Teil 2

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Montag

Ich bin schon seit etwa einer halben Stunde auf den Beinen, obwohl es gerade mal 6:30 Uhr ist und ich mich erst in einer Stunde auf den Weg machen muss. Ich habe mir extra fünf Wecker gestellt, dass ich an diesem wichtigen Tag auch nicht verschlafe.
Vor mir steht bereits meine zweite Tasse Kaffee und ich scrolle durch mein Instagram.
Nachdem ich ausgetrunken habe, gehe ich in mein kleines Bad und schminke mich etwas, bevor ich meine Haare zu Korkenzieherlocken drehe und sie mit Haarspray fixiere. Danach quetsche ich mich in meine schwarze Hose und werfe mir die Bluse über.
Ein kurzer Check im Spiegel und ich verlasse pünktlich um 7:30 Uhr meine Wohnung.

Es sind genau fünfhundert Meter bis zu meinem neuen Arbeitsplatz und ich stehe innerhalb von zehn Minuten vor der großen Drehtür.
Als ich das Gebäude betrachte, muss ich schlucken. Das ist es. Jetzt oder nie. Also streiche ich mir nochmal meine Bluse glatt und betrete das hohe Gebäude.
Innen glänzt es und alles sieht edel aus. Selbst die Pflanzen sehen poliert aus, was sie höchstwahrscheinlich auch sind. Bei dem Gedanken, dass Jemand bezahlt wird, um die Pflanzen hier abzustauben, muss ich lachen. Schnell rapple ich mich wieder auf und gehe einigermaßen selbstbewusst auf die Information zu.

Hinter dem Tresen sitzt eine Frau, die ein graues Stiftkleid trägt und ihre Haare sind perfekt mit Gel nach hinten fixiert.
Als sie mich sieht, verzieht sie kurz das Gesicht und setzt dann ein falsches Lächeln auf, das ich ihr definitiv nicht abkaufe.
"Guten Tag", sagt sie betont freundlich.
Ich lächle kurz. "Guten Tag. Mein Name ist Lina Koslow. Ich habe heute meinen ersten Arbeitstag und soll nach Mrs. Berry fragen", sage ich selbstbewusst und straffe meine Schultern etwas.
Die unfreundliche Frau tippt etwas auf dem Computer rum und hebt dann den Telefonhörer an ihr Ohr. "Alexa, hier ist eine Ms Koslow und verlangt nach dir", sagt sie jetzt tatsächlich in einem lieben Ton. Danke. Anscheinend wird die aufgesetzte Miene nur mir gegenüber rausgeholt. Sie lächelt mich erneut an. "Einen kurzen Moment. Alexandra ist gleich bei Ihnen." Mit diesem Satz steht sie auf und bewegt ihren schlanken Körper in Richtung der Aufzüge. Sie ist mir jetzt schon unglaublich unsympathisch.

Kurze Zeit später kommt Alexandra lächelnd auf mich zugelaufen und schüttelt meine Hand. "Es freut mich so, Sie endlich kennenzulernen, Ms Koslow." Sie ist mir direkt sympathisch im Gegensatz zu ihrer Kollegin.
"Gleichfalls. Danke für die grandiose Chance", strahle ich sie an.
Sie schüttelt den Kopf. "Da müssen Sie nicht mir danken, sondern Mr Billingsley." Alleine bei seinem Namen schnürt sich mir alles zu und ich muss schlucken. Dennoch ringe ich mir ein Lächeln ab und folge Alexandra zu den Aufzügen.

Wir fahren nach oben. Es sind so viele Knöpfe in diesem Aufzug, dass mir der Mund offen bleibt. Alexandra bemerkt es und lacht. "Ja, so geht es tatsächlich den meisten Leuten, die hier das erste Mal den Aufzug betreten, aber keine Sorge, ich denke, dass Sie den Job mit Bravur meistern werden", lächelt sie. Doch ihr Lächeln erreicht nicht ihre Augen, was mich sofort nervös macht.
Nach einer kleinen Besichtigungstour und ein paar Vorstellungsrunden in den anderen Abteilungen kommen wir endlich in mein zukünftiges Büro.
Es ist etwas kleiner und es gibt genau zwei Türen. Die Eingangstür und eine andere Tür, die höchstwahrscheinlich Mr Billingsleys Tür ist.
Alexandra bemerkt meinen Blick. "Hinter der Tür befindet sich das Zimmer von Mr Billingsley."
"Ist er da?", frage ich. "Also ich meine, wann werde ich ihn denn mal kennenlernen, da er ja ab heute mein neuer Boss sein wird." Ich trete verlegen vom einen auf das andere Bein.
"Sie werden ihn noch früh genug treffen, aber Mr Billingsley ist bis Freitag auf einer wichtigen Konferenz. Dementsprechend werden Sie ihn bestimmt Freitag mal kurz zu Gesicht bekommen", sagt sie und nickt in Richtung des Computers. "Am Rand des Computers kleben sämtliche Passwörter für unterschiedliche Plattformen, die ganz nützlich sein werden, um dem CEO ein paar seiner Aufgaben abzunehmen."
Ich nicke und setze mich dann vor den Computer.
Den Rest des Tages sitze ich nur davor und probiere die unterschiedlichen Seiten aus mit den dazugehörigen Passwörtern.

Es ist jetzt mittlerweile kurz vor 16 Uhr und Alexandra kommt in mein Büro. "Sie können ruhig Schluss machen für heute. Der CEO ist ja nicht im Haus, da ist das alles ein bisschen entspannter", zwinkert sie und stellt sich lächelnd vor meinen Schreibtisch.
Ich stehe auf und nehme meinen Blazer vom Stuhl. "Das heißt, wenn der CEO hier ist, hat man keine festen Arbeitszeiten?", streife ich mir den Blazer über und hebe meine Tasche vom Boden auf.
"Naja, Mr Billingsley hat seinen eigenen Kopf, aber das werden Sie noch früh genug erfahren, obwohl Sie sich keine Hoffnung machen sollten, ihn oft zu Gesicht zu bekommen, weil er immer beschäftigt ist." Sie rollt mit den Augen.
Wir gehen gemeinsam zum Ausgang und verabschieden uns voneinander.

UnmoralischWo Geschichten leben. Entdecke jetzt