Teil 35

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Mit Amir ist alles so leicht, fast so als wären wir füreinander geschaffen.
"Wie geht's dir heute?", höre ich Amir durch meinen Lautsprecher vom Handy, weil ich mich gerade nebenbei für die Arbeit fertig mache.
"Mir geht's tatsächlich ganz gut und dir?", antworte ich, während ich mir Lidschatten auftrage. Ich lege den Pinsel auf die Seite.
"Du kannst mich heute auch gerne von der Arbeit abholen", sage ich, "also ich meine aus meinem Büro." Ich kichere, weil ich genau weiß, was jetzt kommt.
"Du weißt, dass ich", setzt er an, doch ich falle ihm ins Wort. "Dass ich das nicht machen kann wegen Riley dies das, bla bla bla", lache ich. "Ich ziehe dich doch nur damit auf." Und das ist die Wahrheit, vielleicht nicht die ganze Wahrheit, weil eigentlich finde ich es extrem schade, dass wir es nicht öffentlich machen können mit uns Beiden.
Ich habe noch nie so für einen Menschen empfunden und ich würde es gerne der ganzen Welt zeigen, dass das mein Mann ist.
"Es tut mir leid." Amir klingt geknickt und ich versichere ihm, dass alles okay sei und wir das schon irgendwann mal hinkriegen, ohne dass er Angst vor Rileys Reaktion hat.

Riley benimmt sich schon den ganzen Morgen richtig seltsam, sobald er mit mir in einem Raum ist.
Leider haben wir heute auch noch ein Meeting, bei dem ich Protokoll führen muss. Er lässt mich keine Sekunde aus den Augen und ich versuche, nicht aufzuschauen, um seinem Blick nicht zu begegnen.
"Vielleicht wäre es gut, wenn wir eine andere Meinung einbeziehen könnten", sieht mich Riley jetzt direkt an. Ich schaue ihn perplex an und schüttle langsam den Kopf.
Er nickt mir nur zu. "Ms Koslow, was sagen Sie denn dazu?"
Ich beiße meine Zähne aufeinander. Darauf war ich tatsächlich nicht vorbereitet und habe dementsprechend auch nicht wirklich zugehört. "Ehm ja, also ich würde sagen, dass es genau jetzt wichtig ist, in neue Immobilien zu investieren, da der Markt gerade ziemlich weit unten ist und wie wir alle wissen, sind Immobilien die sicherste Kapitalanlage", bringe ich heraus und hoffe, dass das einigermaßen schlau klang und ich eine schlüssige Antwort auf die Frage geben konnte. Ein zustimmendes Murmeln bestätigt meine Aussage und ich lache zufrieden.
Ich schaue Riley an, der ebenfalls lächelnd auf die Papiere vor sich schaut. Lächelt Riley da etwa wirklich oder bilde ich mir das nur ein?
Ich vergewissere mich mit einem erneuten Blick und ich habe keine Halluzinationen. Er sieht tatsächlich etwas stolz aus und irgendwie bringt mir das ein kleines Kribbeln im Bauch.

Das restliche Meeting verläuft gut und sie kommen aufgrund meiner Argumente zu einer Lösung.
Ich schüttle die Hand von den anderen Anzugträgern und will gerade aus dem Raum laufen, da höre ich Riley hinter mir. "Danke, Lina", presst er angestrengt heraus. Ich wette, dass er sich noch nicht oft bei Menschen bedankt hat.
Ich lächle zaghaft. "Ist kein Problem. Das ist schließlich mein Job." Ich winke ab und tue so, als wäre das kein krasses Kompliment. Er greift um mein Handgelenk.
"Nein, ich meine es ernst. Ich glaube nicht, dass ich schon jemals eine so schlaue Assistentin gehabt habe, die sogar in einem Meeting zum erfolgreichen Abschluss beigetragen hat." Er wirkt irgendwie nervös. Warum ist er so nervös? Ich nicke. "Kann ich Ihnen sonst noch irgendwie behilflich sein, Mr Billingsley?", frage ich und kratze mich am Arm.
Er blickt erst auf den Boden und dann direkt in meine Augen. Das lässt mich für einen kurzen Moment erschaudern, aber ich habe mich schnell wieder im Griff.
"Willst du vielleicht naja", stottert er, "nachher mit zu meinem Lieblingsitaliener?" Er ist definitiv nervös und das bringt mich etwas zum Lächeln.
Sofort wandern meine Gedanken zu Amir und ich schüttle leicht den Kopf. "Tut mir leid, aber ich kann heute Abend nicht." Das ist eine glatte Lüge, da ich noch keine Pläne mit Amir habe, aber wir uns wahrscheinlich heute schon sehen werden.
Es wäre alles so viel einfacher, wenn er das von mir und Amir wüsste. Immerhin ist er jetzt sowas wie mein Freund?
Er hebt fragend eine Augenbraue in die Höhe. Ich denke nicht, dass er schon jemals einen Korb kassiert hat und es fühlt sich komisch an, dass ich in dieser Position bin, zu entscheiden, ob wir uns treffen oder nicht.
"Ich gehe dann mal wieder an die Arbeit. Die Arbeit erledigt sich ja schließlich nicht von selbst", versuche ich, die Stimmung etwas zu lockern. Er erwidert nichts und ich gehe schnell aus dem Konferenzraum raus, um dieser unangenehmen Situation zu entkommen.

UnmoralischWo Geschichten leben. Entdecke jetzt