Kapitel 3

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( M e l o d y )

"Hast du eine Ahnung, wer der Typ war?", fragte Emma und schwenkte ihren Kaffee in dem Becher hin und her. 

Ich schüttelte frustriert den Kopf. 

Den Rest des Wochenendes hatte ich damit verbracht, über diese merkwürdige Begegnung nachzudenken. Als ich alles noch einmal in meinem Kopf durchspielte, wurde ich das Gefühl nicht los, dass dieser Typ mich beobachtet hatte. 

"Wie war es bei den De Clares? Ist ihr Haus wirklich so riesig?", fragte Maria, eine der anderen Stipendiatinnen. 

Wir liefen zu unserer ersten Unterrichtsstunde, während ich von der prunkvollen Eingangshalle, der gemütlichen Dekoration und dem riesigen Buffet berichtete. 

"Ich bin so neidisch", seufzte Leonora, die an unserer Schule als "Neureich" angesehen und deshalb von den anderen ziemlich verpönt wurde. 

Wir waren eine Gruppe von Außenseitern, auch wenn ich noch nicht wusste, wie Emma da hineinpasste. 

"Das nächste Mal musst du uns mitnehmen", fügte Maria schmunzelnd an. 

Ich hoffte, dass es kein nächstes Mal geben würde, sagte aber nichts. 

Wir bogen in den Flur ab, in dem wir die ersten zwei Stunden Geschichte haben würden. Ich öffnete die Tür, ließ die anderen durchgehen. Als ich ihnen folgte, warf ich einen letzten Blick über meine Schulter. 

Meine Augen trafen auf ein Augenpaar, welches direkt auf mich gerichtet war. Ein Typ lehnte einige Meter entfernt mit verschränkten Armen an der Wand. 

Als sich unsere Blicke trafen, zuckten seine Mundwinkel, dann stieß er sich von der Wand ab und ging weiter. Die Tür schloss sich hinter mir. 

Ich zog die Augenbrauen zusammen. War er der mysteriöse Typ, den ich auf dem Geburtstag gesehen habe? 

Wenn ja, dann hatte ich nun wohl offiziell einen Stalker. 

~

Im Laufe der Woche tauchte der unbekannte Typ nicht mehr auf. Langsam fragte ich mich, ob ich ihn mir nur eingebildet hatte. 

Jeden Freitag verließen die Schüler des Colleges ihre Schlafräume, um die Wochenenden zu Hause zu verbringen. Anfangs musste ich mich an diese umständliche Lebensweise gewöhnen, vor allem daran immer aus dem Koffer zu leben. War man hier, hatte man nie genügend Platz, um seinen Koffer vollständig auszupacken (wobei das Gepäck hauptsächlich aus den Uniformen für die Schule bestand), und sobald man zu Hause war, musste man erneut für die Schulwoche packen. 

Ich freute mich riesig auf einen gemeinsamen Abend mit meiner kleinen Schwester Summer. Jeden ersten Freitag im Monat verabredeten wir uns zu einem Kino-Abend. Wir suchten uns einen Film aus, bereiteten uns Popcorn vor und schauten ihn uns in einem Meer aus Decken und Kissen an. 

"Sollen wir dich mitnehmen?", fragte Emma, während sie ihre Tasche über ihre Schulter hievte. Eine der wenigen, die den Fahrer nicht anwies, ihre Tasche aus dem Schlafsaal zu holen. "Nicht nötig, danke", lächelte ich, denn freitags wurde ich stets von meiner Mutter abgeholt. 

Wir verabschiedeten uns und bald machte auch ich mich auf den Weg nach draußen. 

Die Flure waren bereits leer, verständlicherweise machten sich alle schnellstmöglich auf den Weg nach Hause. 

Ich summte eine Melodie vor mich hin, betrachtete die leere Flure und rechnete, wie viele Wochen es noch bis zu den Sommerferien waren. 

Es waren fünf. 

Secrets of London I Dark Romance / AbgeschlossenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt