Kapitel 6

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( S i l a s )

In Gedanken versunken schaute er in den Himmel hinauf. Die Nacht war sternenklar und kalt, doch das störte ihn nicht. Er stand in Jogginghose und einem T-Shirt auf dem Balkon. 

Der Abend war äußerst unbefriedigend für ihn gewesen. 

Melody Thompson war unbefriedigend. 

Er hatte nicht gewusst, wer sie ist, bis ihr Vater einen großen Fehler begangen hatte. Silas verfügte seit seinem 18. Lebensjahr über sein eigenes Vermögen. Er arbeitete mit seinem Vater zusammen, auch sein Geld floss in die Unternehmen. 

Und Harry Thompson hatte sein Geld verloren. 

Es war ein kleiner, für ihn fast umbeachtlicher Teil, doch für jemanden wie Harry Thompson ein Vermögen. 

Zitternd hatte er vor ihm und seinem Vater gestanden. Silas hatte ihn gefragt, wie er das jemals wieder gutmachen wollte. Er hatte gestottert und alle möglichen, absurden Vorschläge gemacht. 

Harry Thompson hatte Angst um sein Leben gehabt - und das absolut zurecht. 

Sein Vater, Richard De Clare, hatte Mitarbeiter für wesentlich kleinere Fehler zum Schweigen gebracht - und Silas kam sehr nach seinem Vater. 

Das einzige, was Vater und Sohn davon abhielten, ihn zu bestrafen, war dass er in den letzten 15 Jahren einwandfreie Arbeit geleistet hatte. Es wäre unsäglich zeitaufwendig, einen neuen Buchmacher zu suchen und einzuarbeiten. 

Doch irgendeine Strafe musste sein. 

Richard hatte ihm also einen speziellen Auftrag gegeben. Es ging um Urkundenfälschung. Würde Harry Thompson dabei erwischt werden, würde er für eine lange Zeit ins Gefängnis gehen. Und es stand außer Frage, dass er den Namen De Clare aus dieser Sache raushalten würde. 

Aber das reichte Silas nicht. Es war nicht an seinem Vater, ihn zu bestrafen, hatte Harry Thompson doch SEIN Geld durch die falschen Geschäfte verloren. 

Er erinnerte sich daran, wie oft er versucht hatte, Smalltalk mit ihm zu führen. Dass er ihm erzählte, wie gerne seine Tochter auf die neue Schule ging und dass er so dankbar für ihr Stipendium war. 

Also hatte Silas ihn angesehen und gesagt, er wolle seine Tochter haben. 

Harry wurde kreidebleich und schluckte schwer, als er diese Worte hörte. Er stotterte und Silas fragte ihn, ob er sich unklar ausgedrückt hätte. 

Er willigte ein. 

Silas hatte keine Ahnung, wer seine Tochter war. Er hielt sich nicht oft in den Hallen auf, in denen alle anderen waren. Er ging zum Unterricht, in den Gemeinschaftsraum der Abschlussklassen und in seine persönlichen Räumlichkeiten, in die nur ausgewählte Personen durften. 

Er hasste seine Schulkameraden. Ständig wollten sie seine Gunst gewinnen, plapperten ihm nach oder nervten ihn mit Dingen, die ihn nicht weniger hätten interessieren können. Es war erbärmlich und er war froh, dass er nur noch wenige Monate an dieser Schule verbringen musste. 

Um sich ein Bild von ihr machen zu können, hatte er sie zu seinem Geburtstag eingeladen. Er hatte nur einen kurzen Blick auf sie erhaschen können, da war sie schon wieder verschwunden.

Immerhin hatte er erkennen können, dass sie hübsch war. Sie hatte lange braune Haare, dunkelgrüne, große Augen und eine zierliche Figur. Er hatte vermutet, sie wäre ziemlich gewöhnlich, doch das war sie nicht. Sie strahlte etwas anderes aus. 

Leider musste er sich um die Gäste kümmern, die seine Eltern eingeladen hatten. 

Er hatte Saint gebeten, sie im Auge zu behalten. Dass er mit ihr gesprochen hatte, noch bevor er selbst es tun konnte, gefiel ihm überhaupt nicht. 

Secrets of London I Dark Romance / AbgeschlossenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt