Kapitel 86

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( M e l o d y )

Die Anziehungskraft, die wir in den ersten Tagen zueinander verspürten, schien bei Silas schlagartig verschwunden zu sein. 

Ich wurde das Gefühl nicht los, dass er mir aus dem Weg ging. Wir fuhren gemeinsam zur Arbeit, er küsste mich zur Begrüßung und zum Abschied, doch während der Arbeit sah ich ihn kaum, auch gingen wir nicht mehr zusammen Essen. 

Es war okay für mich, Silas war wieder da und das war alles, was zählte - doch ich fing wieder an, ihn zu vermissen, obwohl er da war. 

Außerdem hatte ich genug Zeit, um darüber nachzudenken, warum er sich so verhielt. Vielleicht hatte er Schuldgefühle wegen neulich Abend? Oder dieser Alltag war ihm einfach zu viel, nachdem er so viel durchmachen musste... 

Als er mich jedoch am Freitagabend allein nach Hause schickte, fasste ich seufzend einen Entschluss: Heute Abend würde ich die Initiative ergreifen. 

Ich würde mir ein schönes, provokantes Kleid anziehen und in seinem Zimmer auf ihn warten. Mir war egal, was wir dann machen würden, Hauptsache wir taten es zusammen. 

Eine halbe Stunde, die sich wie eine Ewigkeit anfühlte, wartete ich in einem roten, figurbetontem Kleid in seinem Zimmer, als ich endlich seine Schritte auf der Treppe hörte. 

Aufgeregt machte mein Herz einen Satz, tief in mir vergrub sich der Gedanke, er könnte mich abweisen. 

Silas betrat den Raum, war gerade dabei die obersten Knöpfe seines Hemdes zu öffnen, als er mich entdeckte. 

Er musterte mich, das Kleid, doch anders als ich es mir erhoffte hatte, erschien kein Lächeln auf seinen Lippen. 

"Du siehst gut aus", kommentierte er mit versteinerter Miene und schloss die Tür hinter sich. 

"Bist du dir sicher?", fragte ich mit nach vorne fallenden Schultern und setzte mich auf. Silas lief zu dem Tisch auf der anderen Seite und goss sich einen Whiskey ein. Mit dem Glas in der Hand setzte er sich auf den Sessel vor dem Fenster. 

"Klinge ich, als wäre ich unsicher?"

Ich schloss genervt die Augen, schüttelte mit einem seufzenden Laut den Kopf. Das war eine doofe Idee und ich wollte keinen Streit. "Alles klar", flüsterte ich traurig und stand von seinem Bett auf. 

"Kannst du mir wenigstens verraten, wieso du so bist?" 

Silas lehnte sich zurück. "Wie bin ich denn?"

"Abweisend und abwesend", antwortete ich und verschränkte schützend die Arme vor meinem Körper. Plötzlich war mir kalt und eine Gänsehaut breitete sich auf meinem Körper aus. 

Silas atmete laut aus, nahm einen großen Schluck von dem teuren Whiskey und starrte durch mich hindurch. Die Situation hatte etwas von unserer Anfangszeit, in der ich keinerlei Emotionen in ihm feststellen konnte. 

Dann schaute er mich an und sein kalter, warnender Blick machte mich nervös. "Also schön... Reden wir" 

Er lehnte sich vor, stützte seine Ellenbogen auf seinen Knien ab ohne unseren Blickkontakt zu unterbrechen. 

"Ich will alles wissen... alles was passiert ist, während ich weg war" 

Irritiert zog ich die Augenbrauen zusammen. "Wovon sprichst du?" 

Silas machte eine lange Pause, in der er mich fixierte und nicht blinzelte. 

"Was war zwischen Saint und dir?" 

Die Frage schlug wie ein Blitz in meinem Körper ein, schlagartig änderte sich die Luft um uns herum. Ich schaute beschämt zu Boden, hatte bewusst verdrängt, was geschehen war. Nicht, dass wirklich etwas gravierendes passiert wäre, doch es war auch nicht nichts, mit dem besten Freund seines Ehemannes in einem Bett zu schlafen. 

Secrets of London I Dark Romance / AbgeschlossenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt