Kapitel 56

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Nachdem Amin und ich uns noch ein wenig unterhielten, begaben wir uns wieder auf den Weg nachhause.
Zuhause wurde ich schon sehnsüchtig erwartet. Ohne ein Wort zu sagen ließ ich alles über mich ergehen. Sie steckten mich in mein Zimmer indem schon die Neggafa (marokkanische Make-up Artistin) wartete um mich herzurichten. Ohne sie zu begrüßen setzte ich mich hin und sie fing an mein Gesicht zu bepinseln. Was genau ich zu diesem Zeitpunkt bzw. am ganzen Abend empfand weiß ich nicht mehr genau. Ich habe alles verdrängt. Ich war so gut wie abwesend.
Ich befolgte die Anweisungen der Menschen die um mich herum standen. So ging das den ganzen Abend lang bis irgendwann die letzten Gäste gingen und nur noch die Familie in diesem übergroßen Saal übrig blieben. Ich stand auf, ging an jedem vorbei und stellte mich vor meine Mutter, die ihr Gesicht in ihre Hände stürzte. Sie weinte den ganzen Abend. Sie sah mich nicht ein einziges Mal an. Ich wusste sie machte sich fertig. Ich konnte das nicht mit ansehen. Sie hatte das nicht verdient. Es reichte wenn ich unglücklich war. Ich durfte ihr nicht das Gefühl geben, traurig sein zu müssen.
Ich nahm die Hände meine Mutter und suchte den Blickkontakt.
Als ich ihn dann fand sah ich erst wie verheult die Augen meiner geliebten Mutter waren. ich strich mit meiner Hand über ihr Gesicht.
"Mama... Weine nicht... Warum weinst du, das ist doch meine Hochzeit. Du musst dich mit mir freuen! Sieh mich an Mama. Bist du nicht stolz auf mich? Schau doch was aus mir geworden ist. Eine erwachsene Frau bin ich jetzt..."
Es bildete sich ein Klos in meinem Hals der mich daran hinderte weiter zu reden. Ich kämpfte wie verrückt gegen meine Tränen. Nach ein paar Minuten fuhr ich fort.
"Mach dir keine Sorgen um mich Mama. Mir geht es gut. Du wirst schon sehen. Ich werde bestimmt glücklich!"
Meiner Mutter lief eine Träne nach der anderen die Wangen entlang. Sie umarmte mich stürmisch und fing an leise zu schluchzen. Sie strich mir über meinen Rücken und sagte andauernd...
"Inchaalla benti Inchaallah (So Gott will meine Tochter so Gott will)"
Ich löste mich von ihr und bemerkte Hamza, der unmittelbar hinter meiner Mutter stand. Ich sah ihn ohne jeglichen Ausdruck in meinem Gesicht an. Meine Mutter bemerkte meinen Blick und drehte sich zu ihm um.
„Ouldi (mein Sohn). Sieh sie dir an... Warum hast du ihr das angetan? Warum?"
Er blickte kurz nach unten. Es machte kurz den Anschein als würde es ihm leidtun, jedoch fasste er sich relativ schnell. Entschlossen hob er seinen Blick und verhakte diesen mit dem meiner Mutter.
„3anti (Tante) glaube mir, deiner Tochter wird es gut gehen. Sie wird glücklich werden. Ich werde sie glücklich machen."
„Ich kenne meine Tochter leider besser als du" sagte sie ruhig während sie ihm über seine Haare strich „und wenn ich dir eins versichern kann, dann dass bestimmt glücklich wird... aber nicht mit dir. Es tut mir leid. Du verschwendest hier deine Zeit."
Hamza schaute empört drein, wagte jedoch nichts darauf zu erwidern. Es bedeutete mir viel, dass meine Mutter noch immer so zu mir hielt. Ich konnte von Glück reden, in dieser schweren Zeit, die wichtigste Person in meinem Leben auf meiner Seite zu haben. Denn ich wusste, nur durch ihre Hoffnung könnte ich noch glücklich werden. Sie war für mich der Grund weiter zu leben. Mein Ziel war es, sie wieder glücklich zu machen und ihres war es mich glücklich zu machen...

Hamza und ich wurden in unsere neue gemeinsame Wohnung gefahren. Sie war nur 2 Straßen von unserem Haus entfernt. Es war ein kalter Frühlingsabend. Wir stiegen aus Ayoubs Auto aus. Ich hatte die Wohnung bis jetzt noch nicht gesehen. Das war mir egal. Mir war einfach alles egal. Ich wünschte mir einfach nichts mehr fühlen zu müssen. Es ist eine Sache, eine schwere Zeit durch zu machen und zu wissen, dass eines Tages wieder alles gut werden wird. Es ist aber eine völlig andere Sache eine schwere Zeit durch zu machen und zu wissen, es wird in der nächsten Zeit einfach nicht besser. Die Hoffnung stirbt von Tag zu Tag ein Stückchen mehr. Und damit auch die Liebe die ich einst in mir getragen habe.

Hamza und ich betraten die Wohnung. Ich sah mich kurz um ohne ein einziges Wort zu sagen. Hamza stand immer noch angelehnt an der Haustür und schaute mir zu.
Als ich das Badezimmer fand, schloss ich mich ein um meine Gedanken erst einmal ordnen zu können. Und vor allem hielt ich Hamzas Anwesenheit einfach nicht mehr aus.
Nach etwa 15 Minuten klopfte Hamza an der Tür.
„Dounia? Ist alles in Ordnung da drinnen?"
Nach kurzem Überlegen schloss ich die Tür auf. Hamza stand nun genau vor mir. Er sah zu mir runter und lächelte mich an. Selbst wenn ich es wollte... hätte ich ihm kein Lächeln schenken können. Dafür liebte ich Yousef noch zu sehr.
Hamza kam noch ein Schritt näher und wollte seine Hand auf meine Schulter legen. Wutentbrannt wisch ich reaktionsartig zurück und sah ihm mit einem finsteren Blick an...

Wahre Liebe? -oder doch mektab?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt