Teil 7

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Montag

Ich habe keine Lust, heute auf die Arbeit zu gehen, vor allem aus dem Grund, dass ich Mr. Unfreundlich wiedersehe. Ich weiß echt nicht, was er sich auf sich einbildet.
Bei dem Gedanken an ihn wird mir etwas heiß und ich spritze mir kaltes Wasser ins Gesicht, um mich in die Realität zurückzuholen.

Alex wartet, wie ausgemacht, vor dem Gebäude und lächelt, als er mich sieht. "Guten Morgen, Lina", schließt er mich in eine kurze Umarmung und ich ertappe mich dabei, wie ich mich umsehe, ob das jemand gesehen hat.
Wir gehen gemeinsam hinein und verabschieden uns, als er auf der 30. Etage aus dem Aufzug steigt und mich alleine lässt.
Mit zitternden Knien fahre ich die restlichen drei Etagen nach oben und streiche mir noch einmal über mein etwas gewagteres marineblaues Kleid, bevor ich in mein Büro gehe.
Die Tür zu Mr Billingsleys Büro ist wie immer geschlossen und ich bin eigentlich ganz froh, dass ich ihn vor 12 Uhr mit Sicherheit nicht zu Gesicht bekommen werde. Falsch gedacht.
Ich höre, wie seine Tür aufschwingt und er innerhalb von ein paar Sekunden vor mir an meinem Schreibtisch steht.
Verwirrt blicke ich auf die Uhr. Es ist gerade mal 10 Uhr. Er schmunzelt leicht, als er meinen verwirrten Gesichtsausdruck sieht, hat sich aber sofort wieder im Griff, sobald ich ihn direkt anschaue.
Jetzt schaut er wieder böse und rollt mit seinen grünen Augen. "Ms Koslow, ab morgen verlange ich meinen Kaffee um 7:30 Uhr pünktlich auf meinem Schreibtisch. Letzter Freitag war lediglich eine Ausnahme", sagt er und wendet sich dann zum Gehen, ohne auf meine Antwort zu warten. Stimmungsschwankungen.
Fast hat er seine Tür geschlossen, da blickt er noch einmal kurz zu mir. "Kommen Sie bitte in einer Viertelstunde in mein Büro. Ich muss etwas Dringendes mit Ihnen besprechen." Mit diesem Satz schlägt er die Tür seines Büros zu und ich erschrecke...wie jedes Mal.

Nach fünfzehn Minuten stehe ich auf und klopfe an seiner Tür.
Sobald ich sein "Herein" höre, fangen meine Hände an, zu schwitzen, und mein Herz pocht.
"Schließen Sie bitte die Tür hinter sich", sagt er, ohne von seinem Schreibtisch aufzublicken.
Ich rolle mit den Augen und schließe dann die Tür leise im Gegensatz dazu, wie er sie sonst immer schließt.
"Setzen Sie sich."
Ich tue, was er von mir verlangt und merke, dass er jede einzelne Bewegung von mir beobachtet.
Unwohl rutsche ich auf dem Stuhl hin und her und er schmunzelt, bevor er wieder seine nachdenkliche Falte auf der Stirn bekommt.
"Das geht so nicht", sagt er nach ein paar qualvollen stillen Sekunden, die sich angefühlt haben wie fünf Minuten.
Ich schüttle den Kopf. "Wie bitte?", frage ich, "Was meinen Sie jetzt genau?"
Er legt seine Hände ineinander verschränkt auf den Schreibtisch vor sich. "Das Kleid, das Sie anhaben, verstößt gegen unsere Kleiderordnung."
Ist das sein Ernst? Ich lache und die Falte auf seiner Stirn vergrößert sich. Schnell räuspere ich mich. "Das ist ein ganz normales Kleid. Sylvia hatte genau dasselbe Kleid gestern an und ich darf das nicht?", frage ich bissig.
Jetzt will er mir vorschreiben, wie ich mich zu kleiden habe, oder was?
Ich rolle mit den Augen und verschränke meine Arme vor der Brust.
"Rollen Sie nicht mehr mit den Augen", sagt er langsam und ich kriege eine Gänsehaut.
"Oder?"
"Das wollen Sie nicht wirklich herausfinden."
"Vielleicht ja doch", necke ich ihn und lehne mich etwas nach vorne, sodass ich ihn besser betrachten kann.
Er sieht wie immer förmlich aus und es passt von Kopf bis Fuß alles. Selbst die Krawatte ist perfekt geschnürt.

Nach einigen Minuten räuspert er sich und reißt mich aus meinen wilden Gedanken.
"Wie dem auch sei. Ich will das Kleid nicht mehr sehen", blickt er wieder auf den Stapel Papier vor sich.
"Aber Sylvia..", setze ich an. Er unterbricht mich, indem er seine Hand hebt.
Anschließend erhebt er sich von seinem Stuhl und kommt auf mich zugelaufen.
Für eine Sekunde habe ich Panik, dass er mir wehtut. Aber stattdessen geht er vor meinem Stuhl in die Hocke und legt seine große Hand auf mein Bein, bevor er seinen Mund dicht an mein Ohr bringt. "Der springende Punkt ist, dass ich SIE nicht in diesem Kleid sehen kann, denn ich weiß nicht, wie ich mich beherrschen soll, es Ihnen nicht auf der Stelle vom Leib zu reißen", flüstert er langsam und eindringlich.
Meine Kehle wird trocken und ich schaffe es nicht, etwas zu erwidern.
"Ab morgen will ich dieses Kleid nicht mehr sehen, sonst.."
Endlich finde ich meine Stimme wieder. "Sonst was?", flüstere ich und klinge, als wäre ich gerade einen Marathon gelaufen.
Er kneift nochmal meinen Oberschenkel und begibt sich dann wieder auf seinen Platz.
Sofort ist er wieder in seine Arbeit vertieft und ich stehe auf und gehe in mein Büro. Was ist gerade passiert?

UnmoralischWo Geschichten leben. Entdecke jetzt