Am Tag vor der Hochzeit kommen viele der Gäste bereits an und wir gehen mit den Mädels essen. Selbst Victoria, die normalerweise überall auf der Welt außer hier ist, ist zuhause und feiert mit uns.
Als sie mich sieht, umarmt sie mich sofort und meint: „Hey Kiki, ich muss dir unbedingt jemanden vorstellen." Sie führt mich zu einer hübschen Frau mit dunkler Haut und schönen Dreads. „Das ist Shania, meine Freundin", stellt Vicky sie vor und ich kann ihr sofort ansehen, dass sie sehr verknallt sein muss. Lächelnd schüttele ich die Hand der Frau und frage die beiden danach, wie sie sich kennengelernt haben. Es ist eine süße Geschichte von einem Abend am Strand in Thailand und es erwärmt mein Herz zu sehen, wie glücklich Vicky ist. Die beiden reisen seit ihrem Kennenlernen zusammen um die Welt und sind überall und nirgends zuhause.
„Wie geht es dir? Hast du noch deine Schwedin?", fragt Vicky, doch ich schüttele den Kopf. „Mir geht es gut, aber ich habe niemanden im Moment", erkläre ich und Vicky schenkt mir ein nettes Lächeln. Sie drückt mit ihrer Hand kurz meine Schulter und holt dann eine neue Runde Getränke für uns. Ich setze mich zu Nat und meiner Mitbewohnerin Tina, die mittlerweile auch eine gute Freundin von Nat ist. „Per ist angekommen, aber Alice war nicht dabei", meint meine beste Freundin zu mir und ich spüre sofort, wie mein Herz einen kurzen Aussetzer hat. „Ich hatte noch keine Möglichkeit mit ihm zu reden, vielleicht gibt es eine Erklärung", fügt sie hinzu, doch ich winke nur ab. „Ist schon okay, morgen ist dein Tag", versichere ich ihr und lächele sie aufrichtig an. Ich freue mich sehr für Nat und Caleb und meine eigenen Bedürfnisse sind mir weniger wichtig als ihr Glück. Nat mustert mich noch kurz prüfend und nickt mir dann zu: „Ich liebe dich, Kiwi." Grinsend stoße ich mit ihr an und gebe ihr einen Kuss auf die Stirn: „Du wirst wirklich heiraten."
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Nats Hochzeitstag ist genauso wild und verrückt wie sie selbst und es ist absolut perfekt. Meine Mutter hilft mir dabei, mich fertig zu machen und mit vereinten Kräften bekommen wir auch meine Schwester in ihr Kleid. Sie ist ein wunderschönes Blumenmädchen und ich bin unglaublich stolz auf sie. Ich bin schon früh in der Location und rede nochmal mit allen Leuten, die irgendetwas falsch machen könnten. Es scheint ausnahmsweise alles nach Plan zu laufen und trotzdem ist Caleb unglaublich nervös, als ich zu ihm gehe. „Kiki, hast du eine Kippe für mich?", fragt er, während er in seinem Ankleidezimmer hin und her geht. Ich muss leicht schmunzeln und meine dann: „Ich habe glaube ich etwas Besseres." Ich lasse ihn für einen Moment allein und laufe hinaus auf den Innenhof des kleinen Schlosses, auf dem die beiden heiraten werden. Toby hatte mir eine SMS geschickt, in der stand, dass er jeden Moment hier sein würde.
Als ich ihn in der Eingangshalle stehen sehe, kommen mir fast die Tränen, weil ich ihn so vermisst habe. Er trägt einen schönen dunkelblauen Anzug und sieht damit aus wie ein echter Mann und nicht mehr wie der Junge, der er eigentlich ist. Als er mich sieht, öffnet er grinsend die Arme und meint: „Du siehst verdammt nochmal heiß aus." Lächelnd umarme ich ihn und gebe sein Kompliment direkt zurück. Er macht sich direkt auf den Weg zu Caleb, um ihn zu beruhigen, während ich zu Nat gehe. Meine beste Freundin sieht in ihrem Kleid wunderschön aus und ich fange sofort an zu weinen, als ich sie sehe. Auch bei der Trauung komme ich aus den Tränen nicht heraus und Toby hilft mir am Ende bei der Übergabe der Ringe. Meine Mutter und Bernd sitzen in der ersten Reihe und sehen unheimlich stolz aus, während Calebs Eltern zu jederzeit darauf achten, dass alle Gäste bestens versorgt sind. Als nach der Trauung alle Gäste zum Sektempfang ins Schloss gehen, nimmt meine Schwester mich an die Hand und wischt mir meine Tränen von den Wangen. „Jetzt ist Cal auch Teil unserer Familie", sagt sie lächelnd und ich nicke.
Mit einem Sektglas in der Hand stehe ich an einem Stehtisch und habe zum ersten Mal am heutigen Tag einen Moment zum Durchatmen. Mein Blick schweift über die Gäste und ich muss ständig lächeln. Kristen, Vicky und ihre Freundin, Toby, alle sehen umwerfend aus und wirken so glücklich. Wir alle lieben Nat und Caleb von ganzem Herzen und man kann es in der Luft spüren. Als ich Per bei Nat und Caleb erkenne, wird mein Herz etwas schwerer. Er sieht in seinem edlen Anzug wirklich gut aus, doch seine Gesichtszüge erinnern mich viel zu sehr an ihre.
„Eine wirklich schöne Feier", ertönt eine Stimme neben mir und ich verschütte fast meinen Sekt, weil ich zusammenzucke. Ich drehe mich und für einen Moment bleibt die Zeit um mich herumstehen. Sie ist wirklich hier. Ihre blonden Haare fallen ihr über die nackten Schultern, ein dunkelrotes Kleid betont ihre blauen Augen. Sie sieht genauso aus wie vor fast zwei Jahren, nur noch besser. Als sie leicht lächelt, erwache ich aus meiner Starre und meine: „Danke."
Sie hält ebenfalls ein Glas Sekt in der Hand und nimmt einen Schluck bevor sie mich mustert und meint: „Du siehst fantastisch aus." Ich spüre, wie ich sofort rot werde und wie ihre Stimme mir noch immer eine Gänsehaut beschert. „Bist du wirklich hier?", frage ich leise, weil ich es einfach nicht glauben kann. Ihr Blick zeigt mir, dass sie genau versteht, was ich meine. Langsam hebt sie ihre Hand und berührt sanft meinen Arm. Sofort kribbelt meine Haut und ich kapiere, dass ich es mir nicht nur einbilde. Alice ist hier und sie trägt noch immer ihren Ring. Aus Reflex greife ich nach meinem Helix und bringe sie damit zum Lächeln.
„Ich wusste, dass er dir gefallen würde", sagt sie und obwohl diese Aussage so arrogant ist, erfüllt sie mein Herz. „Entschuldigst du mich? Es ist unhöflich erst der Trauzeugin und dann der Braut guten Tag zu sagen", meint sie und ich nicke. Ich beobachte wie sie zu ihrem Bruder und dem Brautpaar läuft und noch immer kribbelt alles in mir. Ich habe sie so sehr vermisst und weiß nicht, wie ich damit umgehen soll, sie wieder um mich zu haben. Nat umarmt Alice lächelnd und wirft mir dann einen vielsagenden Blick zu. Da sie die Braut ist, unterdrücke ich es ausnahmsweise, meine Augen zu verdrehen. Ich werde erst von Toby, dann von meiner Mutter und schließlich von Nats Oma abgelenkt. Erst dann habe ich wieder einen Moment für mich und kann zwischen den Leuten nach Alice suchen. Als ich sie nirgends sehe, kommt etwas Panik in mir auf. Eine Hand greift nach meinem Arm und als ich mich drehe, steht Per vor mir. „Ich hatte noch keine Zeit, dir richtig Hallo zu sagen", meint er und zieht mich in eine herzliche Umarmung. Ich erwidere sie und will mich mit ihm unterhalten, doch er flüstert mir ins Ohr: „Sie ist auf der Terrasse." Als ich mich von ihm löse, zwinkert er mir zu und ich muss über die Art, wie er mich durchschaut, lächeln.
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„Ich sehe, dass der Umgang mit Menschen noch immer nicht zu deinen Stärken gehört", meine ich, als ich auf die Terrasse trete und Alice am Geländer stehen sehe. Sie dreht sich nicht zu mir, doch ich kann sehen, dass sie schmunzeln muss. Am Rücken zeigt ihr Kleid mehr Haut als mir lieb ist und ich muss schnell wegschauen, um nicht auf falsche Gedanken zu kommen.
„Es kommt auf die Menschen an", murmelt sie und schaut auf die Blumenbeete im Schlossgarten vor uns. Ich lehne mich neben ihr mit meinen Unterarmen auf die Brüstung und nicke. „Wie geht es dir?", frage ich und sie zuckt die Achseln. „Das hat mich lange niemand gefragt", gibt sie zu und ich bekomme sofort eine Gänsehaut. „Wie geht es dir?", fragt sie, anstatt meine Frage zu beantworten und ich seufze. „Gut", antworte ich und meine es auch so. Mein Leben ist gut, ich habe fast alles was ich brauche. Alice dreht sich mehr zu mir und schenkt mir ein Lächeln.
„Es ist wirklich schön, dich zu sehen", sagt sie und ich schlucke. Am liebsten würde ich ihr hier und jetzt sagen, dass ich sie noch immer von Herzen liebe und ich noch immer mein Leben mit ihr verbringen möchte. „Wie geht es Ivar?", frage ich, weil ich einfach wissen muss, ob sie noch immer mit ihm zusammen ist oder mittlerweile eine andere Beziehung hat. Alice schmunzelt leicht und sieht mir für einen Moment nur in die Augen. Dann wirft sie einen Blick auf ihre Uhr und seufzt. „Ich muss leider schon wieder gehen", meint sie und ich kann meine Enttäuschung schwer verbergen. „Darf ich dich umarmen?", fragt sie und ich nicke sofort. Sanft schließt sie ihre Arme um mich und ich muss mich sofort zusammen reißen, um nicht zu weinen. Ihr Duft ist mir so vertraut und die Wärme ihres Körpers an meinem bringt mich um meinen Verstand.
Ihre Hand streicht über meinen Hals und ich spüre ihren warmen Atem an meinem Ohr, als sie flüstert: „Es wird immer nur einen Idioten an meiner Seite geben." Dann löst sie sich von mir, lächelt nochmal und zeigt in Richtung Saal. „Irgendwann bist du das da drin", meint sie und lässt mich dann mit klopfendem Herzen zurück. Ich fühle mich wieder wie vor zwei Jahren, wie können meine Gefühle bloß immer noch genauso stark sein wie damals.
Ich verstehe Alice Worte in diesem Moment nicht und es soll noch einige Monate dauern, bis sich das ändert.
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Only the rain knows
RomanceKyra ist seit sie denken kann verknallt in ein Mädchen, das nicht mal weiß, dass sie existiert. Sie ist zu schüchtern, um den nächsten Schritt zu wagen, als aus dem Nichts jemand in ihr Leben tritt, der alles verändern wird. Es ist sehr viel leicht...