per über den Club auszufragen. Alice sieht mich einen Moment lang an und ich vergesse, wie man atmet. Ich habe so lange darauf gewartet, sie endlich wieder zu sehen. „Hey", sagt sie nur und ich spüre, wie mein Körper langsam aus seiner Trance aufwacht. Gerade als ich reagieren will, kommt der Typ, der die ganze Zeit neben Markus gesessen hat, hinter ihm hervor und legt seinen Arm um Alice Hüfte. Für einen Moment fühlt es sich an, als würde die Zeit stillstehen. Ein Brennen durchzieht meine Brust als er ihr einen Kuss auf die Wange gibt und irgendetwas auf Schwedisch sagt. Ihre Eltern lächeln darüber, ich will am liebsten kotzen. Bis eben hatte ich den jungen Mann überhaupt nicht beachtet, doch jetzt fallen mir seine markanten Gesichtszüge und seine perfekt liegenden blonden Haare schmerzhaft ins Auge. Er schaut in die Runde und sein Lächeln wirkt auf unerträgliche Weise echt nett.

Only the rain knowsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt