Kapitel 61

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Für kurze Zeit setzte mein Gehirn aus. Ich war überfordert mit dieser Frage obwohl ich genau wusste dass er das als erstes wissen wollte. Ich wollte ihn weder anlügen noch wollte ich dass diese Unterhaltung in einer Katastrophe endete. An diesem Tag sollte es einfach nicht um mich gehen. Es sollte der schönste Tag von meinen 2 besten Freunden werden. Sie dürften nichts negatives in Erinnerung tragen. Also versuchte ich diesem Streit, der definitiv noch ausgetragen wird, an diesem Tag zu umgehen.
"Ich hab dich was gefragt" sagte er während er vor meinem Gesicht rum schnipste.
"Ist ja gut bleib ruhig. Ich war nur mit Amin spazieren. Warum regst du dich so auf?"
"Achso mit Amin spazieren also?"
" Ja! Was ist denn los mit dir?"
"Dounia du bist MEINE Frau. Du lebst mit MIR zusammen. Wenn du raus gehst hast du MIR bescheid zu geben. Du gehst einfach mit einem Mann spazieren als wärt ihr beide verheiratet. Du hast einfach nicht verstanden wie so eine Ehe funktioniert!" gab er mir fauchend zu verstehen.
Ich war fassungslos. Das war das erste Mal, dass Hamza so etwas zu mir sagte. Das erste Mal, dass er seine Stimme gegen mich erhob.
"Seit wann ist es ein Problem für dich wenn ich mit Amin weg gehe. Ich glaube es einfach nicht wie du dich aufführst. Amin ist mein Bruder der übrigens meine beste Freundin heiratet! Ich darf mich doch noch mit ihm unterhalten oder willst du mir das verbieten? Nein mein Lieber ich bin nicht die jenige die nicht weiß wie eine Ehe funktioniert. In einer Ehe geht es um Vertrauen und vor Allem Liebe. Du wusstest von Anfang an, dass ich dich nicht liebe und wolltest mich trotzdem heiraten also erzähle mir nichts von irgendwelchen Normen der Ehe von denen du am wenigsten Ahnung hast!"
Ich schaute ihm noch einmal finster in die Augen drehte mich dreist um und verschwand ohne ein einziges Wort abzuwarten. Endlich. Endlich hatte ich den Mut ihm zu sagen was ich dachte. Und das war noch gar nichts. Es gab noch so vieles was ich ihm an den Kopf schmeißen wollte jedoch nahm ich mich zurück. Dennoch fühlte ich mich zu diesem Zeitpunkt noch gut. Befreiter. Mächtiger. Selbstbewusster.

In den nächsten Stunden versuchte ich alles geschehene zu vergessen und mich nur auf die Hochzeit zu konzentrieren. Immer wieder versuchte meine Mutter, Soraya und auch Amin mit mir zu reden jedoch ging ich jedem gekonnt aus dem weg.
Um etwa 16 Uhr fingen wir Frauen an uns fertig zu machen. Laila bestand darauf, dass ich mich bei ihr im Zimmer zurecht machen sollte, da sie "seelische Unterstützung" benötigte.
"Aber was ist wenn ich eine schlechter Ehefrau werde? Oder schlimmer noch eine schlechte Mutter? Hast du dich je gefragt wie es nach der Hochzeit weiter gehen soll? Ich meine wie werden wir zusammen passen? Denkst du wir werden uns oft streiten? Meinst du ich habe..."
"Mach mal ein Punkt Laila was ist nur los mit dir??" Unterbrach ich ihr hysterisches Verzweifeln.
"Du wirst eine super Ehefrau und eine noch bessere Mutter. Du wirst Spaß mit Amin haben da bin ich mir ganz sicher. Ihr beiden seid einfach für einander bestimmt. Ihr gehört zusammen. Mach dir keine Sorgen Süße und genieße diesen Tag einfach du wirst ihn kein zweites Mal erleben!"
Sie war sichtlich gerührt von meinen Worten und umarmte mich stürmisch. So kannte und liebte ich sie. Meine Laila.
"Hör mal Dounia... Ich wollte sowieso noch einmal mit dir reden. Ich wollte schon vor langer Zeit mit dir reden aber ich habe nie die passenden Worte gefunden."
Ich sah das ihr Gesicht plötzlich ganz ernst wurde. Sie setzte sich auf ihr Bett also machte ich ihr das nach und setzte mich genau neben sie. Sie nahm meine Hand und fing dann an zu reden.
"Dounia ich... Ich habe einfach ein so schlechtes Gewissen. Dir habe ich es zu verdanken, dass ich heute den Mann heiraten darf den ich liebe. Dir habe ich es zu verdanken, dass mein Leben nicht in einer Katastrophe endete. Du alleine bist der Grund dafür das ich überhaupt noch lachen kann. Aber genau so bin ich der Grund dafür das du den Mann den du liebst nicht heiraten kannst. Genau so ist es meine Schuld das dein leben momentan eine Katastrophe ist und ganz genau so meine Schuld ist es dass du dein wunderschönes und einmaliges Lächeln verloren hast. Und es tut mir einfach so unheimlich leid. Das alles... Ich wollte einfach nicht dass das so für dich endet und mein Herz blutet wenn ich dich so verzweifelt sehe. Und du weißt ich bin dir unendlich Dankbar für Alles was du je für mich gemacht hast aber ich wünschte du hättest dieses eine mal an dich selber gedacht und nicht an mich!"
Ich sah wie ihr Tränen die Wange runter kullerten die sie, ohne ihr Make-Up zu verschmieren, weg zu wischen versuchte. Auch in mir bildete sich ein Kloß im Hals der immer größer wurde sodass er mir sogar die Sprache verschlug. Ich hielt ihre Hand fester und versuchte meine Gedanken zu ordnen. Das alles war in dem Moment zu viel für mich denn ich musste erneut an meine ganzen Entscheidungen denken. An all das was geschehen ist und was noch kommen wird. Dennoch konnte ich ihre Worte nicht so stehen lassen.
"Laila..." Ich versuchte erneut den immer größer werdenden Kloß runter zu schlucken jedoch vergeblich.
"Mag schon sein, dass ein paar Menschen zum Teil Schuld haben aber du bist auf keinen Fall eine von denen. Ich hab dir das schon ein paar mal gesagt, DU BIST NICHT DARAN SCHULD! Laila all diese Entscheidungen habe ich gefällt. Ich alleine bin für meine Lage verantwortlich. Und weißt du was? Ich würde es genau so wieder tun auch wenn du mich daran hindern wolltest. Ich meine schau dich an! Du bist eine wunderschöne Braut und du hast ein wundervollen Mann der dich verdient hat. Ich bereue diese Entscheidung nicht. Mein Leben ist noch nicht vorbei. Die Zeit des Jammerns ist nun vorbei. Ich und Yousef ziehen jetzt alles durch um zusammen glücklich zu werden. Genauso wie du und Amin einverstanden? Ich werde den Mann haben den ich liebe, ich werde nicht in einer Katastrophe enden und ich werde mein Lächeln wieder zurück gewinnen. Also bitte denke nicht mehr daran und sei einfach glücklich."
Ich vergoss während ich redete ein paar Tränen allerdings nicht weil ich traurig war, im Gegenteil. Ich war optimistisch. Ich freute mich. Ich war aber auch aufgeregt. Es herrschte generell ein komplettes Gefühlschaos in mir. Dennoch überwogen zu diesem Zeitpunkt noch die Positiven Gefühle. Aber so wie es das Schicksal schon immer nicht gut mit mir meinte, schlug es schon sehr bald erneut ein.
Laila war sichtlich beruhigt. Ich freute mich darüber und umarmte sie noch einmal bevor mir die tickende Uhr auffiel. Ich bemerkte wie spät ich eigentlich war.
"Laila ich weiß du willst heute die Schönste auf der Hochzeit sein aber das bist du auch so ohne das du mir keine Zeit lässt um mich fertig zu machen!"
Sie lachte kurz laut auf so wie ich es an ihr liebte. Ich schlug ihr gespielt auf ihre Schulter und widmete mich daraufhin ihrem äußerst großen Spiegel.

Nach etwa 4 Stunden dann war die Hochzeit schon im vollen Gange. Der Saal war gerammelt voll und ich war durchgehend damit beschäftigt Leute zu begrüßen oder Laila beizustehen wenn sie gerade wieder einen ihrer Anfälle hatte. Eigentlich war es ein schöner Abend. Alles lief wunderbar. Die Gäste waren ausgelassen und tanzten. Amin grinste von Sekunde zu Sekunde mehr. Laila sah in jedem ihrer Kleider atemberaubender aus. Die beiden waren ein optisches und charakterliches Traumpaar und das sagten auch die Gäste die alle rundum zufrieden waren.
Als es dann irgendwann so weit war den Kuchen anzuschneiden musste ich feststellen dass ich das Messer womit die Torte verteilt werden sollte in meinem Auto vergessen hatte. Also eilte ich raus und ging in einem schnellen Schritt auf mein Auto zu. Als ich fast den ganzen Parkplatz überquert hatte zog mich plötzlich jemand mit einem festen Griff auf die Seite. Mein Herz blieb vor Schock fast stehen...

Wahre Liebe? -oder doch mektab?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt