Kapitel 1

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(M e l o d y )

"Ellenbogen, Summer", tadelte mein Vater meine kleine Schwester bei unserem gemeinsamen Abendessen. Sofort ließ sie ihre Ellenbogen unter dem Tisch verschwinden und entschuldigte sich, ohne ihn anzusehen. 

Erneut kehrte Stille ein - so wie jeden Abend, an dem wir zusammen aßen. 

"Wir sollten morgen dein Kleid zur Schneiderin bringen, Liebes", sang meine Mutter in meine Richtung und sah mich mit einem Lächeln an, das ihre Augen nicht erreichte.

Um eine Antwort heraus zu zögern, kaute ich extra lange auf meinem Salatblatt herum. Ein Kleid zur Schneiderin zu bringen bedeutete, stundenlang wie eine Puppe herumzustehen. Mal gefiel der Schneiderin etwas nicht, mal meiner Mutter. Und am Ende sah alles wieder aus wie am Anfang. 

Außerdem durfte ich vorher nichts essen oder trinken, denn das würde meine Maße verändern. 

"Sind wir schon wieder irgendwo eingeladen?" Fragend hob ich eine Augenbraue an. 

Was mir gar nicht gefiel, war dass meine Eltern in diesem Moment einen flüchtigen Blick austauschten und meine Mutter betrübt auf ihren Teller sah. 

Ein ungutes Gefühl breitete sich in meinem Magen aus, weshalb ich meine Gabel sofort beiseite legte. 

Fordernd blickte ich zu meinem Vater, der sich räusperte. "Die De Clares haben uns zu dem 20. Geburtstag ihres Sohnes eingeladen"

Familie De Clare war mit Abstand die einflussreichste Familie in London. Vermutlich sogar in England. 

Es gab kaum ein Unternehmen, welches nicht ihrem Einfluss unterlag und sie pflegten Kontakte zu der Königsfamilie. 

Sie waren umstritten, gab es doch Gerüchte über mögliche illegale Aktivitäten und Verknüpfungen zur russischen Mafia. Doch nie konnte etwas davon nachgewiesen werden. 

Das schlimmste an ihnen war, dass mein Vater für sie arbeitete. 

Über die Jahre war er ein enger Vertrauter für Richard De Clare geworden. Alles fing an, als ich noch sehr klein war. Richard De Clare war auf der Suche nach einem Buchhalter für eines seiner Unternehmen und mein Vater, der kurz zuvor seinen Job verloren hatte, bewarb sich auf die Stelle. 

Zur Überraschung meiner Eltern, denn mein Vater hatte keine herausstechenden Erfahrungen vorzuweisen, wurde er von Richard zu einem Gespräch eingeladen. 

Er bekam die Stelle, redete nur noch selten über seine Arbeit. Es würde mich nicht wundern, wenn mein Vater einer der Gründe war, weshalb den De Clares nie etwas Illegales bewiesen werden konnte. 

Von dem Moment an, in dem erden Job angenommen hatte, konnten wir ein sorgenfreieres Leben führen. Wir hatten genug Geld, um in einem Haus am Stadtrand zu leben und meiner Schwester und mir fehlte es an nichts. 

Während meiner Kindheit war ich dankbar dafür, doch je älter ich wurde, desto beklemmender wurde das Gefühl in meiner Brust. 

Vor ein paar Monaten kam mein Vater freudestrahlend von der Arbeit und verkündete, ich würde die Schule wechseln. Irritiert hatten wir drei ihn angesehen und dann erfahren, dass Richard De Clare dafür sorgen würde, dass ich eine der Stipendiatinnen im kommenden Jahr werden würde. 

Eine Stipendiatin einer Förderungsvereinigung, die hauptsächlich ihm gehörte. 

Den ganzen Sommer über habe ich mich geweigert, mich täglich mit meinem Vater gestritten und versucht einen Ausweg zu finden. Ich dachte, dass mich dort niemals jemand akzeptieren würde. Wie beschämend es sein musste, wenn alle anderen wussten, dass man sich diese Schule eigentlich nicht leisten konnte. 

Doch nichts davon hatte geholfen. Es hatte mein Verhältnis zu meinem Vater nur mehr verschlechtert. 

Mein Vater war ein emotionsloser, rationaler Mensch und wenn ich in die Augen meiner Mutter sah, ahnte ich dass das nicht schon immer so gewesen war. 

Dieser Job - und damit indirekt die De Clares - hatte meine Familie verändert. Meine Mutter hatte ein paar Mal versucht meinen Vater zu überreden, einen anderen Job zu suchen. Er antwortete immer, dass er das nicht könne und mittlerweile glaubte ich ihm. 

Er KONNTE es nicht. Wir waren abhängig von diesem Job, hing doch mittlerweile sogar meine schulische Bildung daran. Und vielleicht würden sie ihn gar nicht gehen lassen...

Ob meine Mutter dadurch eine Depression entwickelt hatte oder sich einfach mit ihrem Schicksal abfand, wusste ich nicht. Sie war sehr introvertiert und gab meinem Vater schon lange keine Widerworte mehr. Sie funktionierte einfach, hatte sich an das neue Leben und die neuen Herausforderungen gewöhnt. 

Ständig waren wir zu Veranstaltung von seiner Arbeit eingeladen und es passte mir also absolut nicht, nun auf den Geburtstag von Silas De Clare gehen zu müssen. 

Ich kannte ihn nicht, auch wenn wir auf eine Schule gingen. Silas war der beliebteste, so etwas wie ein König an unserem College. Er hielt sich an Orten auf, die ich gar nicht betreten durfte. Lediglich Dinge wie die Eröffnungsrede an zum neuen Schuljahr führte dazu, dass er und ich in dem selben Raum waren. Jedes Mal hatte ich seine unangenehme, dunkle Ausstrahlung gespürt und war froh, dass er mich keines Blickes würdigte. 

Silas De Clare konnte tun und lassen, was er wollte - und genau das tat er. Angefangen damit, dass er die Gepflogenheiten seiner Familie gebrochen und sich seinen Oberkörper fast vollständig tätowieren lassen hat, bis hin zu der Tatsache, dass er nachgemachte Schlüssel für die Schule besaß und regelmäßig Partys in den Gemeinschaftsräumen veranstaltete. 

"Wie wunderbar", murmelte ich als ich meine Gedanken wieder gesammelt hatte. Ich konnte nur hoffen, dass einer meiner Freunde ebenfalls durch die Eltern eingeladen worden war. 

Ich hatte zwar nicht viele Freunde an der Schule, doch es gab auch noch andere Stipendiaten, die dieses Leben nur aus Serien wie Gossip Girl kannten. Wir hatten sofort eine tiefe Verbindung. Andere wenige, die eindeutig mehr als nur reich waren, sprachen vermutlich mit uns, weil sie ihren Eltern eins auswischen wollten. 

Emma Lawrence war so jemand. 

Auch wenn ich anfangs wenig begeistert darüber war, war es dennoch schön jemanden zu kennen, der sich in dieser Welt aufgewachsen war und wusste, wie es lief. 

Und ich kannte das Gefühl zu gut, seinen Eltern eins auswischen zu wollen. Wir bildeten also eine Allianz, die für beide Seiten funktionierte. 

Ich nahm mir vor, Emma gleich nach dem Essen anzurufen und zu fragen, ob sie auch da sein würde. Wenn ja, wäre der Geburtstag nur noch halb so schlimm. 

Emma war unwahrscheinlich witzig und schlagfertig, schaffte es damit Menschen binnen kürzester Zeit in ihren Bann zu ziehen - und sie dann unter den Tisch zu trinken. 

Ein einziges Mal war sie auf der gleichen Firmenfeier wie ich. Den ganzen Abend über hatten wir uns in einem separaten Salon aufgehalten, zusammen mit anderen Freunden von ihr, die nicht auf unsere Schule gingen und wirklich nett waren. 

Wir hatten uns betrunken, unsere eigene Musik gehört und es war einer der besten Abende, die ich je hatte. 

Auch wenn mein Vater davon Wind bekommen und mich bestraft hatte... 

"Also schön, wann fahren wir morgen los?", fragte ich gedankenverloren und spürte, wie mein Kopf anfing zu schmerzen. 



Secrets of London I Dark Romance / AbgeschlossenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt