Teil 28

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"Du siehst heute richtig fertig aus. Ist alles okay mit dir?" Alex beißt in seinen beinahe unnatürlich grünen Apfel.
Ich streiche mir angestrengt über die Stirn und massiere mir die Schläfen.
Ich weiß genau, dass ich heute beschissen aussehe. Ich habe heute nur eine schwarze enge Jeans an und habe mir eine schlichte weiße Bluse darüber geworfen. Meine Haare sind in einem unordentlichen Dutt zusammengeflochten, aber nach dem gestrigen Abend hatte ich gar keine Motivation, mich heute irgendwie fertig zu machen.
"Ich weiß. Danke", entgegne ich, "aber es ist alles okay. Ich habe heute nur extrem schlecht geschlafen, das ist Alles." Ich hoffe, dass Alex mir diese lahme Ausrede abnimmt und ich mich nicht noch weiter erklären muss.
Alex scannt mich mit einem komischen Gesichtsausdruck ab, lässt dann aber das Thema fallen. "Hast du heute schon Mr B. gesehen?", hebt er eine Augenbraue.
Ich muss schlucken, weil ich alleine bei dem Gedanken an ihn schon wieder eine unglaubliche Wut bekomme.
Ich zucke mit den Schultern. "Nö, wieso?"
"Okay. Sei einfach froh. Wenn ich du wäre, würde ich ihm heute aus dem Weg gehen." Er unterstreicht seine Worte mit einer theatralischen Handbewegung.
Im nächsten Moment hören wir ein Räuspern und ich schließe instinktiv die Augen. Der hat mir gerade noch gefehlt.
"Was habe ich Ihnen letztens bei unserem Meeting über diese persönlichen Treffen", malt er Gänsefüßchen in die Luft, "gesagt?"
Alex springt sofort auf und läuft zur Tür. Kurz davor dreht er sich noch einmal um und steht direkt hinter Rileys Rücken. Er führt den Finger an den Mund und tut so, als würde er sich übergeben.
Ich lache und Riley dreht sich schwungvoll um, während Alex sich schnell zum Gehen wendet.

Rileys Blick liegt jetzt wieder auf mir und er rollt nur kurz mit den Augen, bevor er auf seine Bürotür zugeht.
"Ms Koslow", spricht er mit mir, ohne mich anzusehen, "ich habe nachher ein wichtiges Geschäftsmeeting und ich bräuchte noch fünf Kaffee. Schwarz ohne Zucker."
Bevor ich überhaupt atmen kann, ist er auch schon hinter seiner Tür verschwunden.
Ich atme schwer auf und schlucke meinen Frust herunter.
Es ist also genau so, wie ich es gesagt habe. Chef und Assistentin. Es ist ihm egal, dass er mich gestern Nacht beinahe zum Schreien gebracht hat.
Wie schafft er es, sich keine Gedanken darüber zu machen? Ich wünschte, dass ich das auch könnte, aber leider besitze ich so etwas wie ein Herz.

Ich stelle drei der Kaffeebecher auf meinem Schreibtisch ab und klopfe mit zwei Bechern in der einen Hand an die schwere Holztür von Rileys Büro.
"Herein", höre ich seine tiefe Stimme.
Ich trete durch die Türe und stelle die zwei Becher vor ihm ab.
Er holt Luft und will gerade zum Reden ansetzen, da hebe ich den Finger. "Die anderen drei stehen auf meinem Schreibtisch. Bin sofort wieder da", komme ich ihm zuvor. Er nickt nur.
Schnell hole ich die anderen Becher und stelle sie vor die Männer, die mir dankend zunicken.

Als ich wieder an meinem Schreibtisch sitze, fällt mir auf, dass nur vier Männer in seinem Büro waren, aber ich habe fünf Becher Kaffee geholt. Meine Gedanken werden unterbrochen durch eine tiefe Männerstimme, die mich sofort nach oben schrecken lässt.
"Entschuldigung."
Seine Augen durchbohren mich und ich bekomme sofort eine Gänsehaut, die mir sonst nur Riley verschaffen kann.
Er hat dunkelbraune Augen, die schon mehr ins Schwarz übergehen und ich bin sofort hypnotisiert. Ich nicke und schlucke.
"Ich wollte zu Mr Billingsley. Ich hab mich leider ein bisschen verspätet und dann habe ich auch noch mein Handy zuhause vergessen. Also konnte ich nicht einmal anrufen", lacht er und dabei kommen kleine Grübchen auf seiner Wange zum Vorschein.
Ich lächle und winke ab. "Das ist kein Problem. Ich denke, das Meeting ist erst vor fünf Minuten losgegangen. Sie sollten nicht allzu viel verpasst haben, schätze ich."
Er erwidert mein Lächeln und richtet sich seine dunkelblaue Krawatte. Mein Blick bleibt auf seinen großen Händen liegen.
Er nickt und geht auf die Tür meines Bosses zu. Kurz bevor er eintritt, dreht er sich noch einmal zu mir um und erwischt mich beim Starren. "Naja, Sie wissen ja, dass fünf Minuten manchmal ausreichen, um Großes zu bewirken", zwinkert er mir zu. Dann ist er auch schon verschwunden und ich muss tief ein und ausatmen.
Wie meinte er das eben? Hat er mit mir... geflirtet? Ich werde rot und reibe mir über mein Gesicht. Ausgerechnet heute sehe ich aus wie der größte Vollidiot.
Ich rolle mit den Augen und widme mich dann wieder meiner Arbeit.

UnmoralischWo Geschichten leben. Entdecke jetzt