Ich kann nicht schlafen. Wie sollte ich auch nach allem, was heute Abend passiert ist.
Ich wurde von zwei Mädchen geküsst und von beiden auch verletzt. Vor einem Monat hätte ich nie gedacht, dass mir so etwas jemals passieren würde. Zwei Mädchen, von denen ich nie erwartet hätte, dass sie mich mögen könnten. Das Problem ist nur, dass ich mich wie immer für den schweren Weg entschieden habe. Wieso konnte das mit Victoria nicht einfach etwas früher passieren. Dann wäre ich jetzt mit Sicherheit mit ihr zusammen und würde meinen Traum leben. Warum ist mein Kopf so blöd, das alles jetzt nicht mehr zu wollen. Wie konnte eine Schwedin mein komplettes Leben auf den Kopf stellen, ohne dass sie es selbst je wollte. Hätte sie mich bloß weiter schlecht behandelt, vielleicht wäre ich ihr nicht verfallen. Zu spät.
Ich weiß, wie es ist, sie zu küssen und ich weiß, dass es sich mit Vicky nie so anfühlen wird. Wem will ich etwas vormachen, es ist nicht Vicky, in die ich verknallt bin. Wenn ich vergleiche, was in mir vorgeht, wenn ich Alice sehe mit dem, was ich immer für Victoria empfunden habe, bezweifle ich, dass ich jemals in sie verknallt war. Ich starre Ewigkeiten nur an meine Zimmerdecke und versuche meinen Kopf abzuschalten. Erst als Nat mir schreibt, dass immer mehr Leute nach Hause gehen und die Party dem Ende zugeht, beruhigen sich meine Gedanken etwas.
----
An diesem Samstag kommen meine Mutter und meine Schwester mit zu unserem Heimspiel. Finja ist ganz aufgeregt und strahlt übers ganze Gesicht, als ich ihr einen Slush kaufe. „Geh dich schon warmmachen, wir halten Plätze für Natasha und den Rest frei", sagt meine Mutter und ich lächele ihr dankbar zu. Meine Schwester streckt mir ihre blaue Zunge raus und ich tue es ihr gleich. Wir spielen heute gegen einen direkten Konkurrenten um die Meisterschaft. Eine Mannschaft, die uns technisch unterlegen ist, jedoch körperlich einiges Wett macht. Ich spiele nicht gerne gegen sie, weil sie mich meistens in Manndeckung nehmen und ich danach immer blaue Flecken an den Beinen habe. Emma motiviert uns schon beim Aufwärmen und macht uns heiß aufs Spiel. Die Tribüne füllt sich schnell, weil es für die meisten Austauschschülerinnen die letzte Chance ist, alle zu sehen.
Beim Einlaufen sehe ich Nat, Caleb und Toby bei meiner Mutter sitzen. Ich brauche einen Moment, um meine Schwester neben Per und Mik zu finden. Natürlich sitzt sie auf Alice Schoß und wirkt unglaublich glücklich. Sie winkt mir zu und Alice lächelt schief, was definitiv zu viel in mir auslöst. Ich winke schnell zurück und versuche mich dann wieder auf das Spiel zu konzentrieren. Sie hat mir gestern nicht mehr geschrieben und ich habe keine Ahnung, was jetzt zwischen uns ist. Heute Morgen hatte ich mehrere Nachrichten von Victoria, die sie mir mitten in der Nacht und vermutlich betrunken geschickt hat. Ich habe ihr nicht geantwortet, weil ich noch immer nicht weiß, wie ich mit ihr reden soll. Selbst wenn ich Alice vergessen muss, werde ich nicht mit Vicky zusammen sein können. Nat hat gestern Recht gehabt, sie passt nicht zu mir.
Wir klatschen mit den Gegnerinnen ab und bilden dann einen Kreis, um noch einigen letzten motivierenden Worten von Emma zu lauschen. Ich laufe auf meine rechte Seite und lockere meine Beine nochmal. Die Sonne steht hoch am Himmel als der Schiedsrichter die Partie anpfeift und Emma den Ball in unsere Reihen spielt. Wie zu erwarten ist das Spiel sehr körperbetont und mir steht ständig jemand auf den Füßen. Ich kann mich nicht so gut entfalten wie sonst und brauche einige Minuten, um mich daran zu gewöhnen. Leider fangen wir schon nach zehn Minuten ein Gegentor und laufen ziemlich viel hinterher. Als meine Gegenspielerin bei einem Pass nicht aufmerksam genug ist, klaue ich ihr den Ball und spiele ihn direkt scharf in die Spitze, wo Emma ihn zum Ausgleich einschieben kann. Die Zuschauer unterstützen uns und wir schaffen es, noch vor der Halbzeit eine echte Druckphase aufzubauen. Leider vergeben wir zwei dicke Chancen und es geht mit dem Unentschieden in die Pause.
Unsere Trainerin lobt uns und will, dass wir die Gegner verwirren, indem ich hin und wieder die Seiten wechsele. Ich trinke noch einen großen Schluck aus meiner Flasche und laufe dann auf die andere Seite. Dadurch spiele ich dicht vor der Tribüne und kann Nat hören, die mir zuruft, dass ich sie fertigmachen soll. Ich schaue zu ihr und sie prostet mir mit ihrer Cola zu. Caleb zeigt mir einen Daumen hoch, Toby zieht eine Grimasse. Für einen Augenblick sehe ich zu meiner Schwester, die jedoch damit beschäftigt ist, ihre liebste Schwedin voll zu quatschen. Meine liebste Schwedin. Alice erwidert meinen Blick und legt ihren Kopf leicht schief. Ob sie gerade an mich glaubt? Sie scheint auch auf die Entfernung aus meinem Gesicht lesen zu können, denn sie lächelt aufmunternd und legt sich zwei Finger an die Stirn. Wie ich es neulich nach unserem Treffen beim Spielplatz getan habe, salutiert sie mir und bringt mich damit leicht zum Grinsen. Ich erwidere die Geste und richte mich dann etwas mehr auf.
Solange ich auf mein Können vertraue, kann ich dieses Spiel für mein Team gewinnen.
DU LIEST GERADE
Only the rain knows
RomanceKyra ist seit sie denken kann verknallt in ein Mädchen, das nicht mal weiß, dass sie existiert. Sie ist zu schüchtern, um den nächsten Schritt zu wagen, als aus dem Nichts jemand in ihr Leben tritt, der alles verändern wird. Es ist sehr viel leicht...