17.

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Mit Per zu reden ist auf gewisse Weise wie mit Alice zu reden, doch gleichzeitig auch völlig anders.

Er ist nicht ansatzweise so sarkastisch wie sie, aber trotzdem lustig. Wenn er redet, habe ich das Gefühl, er würde jedes Wort auch so meinen. Er gibt mir ein angenehmes Gefühl und ich bin mir sicher, dass ihre Eltern eine wirklich gute Erziehung durchgezogen haben. Selten habe ich Menschen in meinem Alter kennengelernt, die so empathisch und höflich wie die beiden Geschwister sind. Alice war zwar schon öfters durchaus unhöflich zu mir, doch als wir uns kennengelernt haben war sie der Inbegriff einer Person, die man gerne um sich hat.

Ich spiele Karten mit Per und frage ihn einige Sachen über sein Zuhause, bei denen Alice immer abblockt. „Wir haben einen Hund und einen großen Garten, in dem wir als Kinder immer Fußball gespielt haben", erzählt er und ich frage, warum sie das jetzt nicht mehr machen. „Ich habe im Hockey meine Leidenschaft gefunden und Al hat nie im Verein spielen wollen. Tennis ist bei uns auch angesehener als Fußball und wenn du sie mal spielen siehst, wirst du es verstehen. Sie ist fantastisch." Ich muss darüber lächeln, wie er über seine Schwester redet. Man hört sofort, dass er sehr stolz auf sie ist und vermutlich auch immer noch zu ihr aufsieht. Ich würde gerne sehen, wie Alice Tennis spielt, doch dazu werde ich wohl nie die Möglichkeit haben.

Per legt eine weitere Karte und mir fällt wieder auf, dass er wirklich schöne Hände hat. Alles an ihm wirkt einen Tick zu perfekt und trotzdem ist er noch dazu unglaublich nett. Was ist der Haken an euch, denke ich mir innerlich. „Ich glaube übrigens, dass du meiner Schwester ganz gut tust", meint Per und bringt mich damit dazu erstaunt aufzusehen. „Ach ja?", frage ich und er nickt lächelnd. „Bei uns zuhause ist sie so unantastbar. All diese Nachläuferinnen, die sie ja doch irgendwie nicht kennen." Er wirkt nachdenklich und so, als würde er sich darüber sehr oft den Kopf zerbrechen. „Du gibst ihr kontra und das braucht sie. Egal, was sie versucht, lass dich nicht unterkriegen", sagt er und ich nicke, während ich eine Karte lege. Ich habe schon längst beschlossen, dass ich mir von ihr nichts gefallen lasse. Per bestätigt damit auch all das, was ich an Alice Freundinnen beobachtet habe.

Als meine Mutter mit meiner Schwester heimkommt, redet Finja gerade über Schloss Einstein, als sie Per sieht und direkt verstummt. Sie mustert ihn schüchtern und wirkt überfordert, als er ihr seine Hand reicht. „Hi, ich bin Per", sagt er, doch sie schaut nur hilfesuchend zu mir. „Wo ist Ally?", fragt sie und ich muss leicht lächeln. Ich winke sie zu mir und hebe sie auf meinen Schoß. „Ally kommt nachher wieder, Per ist ihr Bruder", erkläre ich ihr und sie nickt nervös. Ich erkläre Per auf Englisch, dass meine Schwester sehr schüchtern ist und er lächelt verständnisvoll. Finja krallt sich weiterhin in mein Shirt, ist aber neugierig genug, über ihre Schulter zum Schweden zu schielen. „Hallo", sagt Per diesmal auf Deutsch und sein Akzent ist wesentlich weniger vorhanden als bei seiner Schwester. Finja zögert kurz und erwidert dann ein leises: „Hallo."

Meine Mutter reicht Per die Hand und lädt ihn direkt dazu ein, bei uns mit zu essen. Sie macht etwas Musik an und bereitet einen Teig für selbstgemachte Pizza vor. Wir helfen ihr, indem wir Gemüse schneiden, womit Per relativ überfordert ist. Als ich seine missratene Paprika mustere, zieht er entschuldigend die Schultern hoch: „Sorry, wir kochen zuhause nie selbst." Ich schüttele schmunzelnd den Kopf und hebe Finja dann auf den Stuhl, damit sie die Pizzen belegen kann. „Was mag Ally am liebsten?", fragt sie in Richtung Per und er scheint auch ohne Übersetzung zu verstehen, was sie will. Er zeigt auf den Mais und dann auf die Pilze. Ich verziehe leicht das Gesicht und Finja sagt sofort: „Igitt." Nur meine Mutter grinst: „Na endlich habe ich jemanden auf meiner Seite." Sie ist sonst immer die einzige, die Pilze mag und bekommt deshalb nur einen kleinen Teil der Pizza mit dem Gemüse belegt. Finja quält sich sichtlich dabei, die Pilze anzufassen, will den Teil von Alice aber trotzdem allein belegen.

Only the rain knowsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt