Teil 14

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Ich bin in die nächstbeste Bar gegangen und habe der Reihe nach vier Tequila-Shots vernichtet. Natürlich hat mir das ein paar verwirrte Blicke eingebracht, aber das ist mir egal.
Ich sitze an der Theke der Bar und will mir gerade einen weiteren Shot Tequila bestellen, da kommt ein sehr attraktiver Kellner zu meiner Bedienung und flüstert ihr etwas ins Ohr, woraufhin sie nur nickt und den Shot im Waschbecken auskippt.
Stattdessen holt sie ein Glas und füllt Wasser hinein.
Als sie mir das Glas hinstellt, schiebe ich es ihr wieder entgegen. "Das habe ich nicht bestellt", lalle ich etwas.
"Sorry, mein Vorgesetzter hat gesagt, dass ich Ihnen ein Wasser geben soll", zuckt sie mit den Schultern und nimmt die nächste Bestellung entgegen.

Ich springe von dem Barhocker auf und bemerke, dass ich tatsächlich etwas wackelig auf den Beinen bin.
Ich laufe halbwegs gerade zur anderen Seite der Theke, wo der attraktive Kellner steht, und lehne mich darüber, dass er mich besser versteht.
"Was fällt Ihnen ein, mir ein Wasser zu geben?"
Er legt die Stirn in Falten. "Ich denke, dass Sie genug Tequila für heute Abend haben, denken Sie nicht auch?" Er hebt eine Augenbraue, während er einen Shaker durch die Luft wirft. Das sieht ziemlich beeindruckend aus.
Ich rolle mit den Augen. "Ich glaube, dass ich das schon ganz gut einschätzen kann, wie viel ich trinken kann." Ich betone dabei das Wort Ich besonders und gestikuliere dazu wild mit meinen Händen.
Er füllt den gemixten Drink in ein Glas und schiebt es einer Blondine entgegen, die ihn flirtend anlächelt. Wieder rolle ich mit den Augen.
"Die will was von dir", deute ich auf sie.
Jetzt lehnt er sich über die Theke, sodass er ganz nahe an meinem Ohr ist. "Nichts, was ich nicht schon gewöhnt bin, Süße", zwinkert er mir zu und dreht sich wieder weg.
Irgendwas an ihm fasziniert mich und ich kann meine Augen nicht von ihm nehmen.
"Kriege ich jetzt meinen Tequila-Shot?", quengle ich.
Er schüttelt den Kopf.
"Man, komm schon", falte ich meine Hände. Er rollt mit seinen braunen Augen. Sie wirken fast schwarz in dem dämmernden Licht der Bar.
Schnell holt er zwei Schnapsgläser aus dem Schrank hinter ihm und ich lächle zufrieden. "Wenn du schon was trinkst, dann trinke ich mit", gibt er mir eines der zwei mittlerweile vollen Gläser.
Wir prosten uns zu und er schaut mir die ganze Zeit tief in die Augen, was mich etwas erschaudern lässt.

Ich wische mir über den Mund und schiebe ihm das Glas so schnell zu, dass er es gerade noch auffangen kann, bevor es möglicherweise zu Boden gefallen wäre.
"Wieso bist du ganz alleine hier?", fragt er mich. Ich lache. "Darf eine Frau nicht alleine was trinken gehen?"
Er funkelt mich belustigt an. "Naja, dagegen habe ich ja im Prinzip nichts, aber du sitzt hier alleine und schüttest ein Tequila nach dem anderen rein", zeigt er auf mein Gesicht, "Das bedeutet meist nichts Gutes bei Frauen. Hat dir jemand das Herz gebrochen?"
Ich schüttle mit dem Kopf. "Es ist so viel komplizierter", lege ich meine Stirn auf meine Hände, die auf dem Tresen liegen.
"Ich habe in einer halben Stunde Feierabend. Also wenn du vielleicht mal reden willst, ich bin da."
Langsam und gleichzeitig verwirrt nicke ich. Ich habe es noch nie erlebt, dass ein Mann mir so ein Angebot macht. Dennoch bezweifle ich, dass er nur mit mir reden möchte.

Wie versprochen stehen wir eine halbe Stunde später vor dem Eingang der kleinen Bar.
"Du hast das ja echt ernst gemeint", lache ich etwas.
Der Typ schaut mich mit schräg gelegtem Kopf an. "Ja, klar. Du sahst so aus, als würdest du gerne mal mit jemandem reden", zuckt er mit den Schultern.
Ich atme schwer aus uns setze mich auf die Stufen gegenüber von der Bar.
Er kommt mir nach und setzt sich neben mich. "Das Witzige ist, dass ich nicht einmal darüber reden kann", schlage ich mir selbst an den Kopf. Jetzt ist er verwirrt. "Dann reden wir eben nicht." Er lässt sich auf seine Arme zurückfallen und schaut in den sternenklaren Himmel. Ich tue es ihm gleich.
So sitzen wir eine halbe Stunde lang da und sagen einfach nichts und ich wusste nicht, dass ich genau das gerade gebraucht habe.

UnmoralischWo Geschichten leben. Entdecke jetzt