Kapitel 54

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Yousef stand mit herabgelassenen Armen vor mir. Seine Augen waren verweint und sein bezauberndes Lächeln erloschen. Mein Herz schmerzte bei diesem Anblick. Er hatte das nicht verdient. Wieso habe ich ihn nur in mein Leben gelassen...
„Hallo Dounia" gab er mühsam von sich. Ich merkte wie schwer es ihm fiel mich zu sehen. Dennoch war er hier. Aber was wollte er?
„Du siehst wunderschön aus" fügte er hinzu nachdem ich nichts erwidern konnte.
„Danke" Ich senkte meinen Blick, denn ich konnte ihm nicht weiterhin in die Augen schauen.
„Du solltest nicht hier sein Yousef"
„Ich musste kommen!"
„Ich will nicht, dass du das siehst. Bitte geh lieber. Wenn du denkst ich entscheide mich nochmal um, dann..." bevor ich ausreden konnte unterbracht er mich.
„Nein! Ich bin nicht hier um dich umzustimmen Dounia. Ich will dich nur noch ein letztes Mal sehen."
„Warum? Gehst du etwa weg?"
„Ja Dounia, ich kann nicht zusehen wie du mit jemand anderem zusammen bist. Nein das kann ich nicht. Ich muss hier weg. Ich hab ein Studienplatz in Heidelberg gefunden..."
Ein Stich nach dem anderen zerstach mein Herz. Und eine Träne nach der Anderen floss mir die Wangen entlang. Nach all der Zeit fühlte ich wieder was und das nur wegen Yousef.
Er nahm mein Gesicht in seine Hände und küsste jede einzelne Träne weg. Irgendwann lag ich einfach in seinen Armen und weinte mir meine ganze Trauer aus. All das was sich die ganze Zeit aufgestaut hatte ließ ich nun raus. Es war so verdammt schwer los zu lassen. Ich liebte ihn zu sehr um ihn gehen zu lassen, aber ich hatte keine Wahl. Vielleicht war es auch das Beste. Vielleicht sollte Hamza ja wirklich mein Schicksal sein. Vielleicht sollte ich ja vor irgendetwas krankhaft beschützt werden.
„Ich liebe dich Yousef"
„Ich liebe dich auch meine Schöne"
„Bitte versprich mir etwas"
„Alles was du willst..."
„Schenke diese Liebe die du für mich hast jemand anderes. Werde wieder glücklich. Ich könnte mir das niemals verzeihen dich unglücklich gemacht zu haben."
„Pssst... sag nichts mehr. Ich werde niemals jemanden so sehr lieben wie ich dich liebe. Leb wohl meine unerreichbare Prinzessin."
Er löste sich langsam von mir und ging rückwärts aus dem Zimmer raus. Das war's. Es war aus und vorbei. Ich würde nie mehr seine Nähe spüren können. Nie mehr sein schönes Lächeln anschwärmen oder in seine wunderschönen ehrlichen Augen sehen.
Ich brach zusammen und verkrampfte mich bitterlich auf dem Boden. Immer wieder kam mir diese eine Frage in den Kopf. Wie konnte es nur so weit kommen?

Gefühlte Stunden lag ich da bis Laila und Amin zu mir rein kamen. Erschrocken von meiner Lage knieten sie sich zu mir und umarmten mich besorgt.
Amin strich mir über die Haare und flüsterte mir aufmunternde Worte zu. Ich hatte keine Ahnung woher ich in diesem Moment so viel Kraft bekam aber augenblicklich hörte ich auf zu weinen und rappelte mich langsam auf. Ich wusch mir die letzten Tränen weg und sah Amin und Laila entschlossen an.
„Lass mich das hinter mich bringen..."
Ich ging an ihnen vorbei die Tür raus.
Als ich den Saal betrat war schon alles für mich Vorbereitet. Die Henna Artistin nahm auf ihrem Stuhl vor meinem hergerichteten Thron platz und lächelte mich liebevoll an.
Meine Mama, Soraya und meine Tante standen daneben. Die Halle war schon gefüllt mit Verwandten, Freunden, alten Schulkameraden und einige die ich nicht kannte.
Mit kurzen Schritten näherte ich mich meinem Platz. Ich setzte mich erschöpft nieder und blickte in die Runde.
Auf einmal erblickte ich ein vertrautes Gesicht. Yousef. Er stand angelehnt an der Eingangstür und beobachtete mich. Mein Herz zog sich zusammen. Die Tränen stiegen mir Blitzartig empor.
Wir sahen uns an. Ich erkannte auch seine Tränen. Seinen Schmerz im Gesicht. Ich hielt das alles nicht aus. Ich wollte doch nur diesen Schmerz nicht spüren. Ich wollte endlich wieder glücklich sein. Ich war es leid immer nur Schmerz zu verspüren. Ein stich nach dem anderen. Mein Herz würde das nicht mehr lange aushalten. Ich merkte wie es bricht. Wie es qualvoll in Stücke zerrissen wird.
Meine Tante setzte sich neben mich. Sie bemerkte wohl meine Tränen und versuchte mich zu trösten.
„Weine nicht mein Kind. Es wird sich doch nichts ändern. Du bleibst doch weiterhin hier und kannst deine Familie immer sehen." Sie strich mir liebevoll über meinen Rücken. Wie schön wäre es, wenn das meine einzige Sorge wäre.
Ich konnte meine Augen nicht von Yousef wenden. Es war wahrscheinlich das letzte Mal. Ich würde ihn nie wieder mehr sehen. Wir würden zwei getrennte Wege gehen.
Stunden stand er so da. Er rührte sich nicht vom Fleck. Ich fühlte mich schwach. Ich spürte wie mir die Luft nach und nach entwisch. Ich sah noch wie Amin Yousef mit rausnahm bevor mir schwarz vor Augen wurde. Alles um mich drehte sich und ich wurde bewusstlos.

Wahre Liebe? -oder doch mektab?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt