Wir verbringen noch einige weitere schöne Tage an der See und zuhause bin ich fast jeden Tag bei Nat. Wir liegen oft an Calebs Pool oder gehen abends ins Kino.
Zum ersten Mal treffe ich mich auch allein mit Toby und er zeigt mir einen Raum in seinem Haus, den ich noch nicht kenne. Es ist das alte Musikzimmer seines Großvaters, der eine beachtliche Sammlung von Schallplatten und einen wunderschönen Plattenspieler besaß. „Du bist die einzige Person, der ich einen angemessenen Musikgeschmack zutraue von meinen Freunden", gibt Toby zu und ausnahmsweise schätze ich eins seiner Komplimente. Wir probieren alle möglichen Platten aus und es wird zu einer Aktivität, die wir in den Ferien noch oft wiederholen. Wir sitzen auf den Sesseln oder liegen auf dem Boden und lauschen einfach nur den schönen Klängen aus den Siebzigern und Achtzigern. Manchmal fängt Toby an zu tanzen und ich lache ihn dann aus, bis ich meine Gehhilfen loswerde und selbst mittanzen kann. Er zeigt mir eine Seite an ihm, die ich sehr zu schätzen lerne und nach der Hälfte der Sommerferien kann ich ihn zu meinen besten Freunden zählen, ohne dabei meine Augen verdrehen zu müssen.
Nat liebt die neue Dynamik in unserer Freundesgruppe und ihre neue Freiheit mit Caleb. Sie fühlt sich nicht mehr dazu verpflichtet, immer bei mir zu bleiben, weil ich mich auch bei Toby wohlfühle. Selbst mit Kristen verstehe ich mich besser, seitdem ich nicht mehr einfach das mache, was sie will. Ich sage ihr gelegentlich meine Meinung und sie kann erstaunlich gut damit umgehen. Selbst mit Caleb führe ich häufiger auch Gespräche zu zweit und es ist sehr niedlich, wie er denkt, er würde Nat besser kennen als ich. Manchmal tue ich extra überrascht, wenn er mir Sachen erzählt, die ich schon seit Wochen weiß. Dann fühlt er sich besonders und diese Genugtuung lasse ich ihm gerne. Wir führen wieder ein, dass meine Familie jeden Freitag zusammen mit Nat und ihrem Vater kocht oder Essen bestellt und es wird zu meinem Lieblingstag in der Woche.
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Es sind nur noch zwei Wochen bis zu unserem Flug nach Schweden, als Alice mir nicht mehr auf meine Nachrichten antwortet. Ich probiere mehrmals, sie anzurufen, doch sie nimmt nicht ab. Als ich Nat frage, was ich tun soll, ist sie ausnahmsweise überfragt. Sie schreibt gelegentlich mit Per und bietet mir an, bei ihm nachzuhaken, doch ich lehne es ab. Ich weiß genau, dass Alice das nicht wollen würde und ich respektiere ihre Privatsphäre zu sehr. Im Laufe der Woche kommt dann doch eine Nachricht von ihr, in der sie schreibt, dass sie gerade sehr viel Stress in der Schule hat. Ich gebe mich widerwillig mit dieser Aussage zufrieden, weil ich nicht weiß, wie ich sie erreichen soll.
An einem heißen Sommerabend lädt Victoria uns alle zu sich ein und erstaunlicherweise ist die Stimmung wirklich angenehm. Vickys Freundinnen sind weniger anstrengend und ausnahmsweise auch für einen Spaß zu haben. Die meiste Zeit sitze ich bei Nat, Caleb und Toby und wir spielen Kartenspiele. Pascal setzt sich irgendwann zu uns und unterhält sich mit mir. Ich mochte ihn schon immer ganz gerne, weil er eine angenehme Ruhe ausstrahlt. Als ich mit ihm anstoße, fällt sein Blick auf meine Hand und seine Augen weiten sich.
„Ist das ein Alice?", fragt er neugierig und ich runzele leicht verwirrt die Stirn. Meint er, ob er von Alice ist und kann einfach kein Deutsch oder verstehe ich gerade irgendetwas falsch. Er sieht wohl meinen verwirrten Ausdruck, denn er fügt hinzu: „Mik hat mir von Pers Eltern erzählt und diesen krank teuren Schmuckstücken, die sie verkaufen." In meinem Kopf rattert es und ich brauche einen Moment, um zu kapieren, dass da durchaus eine Marke in dem Ring steht. Alice hat mir nie erzählt, was ihre Eltern machen, doch jetzt ergibt es Sinn. „Ich war mal auf der Website und es gibt wohl einen Ring, der ihr absoluter Topseller ist. Der sieht so aus wie deiner", sagt Pascal und ich nicke. Da ich keine Ahnung habe, wie ich ihm erklären sollte, dass ich so einen teuren Ring besitze, meine ich: „Verrückt, aber das muss ein Zufall sein. Der ist nicht so wertvoll." Pascal lächelt sofort und scheint mir zu glauben. Er wird von Nat ins Spiel integriert und wir reden nicht weiter über meinen Schmuck.
Ich komme an diesem Abend erst spät nach Hause, doch nehme mir trotzdem die Zeit im Internet nach schwedischen Edeljuwelieren zu suchen. Es dauert nicht lange und ich lande auf der Website, von der Pascal erzählt hat. Ganz oben springt mir ein Bild des Ringes an meinem Finger förmlich ins Gesicht. Ich tippe darauf und als ich die Zahl unter dem Foto sehe, fällt mir mein Handy aus der Hand. Ich hätte diesen Ring niemals einfach so getragen, wenn ich gewusst hätte, wie wertvoll er ist. Ist Alice völlig bescheuert, mir so etwas einfach so zu geben. Mein teuerstes Schmuckstück ist eine Kette von meiner Oma, die um die 300 Euro kostet und ich trage sie absolut nie. Ich habe mit diesem Ring abgewaschen, war mit ihm im Pool und habe ihn nicht mal abgezogen, als wir eine Sandburg an der Ostsee gebaut haben. Ich will gar nicht wissen wie viel Karat ich an meinem Finger trage.
5000 Euro. Wie kann etwas so Kleines überhaupt so viel Wert sein. Ihre Eltern haben ihre Tochter tatsächlich nach ihrem Geschäft benannt oder andersherum. Ich will mir gar nicht vorstellen, wie unglaublich reich diese Familie sein muss. Es muss ein Kulturschock für Alice gewesen sein, hier bei mir zu wohnen. Noch immer starre ich auf den Ring an meinem Finger und würde sie gerne fragen, ob sie komplett übergeschnappt ist. Ich bin mir jedoch sicher, dass sie nicht rangehen wird, würde ich sie anrufen. Also lege ich mein Handy weg und zerbreche mir weiter den Kopf darüber, warum sie mir ihren irrsinnig wertvollen Ring hier gelassen hat.
Ich weiß definitiv, was ich morgen Nat erzählen kann.
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Only the rain knows
RomanceKyra ist seit sie denken kann verknallt in ein Mädchen, das nicht mal weiß, dass sie existiert. Sie ist zu schüchtern, um den nächsten Schritt zu wagen, als aus dem Nichts jemand in ihr Leben tritt, der alles verändern wird. Es ist sehr viel leicht...